Eppenberg-Wöschnau ist das Zentrum des Verbrechens – angeblich
Da rutscht einem fast das Herz in die Hose, wenn man den Artikel in den Tamedia-Zeitungen liest: «Sie kommen dann, wenn niemand zu Hause ist, und vorzugsweise, wenn es früh dunkel wird: Einbrecherinnen und Einbrecher haben jetzt wieder Hochsaison. In den Wintermonaten, gerade im Dezember, gibt es in der Schweiz besonders viele Diebstähle. Die Täter nutzen den Schutz der frühen Dämmerung aus und dringen unbemerkt in Wohnungen und Häuser ein.»
Schlimmer als in Basel, Zürich und Bern
Besonders viele Sorgen müssen sich nach der Lektüre des Artikels die Einwohner und die Einwohnerinnen der solothurnischen Gemeinde Eppenberg-Wöschnau machen. Sie wohnen quasi im Zentrum des Verbrechens. Jedenfalls wenn man den Tamedia-Datenjournalisten Yannick Wiget und Paul Ronga sowie der Volontärin Sepinud Poorghadiri glaubt.

Die drei Journalisten haben aufgrund von Zahlen des Bundesamts für Statistik (BfS) ermittelt, dass Eppenberg-Wöschnau mit 45,2 die höchste Einbruchsrate der Schweiz hat. Zum Vergleich: In Basel liegt die Einbruchsrate bei 8,7 in Zürich bei 6,9 und in Bern bei 6,6.
Der einsame Spitzenreiter
45,2 bedeutet: In den Jahren 2020 bis 2024 gab es in der Gemeinde pro Jahr im Durchschnitt 15 Einbrüche. Nun haben die Tamedia-Journalisten ausgerechnet, wie viele Einbrüche das pro 1000 Einwohner sind. Weil die Gemeinde nur 342 Einwohner hat, kamen sie auf den Wert von 45,2. Damit ist Eppenberg-Wöschnau angeblich der einsame Spitzenreiter in der Einbruchsstatistik.
Leider haben sich die Tamedia-Journalisten nur für Zahlen interessiert, nicht aber für mögliche Hintergründe. Einer dieser Hintergründe dürfte das Gewerbe in der Gemeinde Eppenberg-Wöschnau sein. Das BfS unterscheidet nämlich nicht zwischen Einbrüchen in Privathaushalte und Einbrüche in Unternehmen.
Vier Autohändler
In Eppenberg-Wöschnau hat es – im Verhältnis zur kleinen Einwohnerzahl – eine ausserordentlich grosse Industriezone. Dort sind zwei Baugeschäfte, eine Gartenbaufirma, vier Autohändler, zwei Take-Aways, ein Möbelantiquariat, ein Brockenhaus und der Baumarkt Jumbo zuhause.
Gut möglich, dass es bei diesen Betrieben hin und wieder zu einem Einbruch kommt. Gerade der Baumarkt Jumbo lässt viel Ware auf dem eingezäunten Freigelände und davor sowie in Zelten herumliegen.

Statt dies aufzuzeigen, haben die Tamedia-Journalisten den Solothurner SVP-Kantonsrat Marc Winistörfer befragt. Und dieser hat die Gelegenheit beim Schopf gepackt, über den angeblich strukturschwachen Kanton zu lamentieren. Schuld an der Kriminalität sei auch die wachsende Drogenszene. Belege dafür? Keine.
Wenig Einwohner, viel Gewerbe
Auch für andere Gemeinden an der Spitze der Tamedia-Rangliste gibt es Erklärungen. Balm bei Günsberg SO beispielsweise verzeichnete im Schnitt der letzten fünf Jahre bloss fünf Einbrüche. Weil die Einwohnerzahl aber nur gut 200 Personen beträgt, ergibt das eine imposante Einbruchsrate pro 1000 Einwohner. Jeder einzelne Einbruch lässt die Einbruchsrate emporschnellen. In Zürich ändern ein paar Einbrüche mehr oder weniger nichts an der Einbruchsrate.
In Allaman VD – ebenfalls ein Ort mit hoher Einbruchsrate – liegt das Littoral-Centre mit einem Coop, einem Jumbo-Baumarkt, Mode-, Sport- und Elektronikgeschäften, einem Coop pronto, einer Tankstelle sowie einer Autowaschanlage.
Auch in Montagny-près-Yverdon VD hat es eine sehr grosse Industriezone mit Autohändlern, einem Jumbo-Baumarkt, einem Decathlon, Autohändlern, einem Migros-Supermarkt, einem Migrolino, einer Tankstelle und einem Coop-Supermarkt. Und auch da – wen wundert’s? – ist die Einbruchsrate hoch.
Vereinfacht lässt sich sagen: Je kleiner die Einwohnerzahl und je grösser die Industriezone, desto höher die Einbruchsrate.
Der Campingplatz in Gampelen
Interessant ist übrigens auch Gampelen BE. Es belegt in der Tamedia-Einbruchsstatistik Rang 15. Warum das so ist? Das Dorf hat rund 1000 Einwohner. Aber bis im Oktober 2024 hatte es unten am Neuenburgersee einen grossen TCS-Campingplatz mit 800 Stellplätzen. Im Winter, wenn der Campingplatz geschlossen war, und auch unter der Woche waren die Wohnwagen, weil unbewohnt, ein Einbruchsziel. So kann ein einzelner Betrieb eine Statistik, wie sie sich die drei Tamedia-Journalisten ausgedacht haben, nutzlos machen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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