Kommentar

Die «NZZ»: Ziemlich einfach gestrickt

Marco Diener © zvg

Marco Diener /  Nach den letzten Urnengängen bekamen die Stimmberechtigten von der «NZZ» die Leviten gelesen. Jetzt gibt's plötzlich Lob.

«Die Urnengänger sind mehrheitlich nicht so simpel gestrickt wie die Urheber gewisser Initiativen.» Das schrieb Wirtschaftsredaktor Hansueli Schöchli gestern in der «NZZ». Anlass für sein Lob an die Stimmberechtigten war das klare Nein zur Erbschaftssteuer-Initiative der Juso.

Die Anerkennung kam ein bisschen überraschend. In letzter Zeit hatte es sich die «NZZ» zur Gewohnheit gemacht, die Stimmberechtigen zu schelten:

  • Chefredaktor Eric Gujer schrieb im April: «Die Schweizer genehmigten sich einen tüchtigen Schluck aus der Rentenpulle und stimmten für eine 13. AHV-Auszahlung.» Er schimpfte: Wir seien nicht «Staatsbürger», sondern «Staatskonsumenten».
  • Wirtschaftsredaktor Hansueli Schöchli hatte einen Monat davor geklagt: «Die Bürger sind tendenziell linker, etatistischer und egoistischer geworden.»
  • Bereits unmittelbar nach der Abstimmung zur 13. AHV-Rente hatte Inlandredaktorin Christina Neuhaus im März 2024 kritisiert: «Offensichtlich wollte die Mittelklasse, der Ende des Monats immer weniger Geld bleibt, auch dem Staat und seinen politischen Repräsentanten einen Denkzettel verpassen.»

Kurz gesagt: Wenn wir anders stimmen, als es die «NZZ»-Redaktoren gerne hätten, dann sind wir Stimmberechtigten ein Haufen egoistischer Staatskonsumenten, die nur danach trachten, dem Staat einen Denkzettel zu verpassen. Aber wenn wir so stimmen, wie es die «NZZ»-Redaktoren gerne hätten, dann sind wir gar «nicht so simpel gestrickt».

Oder ist am Ende etwa die «NZZ» ein bisschen «simpel gestrickt»?


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2 Meinungen

  • am 2.12.2025 um 14:53 Uhr
    Permalink

    Was gibt es Schöneres als mit der «Alten Tante» zu frühstücken. Niemand versteht es besser, komplexe Oberflächlichkeit in entlarvende Sprachbilder zu fassen. Etwa, wenn der Seebueb Gujer die Stimmbevölkerung mit süchtigen Alkoholkranken vergleicht, wohl in Unkenntnis der Tatsache, dass 90% der Alkoholsteuer in die AHV/IV fliesst. Dass ihm beim Schreiben wohl der Austernsaft aus den Mundwinkeln tropfte, bleibt blosse Spekulation. Und erst recht die Inlandchefin Neuhaus, die – wohl in einer ersten Annäherung an die marxistische Klassenanalyse – neuerdings von einer Mittelklasse schreibt, nachdem diese bei den Automobilen durch den SUV-Wahn längst plattgewalzt worden ist. Und der erfahrene NZZ-Leser erinnert sich, dass die Mittelschicht für die NZZ einst bei denen begann, die gerade nicht mehr auf’s Sozialamt mussten, und bei denen aufhörte, die sich gerade mal noch keinen Privatjet leisten konnten. Fazit: Wenn wir die NZZ nicht schon hätten, dürfte man sie keinesfalls erfinden.

  • am 4.12.2025 um 08:43 Uhr
    Permalink

    Hansueli ist schon ok, ihm einfach einen Ball geben.
    Und Marco Diener schreibt hervorragend.
    Freundliche Grüsse
    Stefan Hässig

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