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Das Twitter-Konto des US-Journalisten Chris Stirewalt © Screenshot

Hinter den Kulissen von Fox News

Rainer Stadler /  Ein Ex-Mitarbeiter von Fox News schaut auf seine Zeit beim rechten Sender zurück. Er spielte eine wichtige Rolle in der Wahlnacht.

Donald Trumps Gastspiel im Weissen Haus hat einige Insider dazu inspiriert, Bücher über Backstage-Szenen zu schreiben. Demnächst erscheint ein weiteres Oeuvre. Sein Autor heisst Chris Stirewalt. Er war Journalist beim konservativen US-Sender Fox News. In der Wahlnacht der Präsidentschaftswahlen 2020 war er im Einsatz, als Fox News früher als andere Medien – am 3. November um 23 Uhr 20 (Ostküste) – verkündete, Joe Biden habe das Rennen in Arizona gewonnen. Das war eine entscheidende Aussage, die den Gesamtsieg des demokratischen Kandidaten bedeutete. Für den Amtsinhaber war das ein Schlag, und der kam ausgerechnet von einem Sender, der ihm wohlgesonnen war. Trump versuchte zu intervenieren. Erfolglos. Stirewalt war der Journalist, der in der Wahlnacht als erster vor dem Bildschirm die Entscheidung der Redaktion erklärte und rechtfertigte.

Eine politische Entlassung?

Trump ermunterte darauf seine Anhänger, Fox News nicht mehr einzuschalten. Tatsächlich gingen in der Folge die Einschaltquoten des Senders zurück. Und für Chris Stirewalt kam schon bald das Ende seiner 11-jährigen Tätigkeit bei Fox. Im Januar 2021 musste er die Redaktion verlassen; seiner Meinung nach wegen der Wahlnacht. Gemäss Angaben des Senders fiel er Restrukturierungen zum Opfer; auch andere Mitarbeiter wurden damals entlassen.

Wie auch immer, anderthalb Jahre später blickt Stirewalt nun in einem Buch zurück. Die «New York Times» hat in einem Artikel auf die bevorstehende Publikation hingewiesen. Indiskretionen aus dem Bauch von Fox gibt es bis jetzt kaum – sei es wegen der strengen Vertraulichkeitsvorschriften oder wegen der Loyalität der Mitarbeiter.  Stirewalt und seine Kollegen vom sogenannten Decision Desk waren nach der brisanten frühen Verkündigung der Resultate aus Arizona der Wut der Trump-Anhänger ausgesetzt. Ein Senator von North Dakota forderte die Entlassung von Stirewalt und sprach von einer Vertuschung.

Stirewalt schreibt, dass die mit einem Trump-Sieg rechnenden Zuschauer weniger enttäuscht gewesen wären, wenn sie zuvor vom Sender besser über die Entwicklung des Wahlkampfs informiert worden wären und damit gewusst hätten, dass das Rennen keineswegs klar zugunsten von Trump verlief. Doch Fox habe sein Publikum lieber mit Lobhudeleien bedient statt mit Beiträgen, welche das Weltbild der Zielgruppe strapaziert hätte. Den bekannten Fox-Moderator Tucker Carlson und das Management des Senders bezeichnet Stirewalt als Heuchler, die sich als Kämpfer gegen die Medienkonzerne inszenierten, jedoch selber Angestellte eines Grosskonzerns seien.

Ideologen, Geschäftemacher und Journalisten

Fox News geht es nach Meinung von Stirewalt nicht um das Durchsetzen einer politischen Agenda, sondern ums Geldverdienen. Das tue der Sender, indem er dem Publikum nach dem Mund rede und entsprechend wider besseres Wissen auch Lügen verbreite. Beifügen darf man: Fox News operiert wohl wie andere Medien auch: Da gibt es in der Redaktion die Fraktion der Ideologen, die ihre Mission verfolgen, dann jene der Geschäftemacher, die am liebsten an die Maximierung der Einnahmen und der Reichweite denken, und schliesslich jene paar Journalisten, die in erster Linie an der Analyse von Fakten interessiert sind. Die durchaus gewollte Kombination ergibt für das Management eine Mischrechnung, die es im besten Fall erlaubt, einem Medium eine breite ökonomische Basis zu verschaffen.

Stirewalt zählt sich offensichtlich zu den sauberen Journalisten. Das hat er in der Wahlnacht bewiesen. Seine rechte Weltanschauung hat er beibehalten. Zumindest arbeitet er weiterhin für konservative Institutionen: für das American Enterprise Institute und die Website The Dispatch. Aber seinem ehemaligen Arbeitgeber wirft er vor, via Fox News Angst und Hass zu erzeugen.


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Eine Meinung zu

  • am 24.08.2022 um 15:01 Uhr
    Permalink

    Chris Stirewalt hat das gemacht, was in einer Demokratie eine Basisnotwendigkeit ist: in dem Moment, wo die Fakten feststehen, zu verkünden, wer die Wahl gewonnen hat. Der größte Teil der Trump-Anhänger unterstützt Trump darin, diese Basisnotwendigkeit zu unterminieren. (sofern wir hier in Europa nicht mit völlig falschen Fakten operieren) und ein großer Teil us-amerikanischer Medien schafft es nicht, sich da völlig von Trump abzusetzen.
    Wenn es einen sehr wichtigen Grund gibt, warum Deutschland jetzt mit 100 Mrd. Euro versucht, seine Verteidigungsfähigkeit massiv zu verbessern, dann ist es der demokratische Wackelkandidat USA, der spätestens seit 2014 Russland mit der Urkraine zeigen will, was ein demokratischer Rechtsstaat ist. Hier liegt die eigentliche Zeitenwende, die mit dem Botschafter Richard Grenell begann.

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