Kassensturz_gut

Kassensturz lässt zwei Pestizid-Initiativen unter den Tisch fallen. © SRF

Pestizide: Kassensturz schweigt Initiative tot

Tobias Tscherrig /  Die TV-Sendung berichtete zweimal über Pestizide in der Landwirtschaft. Über zwei Volksinitiativen zum Thema informierte sie nicht.

Die Sendung Kassensturz berichtete am 6. Juni über Walliser Winzer, die sich beim Einsatz von Pestiziden um den Gewässerschutz foutieren. Die Walliser Reben, nicht selten in schwierig zugänglichem Gelände gelegen, werden oft per Helikopter mit Gift besprüht. Eine effiziente Methode, die allerdings einen Nachteil hat: Die Giftduschen sind ungenau, die Chemikalien landen auch dort, wo sie nichts zu suchen haben. Das Problem entsteht, weil Walliser Weinbauern die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstände zu Wäldern und Bächen systematisch und seit Jahren missachten. So steht es in einem Bericht der Denkwerkstatt «Vision Landwirtschaft», den die Kassensturz-Macher zitieren.

Kassensturz konfrontierte die zuständigen Walliser Behörden mit den Erkenntnissen – diese gaben zu, dass die Kontrollen nicht genügen, Schutzstreifen zu Bächen fehlen und Pestizide illegal angewandt werden.

Als Folge verunreinigen die Chemikalien Böden und Gewässer. Ein Problem, das nicht nur das Wallis betrifft, sondern schweizweit für Besorgnis sorgt. «Die Pestizidbelastung des Trinkwassers durch die Landwirtschaft gehört aktuell zu den grössten Bedrohungen des Trinkwassers», sagte etwa Roman Wiget, Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Wasserwerke Bodensee-Rhein in der Sendung.

Das Kassensturz-Team recherchierte weiter und veröffentlichte eine Woche nach der ersten Sendung einen weiteren Aspekt der Thematik: Die Pestizid-Werte in den Schweizer Gewässern sind viel zu hoch. Und das sogar dort, wo sich die Bauern an die Vorschriften halten. Kassensturz zeigte auf, dass das Bundesamt für Landwirtschaft bei der Zulassung von Pestiziden hohe Risiken eingeht – und das wissentlich.

Aus Programm gekippt
Die Beiträge zur Pestizid-Thematik waren fundiert und legen den Finger auf den wunden Punkt. Nichtsdestotrotz unterschlägt der Kassensturz dem Publikum zwei aktuelle Initiativen von Privatpersonen, die beide mit unterschiedlichen Massnahmen die Nutzung von Pestiziden einschränken oder verbieten wollen. Initiativen, für welche zurzeit die Unterschriftensammlungen laufen und welche die gesamte Thematik abdecken – und deshalb relevant sind.

Das war wohl auch den Kassensturz-Journalisten klar, sie kontaktierten die Urheber der Initiative «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung – Keine Subventionen für den Pestizid- und den prophylaktischen Antibiotika-Einsatz». Ein Termin wurde vereinbart, anschliessend begleitete Kassensturz die Urheber während zwei Tagen beim Sammeln von Unterschriften, auch verschiedene Statements der Initianten wurden aufgenommen. Szenen, die in die Sendung hätten einfliessen sollen. «So sollte die Sicht der Bürger dargestellt werden», bestätigt Franziska Herren vom Initiativkomitee. Daraus wurde nichts.

Erst habe sich der Kassensturz gemeldet und mitgeteilt, die Szenen seien gekürzt worden. Dann sei die Initiative ganz aus der Sendung geflogen. «Das war eine grosse Enttäuschung», so Herren, die mit ihrem Team seit Ende März Unterschriften für ihr Anliegen sammelt und bis jetzt rund 20’000 Unterstützer gefunden hat. Herren musste ihre Helferinnen und Helfer, die sich um das Bekanntmachen der Kassensturz-Sendung kümmern sollten, wieder zurückpfeifen. Das Komitee reagierte mit einem Rundschreiben an seine Unterstützer, in dem SRF vorgeworfen wird, kalte Füsse bekommen zu haben.

