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«Amerika überstrahlt den Nationalfeiertag»: Schön wär's. © tagesanzeiger.ch

«Überstrahlt» oder «überschattet» – ist doch egal

Marco Diener /  Die «NZZ» verwechselt Länder, der «Tagi» Wörter. Und korrigiert das nicht einmal.

Seinerzeit, als ich bei der «Berner Zeitung» arbeitete, hatten wir einen Chefredaktor, der lustige Sachen sagte – ungewollt. Zum Beispiel klagte er darüber, dass das «Damaskus-Schwert» über uns schwebe. Wobei er die syrische Hauptstadt und Damokles, einen Günstling des Tyrannen Dionysios von Syrakus, verwechselte.

Oder er sagte, um zu verdeutlichen, wie knapp das Budget war: «Vögeli stirb oder verreck’.» Was dann auch keinen grossen Unterschied gemacht hätte.

Manchmal sind Verwechslungen auch weniger lustig. Letzte Woche brachte die «NZZ» die Länder Taiwan und Thailand durcheinander. Und zwar auf der Titelseite – wo doch mehrere Redaktoren einen Blick auf diese Seite werfen, ehe sie in Druck geht. Aber offenbar spart auch die «NZZ».

Und ebenfalls letzte Woche titelten der «Tages-Anzeiger» und andere Zeitungen aus dem Tamedia-Verlag: «Amerika überstrahlt den Nationalfeiertag.» Gemeint war Donald Trumps Entscheid, Importe aus der Schweiz mit einem Zoll von 39 Prozent zu belasten.

Dabei war es ja eher so, dass Trumps Entscheid unseren Nationalfeiertag «überschattete». Aber für die Tamedia-Leute scheint es egal zu sein, ob «überstrahlt» oder «überschattet». Der Fehler ist bis heute nicht korrigiert, obwohl die Redaktion in den Leser-Kommentaren darauf aufmerksam gemacht wurde.

Verwechslungen sind vor allem bei Sprachbildern häufig:

  • «Radio Bern» empfahl, man solle «Köpfe mit Nägeln machen». Und die Zuhörer dachten wohl: Umgekehrt wäre es eigentlich besser.
  • Ebenfalls «Radio Bern» war es, das die Mimik eines Politikers schilderte: «Er hat die Runzeln gestirnt.»
  • Auf «Radio SRF» war die Rede davon, dass eine Partei «über den Zaun grabe». Was sich allerdings als schwierig erweisen dürfte. «Grasen» wäre einfacher.
  • Die «Berner Zeitung» schrieb wiederholt von «einer Handvoll Patienten». Und die Leser fragten sich, wie viele Patienten in eine Hand passen. Oder ob sich die Patienten nicht eher «an den Fingern einer Hand abzählen» liessen. Dass der «Duden» inzwischen «eine Handvoll» als Synonym für «geringe Zahl» oder für «fünf» akzeptiert, macht die Sache auch nicht besser.
  • «Fernsehen SRF» fragte bei der Ankündigung eines Fussballspiels, «ob sich YB gut aus der Affiche» ziehen werde. Aber so eine Verwechslung ist ja keine «Affäre».

Manchmal sind die Sprachbilder so schräg, dass Leser oder Zuhörer gar nicht mehr verstehen, was gemeint sein könnte. Zum Beispiel wenn «Radio SRF» meldet: «Dieser Trump-Faktor hat die Karten politisch völlig neu gemischt.» Vielleicht würde es helfen, wenn man zuschauen könnte, wie «der Faktor die Karten mischt».

Edi Estermann, der einst Mediensprecher bei Ringier, der SRG und beim Eurovision-Song-Contest in Basel war, schrieb über solche Verwechslungen ein Buch. Titel: «Der Elefant im Personalladen.» Untertitel: «Sprichwörter und Redewendungen wie Strand am Meer.»


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