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Kinder beim Essen in der Kantine. © Depositphotos

Wegen Quecksilber: Kein Thon mehr in vielen Schulen Frankreichs

Daniela Gschweng /  Neun französische Städte haben Thon von ihren Schulmenüs gestrichen und fordern strengere Grenzwerte für Quecksilber.

Thon spielt eine bedeutende Rolle in der französischen Küche, er wird an allen französischen Küsten gefischt. Viele Schulkinder müssen allerdings seit Anfang des Schuljahres im September darauf verzichten. Neun französische Städte, darunter Paris, Lyon und Marseille, haben Thunfisch von den Speiseplänen ihrer Schulkantinen gestrichen.

Frischer Thunfisch ist Bestandteil der feinen Küche, im Alltag stammen die Filets für Salade niçoise oder Sandwiches meist aus der Dose. Dosenthunfisch ist teilweise erheblich mit Quecksilber oder Metyhlquecksilber belastet.

Stark erhöhte Quecksilberwerte in Dosenfisch

Die Aktion der Städte folgt einer Untersuchung von Bloom und Foodwatch, die auch in der Schweiz einiges Aufsehen erregte. Die Nichtregierungsorganisationen (NGOs) hatten im vergangenen Jahr in Dosenthunfisch aus fünf europäischen Ländern erhöhte Quecksilberwerte festgestellt. In jeder zehnten Probe war zu viel Quecksilber, keine einzige war frei davon. Die Marke Petit Navire, gekauft bei der Supermarktkette Carrefour, wies mit 3,9 Milligramm Quecksilber pro Kilogramm Fisch den höchsten gemessenen Wert auf.

NGOs bemängeln zu laxe Quecksilber-Höchstwerte

Dabei sei der Quecksilber-Grenzwert für Thon ohnehin schon dreimal so hoch wie derjenige für andere Fischarten wie Sardellen oder Kabeljau, reklamiert Bloom. Und das ohne jede nachvollziehbare Begründung. Die Organisation wirft der Politik vor, die Höchstwerte nach kommerziellen Gesichtspunkten festzulegen statt nach gesundheitlichen. Thon ist der meistverkaufte Fisch in Europa.

Das giftige Schwermetall Quecksilber kommt in Fischen in zwei Formen vor: als Quecksilber und in Form des viel giftigeren Methylquecksilbers, das von Bakterien gebildet wird. Vor allem bei älteren Fischen kann die Belastung erheblich sein, weil sich beides über die Zeit anreichert. Bloom und Foodwatch unterscheiden die beiden Formen in ihren Datentabellen nicht.

«Quecksilber ist ein starkes Nervengift, das sich im Gehirn anlagert und kaum ausgeschieden werden kann», erklärte Studienautorin Julie Guterman. Besonders riskant ist beides für Kinder. Sowohl wegen ihres geringeren Körpergewichts wie auch wegen ihrer grösseren Empfindlichkeit für Umweltgifte. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft Quecksilber als eine der zehn gefährlichsten Umweltchemikalien ein.

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Französische Städte fühlen sich nicht ausreichend geschützt

Paris, Lyon, Lille, Montpellier, Rennes, Grenoble, Mouans-Sartoux und Bègles erklärten in einer Mitteilung, sie sähen sich zum Handeln gezwungen, da weder nationale noch europäische Behörden noch die Fischereiindustrie reagiert hätten. «Wenn wir Warnungen wie diese erhalten, können wir sie nicht ignorieren», sagte Gilles Pérole, Vizebürgermeister von Mouans-Sartoux. Marseille schloss sich der Aktion später an.

Nach EU-Recht darf ein Kilogramm Thunfisch bis zu einem Milligramm Quecksilber enthalten – dreimal so viel wie andere Fischarten (0,3 mg/kg). Diese Ausnahme sei eingeführt worden, weil Thunfisch die strengeren Grenzwerte gar nicht einhalten könne, so Pérole. Die beteiligten Städte wollen den Fisch erst wieder anbieten, wenn die Grenzwerte gesenkt sind.

Der französische Hersteller Petit Navire, in dessen Produkten die höchsten Werte gefunden wurden, weist die Vorwürfe zurück. Die gemessenen Werte lägen laut firmeneigenen Tests im Schnitt bei 0,2 bis 0,3 Milligramm pro Kilogramm und damit innerhalb der EU-Grenzwerte.

NGOs: Kontrollen sind unzureichend

Bloom und Foodwatch dagegen prangern an, dass Thunfisch in der Praxis viel zu selten getestet werde. Am Herkunftsort auf den Seychellen seien etwa zehn Tests pro Jahr vorgeschrieben – für Millionen Kilo Fisch. In Frankreich würden pro Jahr weniger als 50 frische Fische getestet, Dosenthunfisch werde gar nicht geprüft.

Die betroffenen Städte fordern nun von der französischen Regierung und der EU, die zulässigen Quecksilbergrenzwerte für Thunfisch zu senken. Bloom und Foodwatch fordern, den Verzehr von Thunfisch in Schulen, Kindergärten, Spitälern und Altenheimen zu verbieten.

Beide Organisationen starteten eine Petition an Detailhandelsketten wie Carrefour, Lidl, Edeka und Coop, um strengere Kontrollen, ein Werbeverbot und klare Warnhinweise auf Thunfischprodukten durchzusetzen.


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