Veit_Dengler_NZZ

Veit V. Dengler, von der NZZ 2014 angeheuert, 2017 wieder gefeuert © NZZ

Zum abrupten Abgang des NZZ-CEOs Veit Dengler

Christian Müller /  Medien-Manager sind oft Opfer ungeeigneter Positionierung im Kompetenzen-Diagramm. Abrupte Abgänge sind deshalb branchenüblich.

«Veit V. Dengler ist nicht zu beneiden. Für das kommerzielle Ergebnis eines Medienunternehmens verantwortlich zu sein, auf die politische Linie der eigenen Zeitungen aber keinen Einfluss nehmen zu können, ist kein Schleck. Im Gegenteil: es ist ein Blindflug bei ausgeschalteter Navigation, salopper gesagt: ein Selbstmordkommando. Runter kommt man zwar immer, aber ob sanft auf einer Landepiste aufsetzend oder mit einem Crash, das ist schon ein Unterschied.»

Diese Sätze standen am 14. Dezember 2014 im Infosperber. Sie waren, wie man sieht, nicht so falsch. Veit Dengler wurde jetzt, am 7. Juni 2017, nicht gefeuert, weil er ein schlechter Manager war oder ist, sondern weil seine Position, CEO eines Medienunternehmens ohne Kompetenzen in der Redaktion, schlicht ein Unding ist.

Mitte Dezember 2014, kurz nachdem der profilierte Chefredaktor Markus Spillmann gefeuert wurde, wollte der Verwaltungsrat der NZZ den jetzigen Chefredaktor der Basler Zeitung, Markus Somm, zum neuen Chefredaktor der NZZ machen. Somms Nähe zur SVP führte indessen zu massiven Protesten, nicht zuletzt aus dem Kreis der Leserinnen und Leser. Der VR sah sich gezwungen, diese Übung vorzeitig abzublasen. Der damalige Ausland-Chef, Eric Gujer, war dann – in jedem Sinne des Wortes – die zweite Wahl für die Chefredaktion. Über seine politische Linie kann man streiten, zumindest die NATO liebt seine Leitartikel. Offenkundig ist zwischenzeitlich, dass er über wenig Führungstalent verfügt. Das psychologische Problem, dass auch seine Ehefrau Claudia Schwartz in der Redaktion der NZZ sitzt und ihre Kolleginnen und Kollegen die ihr sichere eheliche Rückendeckung spüren lässt, hat er, wie zahlreiche Insiderberichte bezeugen, zumindest nicht im Griff. Aber nach aussen ist Gujer stark; ein kritisches Portrait, das im Tages-Anzeiger hätte erscheinen sollen, hat er zum Beispiel mit, wie berichtet wird, offenbar angedrohten Rechtsschritten erfolgreich verhindern könnnen.

Ein Produkt für zwei unterschiedliche Märkte

Eine Zeitung erfolgreich zu vermarkten, ist nicht einfach. Ein Auto-Hersteller, der zum Beispiel seine SUVs in Alaska und in Marokko vertreibt, kann in den nach Alaska gelieferten Wagen eine stärkere Heizung einbauen, in die nach Marokko gelieferten Wagen aber eine stärkere Kühlung. Nestlé kann die (vermeintlich gleiche) Schokolade für die kaufkraftstarke Schweiz in bester Qualität produzieren, für die Slowakei mit einer kleineren Kaufkraft aber in reduzierter Qualität. Sprich: die meisten Produkte können den anvisierten Märkten angepasst werden.

Nicht so eine Zeitung: Sie muss den Leserinnen und Lesern gefallen und sie muss gleichzeitig den Werbetreibenden gefallen, also beiden anvisierten Märkten. Und zwar so wie sie ist. Die NZZ kann nicht eine Ausgabe für die Leserinnen und Leser mit zum Beispiel bankenkritischem Stoff produzieren und eine Ausgabe für die Inserenten unter Erfüllung aller Inserentenwünsche. Es ist immer eine äusserst schwierige Ausgangslage. Bei den heutigen Finanzierungsmodellen empfiehlt sich in der Regel die grösstmögliche redaktionelle Freiheit, auf die Leserinnen und Leser ausgerichtet, nicht auf Partikularinteressen der Aktionäre. Wenn der CEO aber auf die Produktgestaltung, auf das redaktionelle Angebot – Personal, Gewichtung der einzelnen Ressorts, generelle Ausrichtung, etc. – mangels Kompetenzen keinen Einfluss nehmen darf und kann, kann er auch nicht für den Erfolg oder Misserfolg des Produkts auf den beiden unterschiedlichen Märkten verantwortlich gemacht werden, denn verantwortlich kann nur ein Manager gemacht werden, dessen Aufgabe und dessen Kompetenzen übereinstimmen. Da dies bei den Medien sehr selten der Fall ist, sind Abgänge dort schon fast programmiert.

Veit Dengler, ein sympathischer, guter Mann, vor seiner NZZ-Zeit in Österreich auch politisch recht aktiv und zum Beispiel ein erklärter Freund der EU, musste hier zusehen, was alles schiefläuft – ohne die notwendigen Kompetenzen, sich genügend einbringen zu können. Die Überraschung ist also nicht, dass er jetzt gehen muss, die Überraschung ist eher, dass der Eclat erst jetzt stattgefunden hat.

Mal sehen, welcher Medien-Manager bereit ist, in ein solches Unternehmen einzusteigen. Erfolgreiche Führungsleute werden da nicht einsteigen wollen, es sei denn, sie haben nicht nur Erfahrung, die Leiter hochzusteigen, sondern bereits auch Erfahrung, den Lift gelegentlich nach unten nehmen zu müssen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Der Autor war von 1989 bis 1997 und von 2003 bis 2009 ebenfalls Medienmanager, darunter CEO von Ringier CZ und CEO der Vogt-Schild Medien Gruppe. 1989 wurde er von Ringier gefeuert, 1993 von Ringier wieder eingestellt.

Zum Infosperber-Dossier:

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2 Meinungen

  • am 9.06.2017 um 12:33 Uhr
    Permalink

    Habe ich das richtig verstanden? Der NZZ-Chefredaktor Eric Gujer hat einen kritischen Artikel über sich im Tages-Anzeiger verhindern lassen? Wie bitte? Was versteht denn Eric Gujer unter Pressefreiheit? Dass ein Chefredaktor einen Artikel über sich nicht publizieren lässt (und andernfalls mit rechtlichen Schritten droht), ist äusserst bedenklich.

  • am 12.06.2017 um 15:47 Uhr
    Permalink

    «Aber nach aussen ist Gujer stark; ein kritisches Portrait, das im Tages-Anzeiger hätte erscheinen sollen, hat er zum Beispiel mit, wie berichtet wird, offenbar angedrohten Rechtsschritten erfolgreich verhindern könnnen.» ……. So ist das also: bloss ein anwaltliches Schreiben im Auftrag des NZZ-Chefredaktors an die «Tages-Anzeiger»-Chefredaktion – und schon senken die Tagi-Leute demütig ihre Häupter, machen den Kotau vor der NZZ, kuschen brav und tun beflissen, wie ihnen von der «Alten Tante» befohlen. Anschaulicher könnte der Niedergang dieser einst angesehenen, unabhängigen Forumszeitung namens «Tages-Anzeiger» nicht mehr demonstriert werden.

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