Sperberauge

Dieses Radio tönt nicht mehr echt

Marco Diener © zvg

Marco Diener /  Radio SRF reitet auf der Podcast-Welle: mit langfädigen Pseudo-Reportagen und mit ebenso langfädigen Pseudo-Gesprächen.

Die Wirtschaftssendung «Trend» von Radio SRF 1 berichtete kürzlich über das Café Apfelgold in der Berner Länggasse. Denn dort hat es auf dem Tresen einen Kleber mit der berndeutschen Aufschrift: «Merci, dass du mit Bargäud zauhsch.» Der Inhaber des Cafés Apfelgold möchte, dass die Kunden – wegen der hohen Gebühren – möglichst nicht mit Twint und nicht mit Karte zahlen.

Merci, dass du mit Bargäud zauhsch Bargeld Debitkarte Kreditkarte Twint
Im Café Apfelgold sollen die Kunden wenn möglich mit Bargeld zahlen.

Die Sendung beginnt mit einem lockeren Gespräch unter Radioleuten:

Klaus Ammann beginnt: «Matthias, du hast das Café mit dem Bargeld-Aufkleber entdeckt und bist dort vorbeigegangen.»

Matthias Heim berichtet reportagemässig: «Ja, in diesem Café zeigt sich nämlich beispielhaft, wie sich die Art und Weise, wie wir zahlen, in den vergangenen Jahren verändert hat. Dort, im Café Apfelgold, hat mich Donat Berger empfangen. Er ist der Geschäftsführer und Geschäftsinhaber. Ich bin da an einem Montag vorbeigegangen. Dann ist sein Betrieb zu. Und er hatte Zeit für den Journalisten. Und es ist ein schmuckes Café mit Holztischen und Holzstühlen, einem Innen- und Aussenbereich, einem grossen Wandregal mit lokalen Produkten und einem Tresen. Und dort hat Donat Berger erzählt.»

Infosperber wundert sich über die «Entdeckung» von Matthias Heim. Auf Instagram gab es jedenfalls schon sieben Wochen vor der Radiosendung einen Eintrag über den Kleber im Café Apfelgold. Und das Online-Magazin «Hauptstadt» berichtete schon fünfeinhalb Wochen vor SRF ausführlich darüber.

Infosperber beisst sich durch, bis die Radiojournalisten nach fast drei Minuten endlich zum Thema kommen: den hohen Gebühren von Twint. Aber nach gut einer Minute ist es auch schon wieder vorbei: «Diese Kosten wollen wir uns später anschauen, Matthias.»

Infosperber ist enttäuscht, erfährt aber von einem Twint-Chef, wie beliebt Twint ist. Ein Nationalbank-Chef berichtet, wie wichtig Bargeld ist. Und dann kommt auch noch ein Tour d’Horizon im Ausland.

Infosperber wird belohnt für seine Geduld. Endlich – nach einer Viertelstunde – kommen die Radioleute zur Sache: «Matthias, gehen wir zurück zum Berner Café, zum Café Apfelgold. Ein Kleber dort will die Gäste dafür sensibilisieren, bar zu bezahlen. Und zwar aus Kostengründen.»

Infosperber hat das nicht vergessen. Aber merci für die Repetition! Also: «Wo und wie kostet denn das bargeldlose Bezahlen?» «Ja, wir haben es eingangs gehört, bargeldlos zahlen ist eben nicht gratis.»

Infosperber dankt auch für diese Wiederholung. Und freut sich, dass der Höhepunkt der Sendung dann doch noch kommt: Das Café bezahlt für bargeldlose Zahlungen pro Jahr fast 5000 Franken. Was das bedeutet? Wie viel Twint vom Café pro Transaktion verlangt? Wie viel die Gebühren am Jahresumsatz ausmachen? Davon erfahren die Hörer leider nichts.

Stattdessen führen die beiden Radio-Journalisten ihr arrangiertes Pseudo-Gespräch weiter.

