Sperberauge
Tamedia-Zeitungen: «Sorgfältig und journalistisch-fundiert»
Die Aare sei «der gefährlichste Fluss der Schweiz», schrieb die «Sonntags-Zeitung». Denn in keinem anderen Schweizer Gewässer seien zwischen 2012 und 2024 mehr Menschen gestorben.
Die anderen Tamedia-Zeitungen übernahmen den Artikel. Auch die «Berner Zeitung» und «Der Bund». Dabei hätte man – gerade in Bern – merken müssen, dass die Schlagzeile falsch war. Und zwar aus mehreren Gründen:
- Die Aare ist viel länger als andere Flüsse. Pro Kilometer starben «nur» 0,25 Menschen, in der Limmat 0,69.
- Die Aare ist über weite Strecken zum Baden geeignet.
- Und in der Aare baden mehr Leute als in anderen Flüssen, weil sie durch dicht besiedelte Gebiete führt.

Die «Sonntags-Zeitung» schrieb auch, junge Männer seien besonders gefährdet, bei Badeunfällen zu ertrinken. Sie seien die «Risikogruppe». Dabei sind alte Männer stärker gefährdet, wie Infosperber aufgezeigt hat.
Infosperber gelangte deshalb an die Chefredaktoren von «Berner Zeitung» sowie «Bund» und fragte unter anderem:
- «Warum haben ‹Bund› und ‹Berner Zeitung› die Artikel der ‹Sonntags-Zeitung› unbesehen übernommen?»
- «Wären ‹Bund› und ‹Berner Zeitung› ihren Lesern nicht eine objektive Information über die Gefährlichkeit der Aare schuldig?»
Die beiden Chefredaktoren antworteten nicht selber. Das übernahm Franziska Lurk von der Tamedia-Kommunikationsabteilung. Sie schreibt: «Der Artikel in der ‹Sonntags-Zeitung› wurde wie immer sorgfältig und journalistisch-fundiert recherchiert und verfasst.»
Aufmerksame und kritische Leser sehen das wohl anders.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Man hätte die Chefredaktionen auch darauf aufmerksam machen können, dass sie das Vergleichen lassen sollten. «Gefährlich» ist ja nicht der Fluss, sondern die Stellen, wo Schwimmer nicht hingehen sollten. Und das hat weder mit der Länge in Kilometern noch mit den badewilligen Anwohnern in Tausenden zu tun. Die Statistik ist nicht immer idiotisch, aber angewendet, wo sie nichts zu suchen hat, kann sie es werden.
Statistik ist offensichtlich nicht Jedermanns Sache. Das gleiche Muster sieht man bei den Unfällen mit den E-Bikes. «Immer mehr Unfälle mit E-Bikes» hiess es mehrmals, auch in anderen Pressetiteln.
Wenn es immer mehr E-Bikes gibt, steigt auch die Anzahl Unfälle. Die Relation fehlt. Anzahl Unfälle pro Tausend Bikes über mehrere Jahre als Beispiel. Und die Unterscheidung zwischen den 25er und den 45er (Geschwindigkeit mit Unterstützung) sowie den normalen Velos. Aber diese Zahlen muss man zuerst holen, wo auch immer. Zu aufwändig?
Solche Ungenauigkeiten stören mich auch immer.
Noch viel schlimmer sind aber die sogenannten «Umfragen» bei Tamedia. Meinungssondierung zum Thema eines Artikels. Meist ist nur eine völlig einseitige, undifferenzierte Meinungsabgabe mit vorformulierten, saloppen «Antworten» möglich.
Erwähnen kann man dazu; Statistik ist nicht jedermanns Sache, so weit so gut, oder fehlt es womöglich dann doch bei der Allgemeinbildung der Journalisten, in diesem Fall oder generell? Dass die Anfrage von Infosperber an Bund und Berner Zeitung wieder an die Konzernzentrale in Zürich zurück geleitet wurde, von wo der Artikel her kommt, zeigt gut auf, dass eigene redaktionelle Beiträge so gut wie inexistent sind. Die Antwort von der Kommunikationsabeilung sind dann wie zu erwarten reine Worthülsen. Von Statistik (oder Allgemeinbildung) ist von dieser Stelle dann auch nicht viel zu erwarten. Schade, aber leider courant normal bei vielen Medien.