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Gleiche Front-Schlagzeile in fast allen Tamedia-Zeitungen © tamedia

«Eine Frau» macht oft Schlagzeilen

Barbara Marti /  Ein satirischer Eintrag in der französischen Wikipedia zeigt, wie Medien renommierte Frauen unsichtbar machen.

Eine Schlagzeile

    «Jetzt soll ein Mann das Problem mit der EU lösen»

ist undenkbar. Deshalb muss die Schlagzeile «Jetzt soll eine Frau das Problem mit der EU lösen» zu denken geben.
Doch seit Anfang Jahr waren bereits etliche solche Schlagzeile in den Medien: «Eine Frau soll Michael Laubers Laden aufräumen», «Eine Frau wird Sportchefin beim Schlittschuhclub Bern», «Pritzker-Preis geht an zwei Frauen», «Frau an der Spitze von Griechenland», «Eine Frau beaufsichtigt neu die Vatikan-Finanzen», «Chefin für bemanntes Raumfahrtprogramm».

Unwahrscheinliche Schlagzeilen: «Ein Mann soll Michael Laubers Laden aufräumen», «Ein Mann wird Sportchef», «Pritzker-Preis geht an zwei Männer», «Mann an der Spitze von Griechenland», «Ein Mann beaufsichtigt neu die Vatikan-Finanzen», «Chef für bemanntes Raumfahrtprogramm».

Renommierte Frauen unsichtbar gemacht

Die Beispiele zeigen, dass viele Medien Frauen, die Schlagzeilen machen, auch heute noch oft auf ihr Geschlecht reduzieren. Die Persönlichkeiten verschwinden hinter der Bezeichnung «eine Frau». So heisst beispielsweise die vermutlich neue EU-Chefunterhändlerin Livia Leu Agosti und war bisher Botschafterin in Paris. Die «Frau an der Spitze von Griechenland» ist Ekaterini Sakellaropoulou. Die Staatspräsidentin war zuvor Präsidentin des obersten Verwaltungs- und Verfassungsgerichtes Griechenlands. Die Finanzrechtsexpertin Antonella Sciarrone Alibrandi beaufsichtigt die Vatikan-Finanzen. Sie ist Vize-Rektorin der Katholischen Universität in Mailand und lehrt dort Bank- und Finanzmarktrecht. Und die Ingenieurin und Managerin Kathy Lueders leitet die Direktion für bemannte Raumfahrt der US-Weltraumbehörde Nasa.

Viele Aktivitäten und Berufe

«Eine Frau» hat seit Mai in der französischen Wikipedia einen satirischen Eintrag. Sie hat keinen Vor- und keinen Nachnamen und viele Nationalitäten. Ihr Lebenslauf ist lang mit vielen Aktivitäten und Berufen. Einzig mit der Anerkennung hapert es: Sie hat nur sieben Nobelpreise für Chemie und nur einmal die Fields-Medaille erhalten, die höchste Auszeichnung für Mathematik-Talente. Basis für den unter einem Pseudonym verfassten Eintrag sind Schlagzeilen französischsprachiger Medien aus den letzten 60 Jahren.

Sexismus überwinden

Diese Wikipedia-Seite sei eine gute Methode, um den Menschen zu zeigen, wie Medien unterschiedlich über Frauen und Männer berichten, sagte die feministische Journalistin Marine Périn gegenüber «Le Monde». Es sei ganz einfach, diesen Sexismus zu überwinden: Man müsse die Frau mit Vornamen, Namen und ihrer Funktion nennen.
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Die Autorin ist Redaktorin und Herausgeberin der Online-Zeitschrift «FrauenSicht».

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2 Meinungen

  • am 14.10.2020 um 21:26 Uhr
    Permalink

    Wie wahr, wie traurig, wie ertappt ich mich doch fühle (dass die Schlagzeile mit «Frau» mich nicht sogleich irritierte).
    Danke, dass Sie mich ertappt haben. Danke, dass Sie uns immer wieder den Spiegel vorhalten, so dass wir uns zunehmend besser erkennen können!

  • am 15.10.2020 um 03:23 Uhr
    Permalink

    Beim «Frauenstreik» 1991 war das Motto: «Wenn Frau will, steht alles still». Ich bin nicht Feminist, sondern Realist. Was Frauen täglich in Beruf und Familie (oft gar nicht, oder unterbezahlt, leisten) ist immens, und erhält unsere Gesellschaft am Leben. Diese Einsicht fehlt in weiten Kreisen von Politik und Wirtschaft. Die «Arbeits-Leistung» von Männern – die ich in vielen Bereichen stark in Frage stelle – ist weit weniger gesellschaftsdienlich als die Arbeit vieler Frauen. Ethisches und sozialverträgliches Handeln muss man den Männern in Seminaren und Studiengängen beibringen, eintrichtern, einhämmern. Frauen haben das von Geburt an in ihren Genen. Wäre «Gott» als «Göttin und «Jesusa» als ihre «Tochter» erschienen, hätten wir heute ein anderes Weltverständnis. Ich wünschte mir, dass das Motto des Frauenstreiks von 1991 kurzfristig umgesetzt würde: «Wenn Frau will, steht alles still.» Unser Alltag würde aus den Fugen geraten. Männer nehmen sich einfach viel zu wichtig und blenden aus, dass sie ohne Mutter gar nicht da wären. Nur wenige Männer sind tragende Elemente unserer Kultur. Es sind vorwiegend Frauen. Dass sie das immer wieder beweisen müssen, ist eine Schande. Ich schätze Frauen, die Kinder betreuen, die ein Kind gebären, beschützen und pflegen, gegenüber Männern, die auf Ausbeutung, Eigeninteressen, Gewinn, Profit und Machterhaltung, ohne Rücksicht auf Menschenwürde oder Menschenleben orientiert sind. Leben erhalten ist weiblich, Leben zerstören ist männlich.

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