Kassensturz-Redaktor Daniel Mennig nennt es normal, dass Szenen gedreht würden, die dann anschliessend nicht gesendet würden. «Es gibt keinen politischen Grund, vielmehr wurde die Thematik im Lauf der dreimonatigen Recherche immer komplexer, die Schwerpunkte haben sich verschoben.» Ausserdem seien die meisten der Aufnahmen mit den Initianten mittels Mobiltelefon gedreht worden. «Formal und technisch hat es nicht funktioniert.»

Bürger müssen mitreden
Den Initianten stiess allerdings sauer auf, dass die Initiative in der Sendung nicht einmal kurz erwähnt wurde. Auch die in der Westschweiz lancierte Initiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» fand im Kassensturz keine Erwähnung. «Wenigstens wurde über die Thematik berichtet», meint Etienne Kuhn vom entsprechenden Initiativkomitee. «Bisher wurde das Thema immer nur zwischen dem Staat und verschiedenen Experten besprochen. Manchmal schalteten sich zusätzlich Naturschutzorganisationen in die Diskussion ein.» Die Bürger müssten endlich mitreden und ihre Meinung kundtun, so Kuhn, der es bedauert, dass die Initiativen in den Sendungen mit keinem Wort erwähnt wurden.

Kuhn erwähnt das grosse Interesse, auf das die Initiative stosse. Pestizide seien im Bewusstsein der Bevölkerung angekommen. «Wir sind erstaunt, wie viele Leute unterschreiben», sagt Kuhn. «Die Menschen machen sich Sorgen, täglich erreichen uns Unterschriften aus der gesamten Schweiz, auch wenn wir nur über wenig finanzielle Mittel verfügen und praktisch keine Werbung schalten können.» Kuhn will allerdings nicht genau sagen, wie viele Unterschriften bereits zusammen sind. Die Sammelfrist läuft Ende Mai 2018 ab.


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8 Meinungen

  • am 18.06.2017 um 12:14 Uhr
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    Ebenfalls wird verschwiegen, dass es auch homöopathische Mittel gibt
    Die das Gleiche aber ohne Gefahr und Nebenwirkungen wirken, sogar besser.
    Es ist ein Thema auch für die Humanmedizin.
    Nach gängigen Methoden ist die Angelegenheit schwer zu beweisen.
    Man frage das SHI Institut in Zug.

  • am 18.06.2017 um 14:11 Uhr
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    Das ist bedenklich, passt aber gut zur häufig einäugigen Berichterstattung von SRF. Wenn der bisher doch glaubwürdige Kassensturz auch noch verludert, dann kommt eben no Billag. no SRF. Vorläufig wehre ich mich mal mit Verzicht auf Walliserweine. Nicht zum ersten Mal.

  • am 18.06.2017 um 14:47 Uhr
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    Der Unterschriftenbogen ‹Für sauberes Trinkwasser …› liegt bei mir zur Unterschrift für die ganze Familie auf dem Tisch! Aber hat sie auch nur die geringste Chance vor dem Volk wenn sie fordert: ‹….einen ökologischen Leistungsausweis, der die Erhaltung der Biodiversität, eine pestizidfreie Produktion und einen Tierbestand, der mit dem auf dem Betrieb produzierten Futtetr ernährt werden kann, …›.
    Biodiversität, kein Gift, ok! Aber die letzte Forderung? Das ist das absolute Totschlagargument für die Initiative. Wir wissen, dass die Schweiz im Ausland etwa noch einmal so viel Land nutzt wie im Inland selbst. Eine Aenderung tut tatsächlich not. Wie wäre es denn, wenn wir nur schon Futterimporte jeder Art aus anderen Kontinenten verböten? Ein rigoroser Eingriff, der unsere Landwirtschaft, sagen wir mal, auf einen besseren Weg brächte.

