Kommentar
Merci, liebe Reiche, merci, dass ihr bleibt und uns beschenkt
Meine Frau und ich haben dieses Jahr rund 20’000 Franken verschenkt. Das Geld ging grösstenteils an den Kanton Bern, ein Teil ging an die Stadt Bern und der kleinste Teil an den Bund. Alle drei hatten uns vorher ihre Wunschzettel geschickt. Beziehungsweise ihre Einzahlungsscheine.
Wie ich darauf komme, dass das Geschenke waren? Ich habe kürzlich einen Leitartikel der «Tages-Anzeiger»-Chefredaktorin Raphaela Birrer gelesen. Er war gegen die Erbschaftssteuer-Initiative der Juso gerichtet. Natürlich dagegen. Die Tamedia-Zeitungen stellen sich wie üblich hinter die Reichen.
Gegen die Kritik an der Initiative ist an und für sich nichts einzuwenden. Es gibt tatsächlich Gründe, die gegen die Initiative sprechen. Dass sie Vermögen erst ab 50 Millionen Franken erfasst, etwa. Oder dass Unternehmen in Schwierigkeiten geraten könnten.
Aber Birrer hat offenbar nicht ganz verstanden, was eine Steuer ist. Zunächst schürt sie in ihrem Leitartikel die Angst davor, dass die Überreichen auswandern könnten, wenn die Initiative angenommen würde. Dann begründet sie: «Dem Staat im grossen Stil Geld zu schenken, kommt für viele von ihnen nicht infrage.»
Dem Staat Geld «schenken» – so denkt die «Tagi»-Chefredaktorin also: Für sie ist eine Steuer ein Geschenk. Und nicht etwa eine Geldleistung, die wir alle entsprechend unserer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entrichten, wie es in Artikel 127 der Bundesverfassung festgeschrieben ist.
Birrer hat die Sichtweise der übertrieben Reichen übernommen. Diese rufen uns ständig in Erinnerung, dass sie nur auf Zeit da sind. Und dass sie, falls wir falsch stimmen sollten, rasch weg wären. Sie schüren eine Stimmung, in der manche unter uns langsam glauben, die Steuern, die Überreiche entrichten, seien nicht eine Pflicht, sondern ein Geschenk.

Erstaunlich auch: «Tagi»-Chefredaktorin Raphaela Birrer zeigt gegenüber den Überreichen sogar Mitleid. Sie schreibt etwa, dass Erben bei Annahme der Initiative «teilweise Milliardenbeträge an den Staat bezahlen» müssten.
Na und? Wenn jemand – sagen wir mal – vier Milliarden Franken erbt und ihm davon gut zwei Milliarden übrig bleiben: Hat er dann unser Mitleid verdient? Oder lebt er immer noch recht komfortabel vom Geld, das er nicht selber verdient hat?
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.









Auch ich «schenke» Bund, Kanton und Gemeinde jedes Jahr erhebliche Geldmengen. Ich bin aber dankbar für all die Leistungen, die ich dafür erhalte, auch wenn ich längst nicht alle nutze.
Energischer Gegner der Erbschaftssteuer-Initiative ist der Bund der Steuerzahler (BDS). Auf der Homepage lese ich, dass dies eine «unabhängige, gemeinnützige und parteipolitisch neutrale Schutzvereinigung aller Steuerzahler in der Schweiz» ist. Ich habe nun die Parteizugehörigkeit der Vorstandsmitglieder gesucht und gefunden: Der Präsident war der kürzlich verstorbene Alfred Heer, SVP. Von Martin von Reding, dem Kassier und Kaufmann zu Goldau, fand ich keine Angaben, aber alle übrigen Mitglieder sind in der SVP aktiv.
Heute besteht die Tendenz, dass die Reichen regieren bzw. die Politik beeinflussen. Diese Entwicklung schwächt die Demokratie. Dagegen sollten wir uns wehren. Ein JA zur Initiative ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber es braucht noch mehr!
Ein Geschenk ist etwas, Geld oder Sache, das ich freiwillig und ohne Zwang, weder moralischer noch gesetzlicher Art, jemand anderem gebe. Die Betonung liegt auf freiwillig. Wenn nun jemand in der Schweiz den Betrag X an Steuern dem Staat überweist ist das sicher kein Geschenk. Wenn diese oder dieser jemand in der Schweiz aber den Betrag 3X bezahlen muss, in einem anderen Land aber nur 1X oder 2X, und dieser oder diese jemand bleibt trotzdem in der Schweiz mit der höheren Steuerbelastung, dann kann man die Differenz durchaus als freiwilliges Geschenk betrachten.
Sehr realitätsfremder Artikel. Bin ziemlich sprachlos ob der Argumentation.
Ich kann mir nicht erklären, wie jemand diesen sachlich korrekten Artikel als nicht nützlich bezeichnen kann. Der Artikel macht explizit keine Abstimmungsempfehlung. Er kritisiert zurecht die sprachliche Zerstörung der Gesellschaft.
Übrigens: derzeit leben viele Superreiche mit ganz komischen Sondersteuern in der Schweiz. Sie bezahlen also viel zu wenig, nicht etwa zu viel. Ihr Abzug wäre für unser Gemeinwesen vielleicht gar nicht schlecht.
Es sind ja die Superreichen, die dem Klima überproportional schaden und auch viel kostbaren Boden beanspruchen, wo doch dauernd in den Medien von Wohnungsnot die Rede ist. Gemäss neuester SRF-Umfrage beabsichtigen immerhin 30 Prozent der Stimmberechtigten JA zur Initiative zu sagen. Das ist eine nicht zu vernachlässigende Minderheit, die in der Politik Spuren hinterlassen müsste. Hätten die Initianten einen tieferen Steuersatz angesetzt, so hätten sie – das meine ich – durchaus Chancen gehabt zu gewinnen. Vor allem der Mythos «Familienunternehmen» dürfte viele dazu bewegen, ein NEIN in die Urne zu legen. Wir werden mit Schlagwörtern eingedeckt, wo klare, aufrichtige Informationen wichtig wären.
«die sprachliche Zerstörung der Gesellschaft» geschieht mit (bewusst) falsch verwendeten Begriffen, Geschenk für eine Steuer ist ein gutes Beispiel. Aber ebenso die Deklaration von sehr reichen Menschen als «Überreiche» oder «übertrieben Reiche». Als wäre das falsch, reich zu sein. Dies ist eine negative Bewertung der bestehenden Ungleichheit zwischen uns allen. Eine Gesellschaft ohne Ungleichheit zu schaffen wurde schon versucht – und ist misslungen.
Steuern bezahlen ist kein Geschenk, sondern eine Schutzgeld Erpressung.
Wer das nicht glaubt, soll mal diese Zahlungen zurückhalten.