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Lugano mit der Monte-Brè-Bahn – für «Radio SRF» die Stadt der Superreichen. © adula64 auf youtube.com

«Radio SRF» meldet: Lugano – die Stadt der Superreichen

Marco Diener /  Die Zahl der Millionäre in Lugano sei im Vergleich zum Vorjahr um acht Prozent gestiegen. Doch das ist nichts als normal.

«In Lugano hat es acht Prozent mehr Millionäre als im Vorjahr», berichtete Redaktor David Karasek diese Woche im «Tagesgespräch» von «Radio SRF». Und er folgerte: «In Lugano gibt es immer mehr Superreiche.»

Der Tessin-Korrespondent Iwan Santoro erklärte: «Die kommen nicht zufällig. Lugano macht auch etwas dafür. Man lockt sie regelrecht an, die Superreichen.» So ging es während einer Viertelstunde weiter.

Immer mehr Millionäre? Logisch!

Das «Tagesgespräch» ist ein schönes Beispiel für eine falsch interpretierte Statistik. Denn dass die Zahl der Millionäre wächst, ist völlig normal. Und zwar aus mehreren Gründen:

  • Die Liegenschaftspreise sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Wer Eigentümer einer Wohnung oder eines Hauses ist, wurde so automatisch reicher.
  • Die Börsen liefen in den letzten Jahren gut. Wer Wertschriften besitzt und nicht alles falsch machte, wurde ebenfalls reicher.
  • Häufig vererbt eine Person ihr Vermögen an mehrere Personen. Auch das führt dazu, dass mehr Menschen reich werden.
  • Gegenwärtig gehen viele Babyboomer in Pension. Wenn sie sich das Kapital aus der Pensionskasse oder zumindest einen Teil davon auszahlen lassen, steigt ihr Vermögen schlagartig an. Vor der Pensionierung taucht das Pensionskassenkapital in keiner Statistik auf.
  • Das Gleiche gilt für die Gelder der 3. Säule. Auch sie fehlen in den Statistiken. Bis sich die Besitzer das Geld vor der Pensionierung auszahlen lassen. Gegenwärtig sind das besonders viele, weil die grössten Jahrgänge, die es in der Schweiz je gab, in Rente gehen.

Plus 6,5 Prozent im Jahr 2021

Aus diesen Gründen gibt es in der Schweiz immer mehr Millionäre. Das zeigt auch die Vermögenssteuerstatistik des Bundes. Leider liegen erst Zahlen bis ins Jahr 2021 vor. Aber die Statistik zeigt, dass die Zahl der Millionäre von 2020 auf 2021 um 6,5 Prozent auf fast 399’000 gestiegen ist. Wenn also die Zahl der Millionäre in einer Stadt wie Lugano um acht Prozent gestiegen ist, dann ist das nichts wahnsinnig Aussergewöhnliches. Und um «Superreiche» handelt es sich bei den meisten Millionären auch nicht.

Doch zurück zum «Tagesgespräch» auf «Radio SRF». Infosperber wollte von «SRF» zwei Sachen wissen:

  • Ob «acht Prozent mehr Millionäre als im Vorjahr» bedeute, dass die Zahl von 2024 auf 2025 so gestiegen sei.
  • Und woher die Zahlen stammten.

«SRF» musste einräumen, dass die Zahlen nicht aktuell seien, dass es also nicht um einen Vergleich mit dem Vorjahr gehe. «Die Zahl der Millionäre in Lugano» sei «im Jahresverlauf 2022 um acht Prozent» gestiegen, teilte «SRF» schliesslich mit. Das gehe aus einem Bericht von Henley & Partners hervor. Dabei handelt es sich um ein Beratungsunternehmen, das sein Geld unter anderem mit dem Verkauf von Pässen und Aufenthaltsgenehmigungen macht.

Fragwürdige Zahlen

Dass sich «Radio SRF» auf die Zahlen von Henley & Partners stützt, ist äusserst fragwürdig. Das Beratungsunternehmen hat nämlich nicht erfasst, wie sich das Vermögen der Luganesi entwickelt hat und wie viele davon zu Millionären geworden sind. Vielmehr verfügt es über eine Datenbank mit 150’000 Personen weltweit und verfolgt, wohin diese umziehen. Die Zahlen zeigen also nicht die Vermögensentwicklung, sondern die Vermögensmigration.

Hinzu kommt: Henley & Partners hat nicht berechnet, wie viele Franken-Millionäre es gibt, sondern wie viele Dollar-Millionäre. Nur: Ein Dollar-Millionär ist noch lange kein Franken-Millionär. Eine Million Dollar ist nach heutigen Wechselkursen bloss gut 800’000 Franken wert. Wer 800’000 Franken besitzt, gehört noch nicht in die Kategorie der Superreichen.

Nach der Anfrage von Infosperber stellte offenbar auch «Radio SRF» fest, dass es sich auf eine fragwürdige Statistik gestützt hatte. Jedenfalls teilte SRF mit: «Wir haben die Beschreibung im Online-Artikel angepasst.»

«Angepasst» ist allerdings beschönigend. «SRF» hatte ursprünglich geschrieben: «Acht Prozent mehr Millionäre als im Vorjahr leben in Lugano.» Diesen Satz hat «SRF» entfernt.

Neu steht: «Immer mehr Millionäre leben in Lugano.»

Ein Satz, der an Banalität kaum zu übertreffen ist. Er gilt für jede Schweizer Stadt.


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Keine
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Fragwürdige Statistiken aus Medien

Mit Statistiken und Grafiken sollten Medien besonders sorgfältig umgehen. Beispiele von Unstatistiken.

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Eine Meinung zu

  • am 6.08.2025 um 20:03 Uhr
    Permalink

    Wenn es um den Zuzug von (Dollar-)Millionären geht, ist das aber schon eine relevante Info, die nicht trivial oder selbstverständlich ist. Aus anderen Städten oder Ländern ziehen die Multimillionäre eher ab.

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