Ringier wirft sich vor dem Palantir-Gründer in den Staub
«Guten Tag, Herr Karp.»
So steigt Peter Hossli in der Zeitschrift «Interview by Ringier» ins Gespräch mit Alexander Karp, Gründer und Chef des US-Unternehmens Palantir, ein.
Kann man so machen. Doch dann entgleist das Gespräch bereits. Karp schlägt vor: «Lass uns duzen, okay?» Und Hossli antwortet: «Von mir aus, hallo Alex.»
Damit ist die Sache eigentlich schon gelaufen. Denn unter diesen Umständen ist ein kritisches Interview nicht mehr möglich. Das weiss Peter Hossli an sich ganz genau. Denn er ist Leiter der Ringier-Journalistenschule.
Vor einem Jahr schrieb er auf seiner Website sogar: «Duzt ein Journalist seine Interviewpartnerin, verliert er die Kontrolle über den Journalismus. Sofort verschwindet, was in diesem Metier so wichtig ist: die Distanz.» Und weiter: «Schnell kann etwas zu persönlich und dadurch belanglos wirken.»
Wie recht er doch hat – der Hossli! Aber selber hält er sich nicht an seine Grundsätze. Er lässt im Interview die nötige Distanz vermissen, wird persönlich, verliert sich in Belanglosigkeiten.
«Welche Filme magst du?»
Das zeigt sich bereits ganz am Anfang, nachdem die Duz-Frage geklärt ist. Da wird klar, dass Hossli die Kontrolle über das Interview bereits verloren hat. Er lässt es zu, dass Karp die Fragen stellt: «Welche Filme magst du besonders?» Oder: «Was hast du gelesen, das deine Arbeit prägt?»
Hossli stellt nicht etwa klar, wer der Interviewer und wer der Interviewte ist, sondern macht das Spiel mit. Er geht sogar so weit, dass er von sich zu erzählen beginnt: «Ich schwimme täglich im Zürichsee.» Oder: «Gute Ideen habe ich beim Schwimmen, nicht vor dem Bildschirm.»
Sollen sie einfach plaudern
Jetzt könnte man natürlich einwenden: Lassen wir doch die beiden Herren einfach plaudern. Aber so einfach ist es nicht. Palantir ist ein – gelinde gesagt – umstrittenes Unternehmen. Es entwickelt Software, die sowohl für zivile wie für militärische Zwecke genutzt wird. Kunden sind Polizei, Militär und Geheimdienste.
Und auch Ringier. Die beiden Firmen arbeiten seit 2019 im Bereich der Künstlichen Intelligenz zusammen. Manchmal läuft dabei auch etwas schief. Aber 2024 haben sie den Vertrag für fünf weitere Jahre verlängert. Zudem sitzt Ringier-Chef Marc Walder im Digitalswitzerland-Vorstand, wo Palantir Mitglied ist.
«Erhebliche Auswirkungen»
Dass Ringier und Palantir miteinander geschäften – davon steht nichts im Interview. Dass die Palantir-Produkte im Krieg zum Einsatz kommen, das muss Karp schon selber erwähnen: «Unser Maven-Programm wird in der Ukraine eingesetzt, wo es eine bedeutende Rolle spielt. Bei jüngsten Operationen im Nahen Osten kam es mit erheblichen Auswirkungen zum Einsatz.»
An dieser Stelle würde sich die Leserschaft natürlich dafür interessieren, was es mit diesen «erheblichen Auswirkungen» – namentlich im Gazastreifen – auf sich hat. Aber Hossli stellt keine Frage dazu.
«Unsere Systeme töten besser»
Stattdessen erzählt Karp von sich aus: «Wir haben Systeme, die in manchen Bereichen besser sind als Experten. Mit menschlicher Unterstützung können sie heute schon besser töten.»
Hossli spricht lieber über den Schneemangel in Sun Valley: «Was macht ein Langlauffanatiker wie du stattdessen?» Sorgt sich um Karps Finanzen: «Verdienst du genug?» Und stellt philosophische Fragen: «Können Maschinen ein Gewissen haben?»
Der Journalist schmeichelt auch gerne: «Wer die klügste Person im Raum ist, ist im falschen Raum. Das bist oft du.» Oder: «Für einen blitzgescheiten Menschen wie dich ist es vermutlich nicht einfach, Gleichgesinnten zu begegnen.»
Doch Zweifel an Karps Verstand wären durchaus angebracht. Wenn er zum Beispiel über die USA sagt: «Die Grundlage unserer Verfassung wurde uns von Gott verliehen. Europäische Verfassungen werden von Menschen geschrieben.»
Und nicht nur Zweifel an Karps Verstand wären angebracht. Auch Zweifel an der Zukunft der Ringier-Journalistenausbildung unter Peter Hossli.
Das ist «Interview by Ringier»
«Interview by Ringier» ist eine Zeitschrift, die seit Ende 2021 existiert. Mit einer Auflage von 130’000 gestartet, liegt sie mittlerweile noch bei 88’000. Das Heft erscheint zwei Mal jährlich. Das Jahresabo kostet 24 Franken – wobei es für Neuabonnenten noch ein Heft obendrauf gibt.
Anfangs teilten sich Werner de Schepper und Susanne Walder die Chefredaktion. Inzwischen ist Walder alleinige Chefredaktorin. Sie ist die Ehefrau von Ringier-Chef Marc Walder. Dem Vernehmen nach leben sie getrennt.
In der neusten Ausgabe hat es ein Dutzend Interviews – etwa mit Tennisspieler Stan Wawrinka, Schauspielerin Veronica Ferres oder Wef-Gründer Klaus Schwab.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
_____________________
➔ Solche Artikel sind nur dank Ihren SPENDEN möglich. Spenden an unsere Stiftung können Sie bei den Steuern abziehen.
Mit Twint oder Bank-App auch gleich hier:
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.










Ihre Meinung
Lade Eingabefeld...