– Klaus Ammann stellt eine vorbereitete Frage: «Warum erhöht Donat Berger nicht einfach die Preise?»

– Matthias Heim gibt die vorbereitete Antwort: «Ja, genau. Diese Frage habe ich dem Geschäftsführer, Donat Berger, auch gestellt.» Und dann folgt der Einspieler.

Bei SRF sind sie üblich geworden — diese angeblich lockeren und spontan geführten Gespräche. Zum Beispiel am Donnerstagabend in «Dini Mundart» auf Radio SRF 1. Da stellt Nadia Zollinger eine Frage, und Markus Gasser erteilt die Antwort. Damit es spontan klingt, gibt Nadia Zollinger immer wieder ein zustimmendes «Mhm» von sich und fällt Markus Gasser hin und wieder ins Wort. Er sagt seinerseits immer wieder: «Genau.»

Auch die Gespräche mit den Mitgliedern der SRF-Wissenschaftsredaktion sind bestimmt vorbereitet. Denn es kommt eigentlich nie vor, dass die Wissenschaftsredaktoren von einer Frage überrascht werden oder eine Frage nicht beantworten können.

Die arrangierten Pseudo-Gespräche lassen sich oft ganz leicht erkennen. Dann etwa, wenn der Stichwortgeber die Fragen so unsicher und ungeschickt vorträgt, dass jeder Hörer merkt, dass sie abgelesen sind. Oder wenn der Stichwortgeber im Fragenkatalog verrutscht und nicht mehr weiss, welche Frage er nun eigentlich stellen müsste.


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Keine
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4 Meinungen

  • Portrait_Daniel_Goldstein_2016
    am 30.06.2023 um 10:21 Uhr
    Permalink

    … und noch eine Podcast-Marotte, die sich vermehrt auch in Äther-Sendungen ausbreitet: eingespieltes Hintergrund-Gesäusel, das schon bei leichter Hörbehinderung das Verstehen erschwert.

  • am 30.06.2023 um 11:50 Uhr
    Permalink

    Oh, wie wohl tut mir dieser Artikel!
    Inzweifacher Hinsicht:
    1. Brabbel, babbel, bibbel (endlos)
    2. Brabbel, babbel, bibbel (endlos) im Traum

  • am 1.07.2023 um 12:31 Uhr
    Permalink

    Wegen Sparmassnahmen werden die Informationen auf SRF halt zu Infotainment. Locker Sendungen in die Länge ziehen. So gewünscht von der SVP. Kritisch? Nein danke. Und sicher nicht mit Gebühren bezahlt.

  • am 2.07.2023 um 11:33 Uhr
    Permalink

    Einverstanden, was den neuen Stil vieler SRF Radiosendungen betrifft. Auch das «Sound-Design», die Untermalung mit so etwas wie Musik. Kurzzeitig ganz lustig, dann unerträglich.

    Was die Kosten von TWINT betrifft, macht dieser Artikel dasselbe wie SRF, lässt uns hängen ohne Antwort. Laut https://www.twint.ch/faq/was-kostet-mich-twint-als-haendler/ sind es in der Regel 1.3% des Umsatzes. Wenn das stimmt und das Café tatsächlich fast Fr. 5’000 gebühren pro Jahr zahlt, wäre der entsprechende Umsatz ca. Fr. 384’000, sagen wir Fr. 1’000 pro Tag. Das ist nicht wahnsinnig viel, doch nicht ganz ohne, dieses zu verwalten und vor Verlust zu schützen. Die ca. Fr. 13 pro Tag für TWINT sind es vielleicht Wert, diese Kosten zu vermeiden. So macht es Der Bahnhofshop Trubschachen, akzeptiert *nur* TWINT. Damit entging ihm allerdings kürzlich mein Einkauf von Fr. 18.60, da TWINT nur mit Smartphone-App geht, was ich prinzipiell ablehne und deshalb besonders gerne das Café Apfelgold aufsuchen werde!

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