  • am 18.06.2017 um 15:33 Uhr
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    Es ist offensichtlich weshalb dem Kassensturz «von oben» verboten wurde etwas über die Initiative zu sauberem Trinkwasser zu berichten. In beiden Kassensturzsendungen bemühte man sich keinerlei Bezug zur Fleischproduktion zu schaffen obwohl diese zu den Hauptverursachern der Wasserkontamination gehören. Futtermittelanbau etc. wurde total ausgeblendet. Dies ist bei der Initiative nicht der Fall: Dort geht es um sauberes Trinkwasser – egal woher die Gifte hineingelangen. Deshalb wäre die Annahme der Initiative vor allem für die Schweizer Fleisch- (und Milch-)Wirtschaft ein grosses Problem. Diesen Zusammenhang wollte man beim Kassensturz nicht aufzeigen.

  • am 18.06.2017 um 20:37 Uhr
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    Höchst beunruhigend die aktuelle Meldung des Fachverbandes der Wasserversorger über die steigende Giftbelastung im Grundwasser. Wenn in jeder fünften Messstelle von Trinkwasserfassungen zu hohe Pestizidrückstände gemessen werden, müssen die Alarmglocken läuten und Sofortmassnahmen eingeleitet werden. Nicht nur im Wallis, auch im Flachland ist die Spritzfreudigkeit in Gewässernähe immer noch viel zu hoch. Die heutigen Kontrollen scheinen ungenügend zu sein. Schützen wir eines unserer höchsten, lebenswichtigen Güter – sauberes Trinkwasser. Ich denke solche Massnahmen sind mehrheitsfähig. Besser kleinere Wein- und Milchseen und geringere landwirtschaftliche Überproduktion, als verschmutztes Trinkwasser. Die beiden Volksinitiativen «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung – Keine Subventionen für den Pestizid- und den prophylaktischen Antibiotika-Einsatz» und «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» kommen jetzt zu rechten Zeit.
    Martin A. Liechti, Maur

  • am 19.06.2017 um 09:18 Uhr
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    Ich nehme an Michael Haggenmacher meinte, ‹Für sauberes Trinkwasser …› habe *nicht* «die geringste Chance…». Ich bin für die Ziele der Initiative. Jedoch vereint sie die vier Bereiche Biodiversität, Pestizide, Futtermittel und Antibiotika und dürfte aus konventioneller Sicht extrem wirken und chancenlos sein, nicht einmal einen Gegenvorschlag auslösen.

    ‹Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide …› verbietet nebst synthetischen Pestiziden auch den Import von Lebensmitteln, welche solche enthalten oder mittels solchen hergestellt sind. Die letzte Forderung dürfte aus konventioneller Sicht extrem wirken. Es ist jedoch zu hoffen, dass die Initiative einen leichter zu gewinnenden Gegenvorschlag bewirkt für den Verbot der Verwendung in der Schwiez.

    Ich kann also fast verstehen, dass der Kassensturz die Initiativen in diesem Kontext nicht vorstellt. (Nut fast: erwähnt werden hätten sie sollen.) Für mich ist skandalös, dass die *geltenden* Gesetze nicht eingehalten werden und die Walliser Behörden nicht einmal die nachweislich gesetzeswidrig Versprühung von Pestiziden ahndet.

  • am 19.06.2017 um 11:11 Uhr
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    Im Wallisb gibt es auch hervorragenden Biowein.
    Allerdings besteht die Gefahr, dass eine Giftwolke aus dem Helikopter auf die aufwändig biologisch gepflegten Flächen schwappt. Dann muss der Biowein als nicht bio verkauft werden: viel Handarbeit – wenig Ertrag.
    Vor Jahren habe ich das selber einmal erlebt. Bin beim Besuch eines Bio-Rebberges von einer Pestizidwolke, die der Wind hinüberbrachte eingenebelt worden. Das war eindrücklich.

  • am 19.06.2017 um 14:21 Uhr
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    Es gibt viele fortschrittliche Bauern im Wallis. Leider sind sie noch nicht die Mehrheit. Dem Kassensturz wäre es wohl angestanden, die beiden Initiativen wenigstens zu erwähnen. Aber was nicht ist kann ja noch werden.

    Dank diesem Bericht sind die beiden Unterschriftenbogen auch bei mir auf dem Tisch und an die Bekannten weiter geleitet.

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