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Auch die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Margrethe Vestager, liess sich im Sommer Blut abnehmen. Das Labor wies darin sieben verschiedene PFAS nach. © EEB, Chemsec

Nach Tests: PFAS im Politikerblut omnipräsent

Daniela Gschweng /  Das dänische Umweltministerium forderte EU-Abgeordnete im Sommer auf, ihr Blut auf PFAS testen zu lassen.

Im vergangenen Sommer forderte die dänische EU-Ratspräsidentschaft EU-Politiker und -Politikerinnen auf, ihr Blut auf PFAS testen zu lassen. Hintergrund: eine PR-Aktion des Europäischen Umweltbüros (EEB) und der Organisation Chemsec, die den Test initiiert hatten.

24 Politikerinnen und Politiker aus 19 Ländern nahmen das Angebot an, darunter Margrethe Vestager, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und der ehemalige Green-Deal-Chef Frans Timmermans.

PFAS bei allen getesteten Politikerinnen und Politikern

Im Blut aller Teilnehmenden fanden sich mindestens drei verschiedene PFAS-Chemikalien, am häufigsten die wegen ihrer Giftigkeit verbotenen Chemikalien PFOS (Perfluoroktansulfonsäure) und PFOA (Perfluoroktansäure). Geprüft hatten die Labors auf 13 PFAS, von denen acht bei wenigstens einer Person nachgewiesen wurden.

Die Hälfte der Getesteten hatte bedenkliche Mengen im Blut. Das heisst, ihre PFAS-Werte lagen über der von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) empfohlenen Höchstaufnahme (Tolerable Weekly Intake, TWI) von 4,4 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht für die Summe der vier PFAS PFOS, PFOA, PFNA und PFHxS.

Nach Berechnung der Europäischen Biomonitoring-Initiative HBM4EU entspricht dies 6,9 Mikrogramm dieser «PFAS-4» genannten Gruppe pro Liter Blut. Gesundheitsfolgen können nicht mehr ausgeschlossen werden.

PFAS in_Politikerblut
Im vergangenen Sommer testeten NGOs das Blut von 24 EU-Politkern und -Politikerinnen auf 13 PFAS. Fündig wurden sie bei allen. Nicht nachgewiesen wurden PFBA, PFPeA, PFHxA, PFHpA und PFHpS. (Daten: EEB, Tabelle: Daniela Gschweng)

Dass sich PFAS im Blut von fast jeder und jedem finden, ist keine grosse Überraschung und durch bisherige Untersuchungen belegt. Langkettige PFAS wie PFOS und PFOA werden dazu erst nach Jahren ausgeschieden und reichern sich an (Infosperber berichtete).

Nicht alle PFAS (kurz für: per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) sind giftig. Bisherige Erkenntnisse legen aber nahe, dass die meisten ein Schädigungspotenzial aufweisen. Für einige PFAS ist nachgewiesen, dass sie das Hormon- und Immunsystem schädigen, die Fortpflanzung stören und Krebs auslösen.

In der Umwelt allgegenwärtig

In der Umwelt sind PFAS allgegenwärtig und bauen sich kaum ab. Immer wieder werden sie in zu hohen Mengen in Lebensmitteln gefunden – für sonst nicht aussergewöhnlich belastete Menschen die grösste PFAS-Quelle. Greenpeace beispielsweise fand bei Tests von Fischen, Muscheln und Krabben aus Nord- und Ostsee kürzlich sämtlich PFAS. Drei von 17 Proben lagen über den EU-Grenzwerten. Wer zweimal pro Woche davon esse, liege «zum Teil um ein Vielfaches» über Werten, die noch als unbedenklich gelten, berichtete die deutsche «Tagesschau».

Am häufigsten in menschlichem Blut findet sich Perfluoroctansulfonsäure (PFOS). Das Blut von Europäerinnen und Europäern ist mit durchschnittlich 1,67 bis 8,06 Mikrogramm pro Liter belastet. PFOS- und PFOA-Werte seien aber rückläufig, schreibt EEB mit Verweis auf Daten der Europäischen Biomonitoring-Initiative HBM4EU, in die auch Daten aus der Schweiz eingeflossen sind. Das sei ein Hinweis, dass Regulierung wirke. Insgesamt sechs der gefundenen PFAS sind in der EU seit Jahren reguliert. PFOA, PFOS und PFHxS sind in der Schweiz verboten.

«Die sozialen Kosten müssen endlich von den Verursachern getragen werden»

Politikerinnen und Politiker nutzten die Gelegenheit, um auf die Allgegenwart der «ewigen» PFAS-Chemikalien aufmerksam zu machen und um eine strengere Regulierung und schnellere Prozesse zu fordern. «Es ist nicht hinnehmbar, dass Stoffe, die nachweislich gesundheits- und umweltschädlich sind, jahrzehntelang legal verwendet werden durften», sagte die grüne EU-Abgeordnete Jutta Paulus, deren Blut ebenfalls getestet wurde, zu «Euraktiv». Man müsse die EU-Chemikalienverordnung Reach so reformieren, dass die sozialen Kosten endlich von den Verursachern getragen würden.

Der Verband der Europäischen chemischen Industrie (CEFIC) erklärte laut EEB, er unterstütze «ausgewogene Regulierungsmassnahmen». Universelle Beschränkungen lehnt die Industrie weitgehend ab.

NGOs: «EU-Chemikalienregulierung ist zu unternehmensfreundlich»

Die EU-Chemikalienregulierung sei zu unternehmensfreundlich, sagten hingegen die Organisationen EEB, eine Dachorganisation für mehr als 160 Umweltverbände, und Chemsec. Während Medizinunternehmen nachweisen müssten, dass ihre Produkte unschädlich seien, würden solche Anforderungen für Chemieunternehmen nicht gelten. Stattdessen müssten die Regulierungsbehörden nachweisen, dass häufig verwendete Chemikalien für den Menschen schädlich seien – solche Abklärungen sind teuer und können lange dauern. Wenn eine Chemikalie schliesslich verboten werde, würden die Kosten häufig von der Gesellschaft und nicht von den Unternehmen getragen.

Von besonders grosser Bedeutung sei das Thema PFAS laut «Euraktiv» für Belgien. Chemiekonzerne wie 3M haben dort grosse Bodenflächen mit PFAS verschmutzt. Das Land gilt als das am höchsten mit PFAS kontaminierte Land in Europa.

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Zum Infosperber-Dossier:

PFAS.Dossier.M&P

PFAS-Chemikalien verursachen Krebs und können Erbgut schaden

Die «ewigen Chemikalien» PFAS bauen sich in der Natur so gut wie gar nicht ab. Fast alle Menschen haben PFAS bereits im Blut.

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