Massagepistole Wade Sport Gesundheit

Gut gegen Verspannungen, aber bestimmt nicht fürs Muskelwachstum: Massagepistolen. © Youtube

Massagepistolen sind keine Wunderwaffen

Marco Diener /  Massagepistolen boomen bei Freizeitsportlern. Doch sie halten nicht, was die Hersteller versprechen. Und sie bergen Gefahren.

Das Angebot erschlägt einen fast. Galaxus hat über 140 so genannte Massagepistolen im Sortiment. Die billigsten kosten 25 Franken, die teuersten über 1000 Franken. Auch der Sport-Discounter Decathlon bietet sie an. Zu Preisen zwischen 110 und 330 Franken. Und sogar der Internetladen des Zeitungsverlags Tamedia verkauft ein solches Gerät.

Doch was sind Massagepistolen überhaupt? Die Geräte ähneln tatsächlich einer Pistole. Sie haben einen Akku und sind an der Steckdose aufladbar. Mitgeliefert werden verschiedene Aufsätze. Die Massagepistolen erzeugen schnelle und kraftvolle Schläge. Sportler können damit ihre Muskeln traktieren.

Angeblich gegen Muskelkater

Wozu das gut sein soll? Die Hersteller versprechen allerhand. Mit einer Massagepistole könnten Sportler einem Muskelkater vorbeugen. Sie könnten damit die Beweglichkeit verbessern, der Muskelermüdung entgegenwirken, Körperfett abbauen, ja sogar die Muskeln wachsen lassen.

Und was sagt der Fachmann zu all diesen Versprechen? Über manche muss Slavko Rogan, Physiotherapie-Dozent an der Berner Fachhochschule, nur lachen. «Viele Anpreisungen», sagt er, «sind Unsinn.» Die Beweglichkeit beispielsweise lasse sich nur mit Dehnen, mit Yoga oder mit Pilates verbessern – «und auch nur dann, wenn man täglich dran ist».

Senkt die Muskelspannung

Trotzdem: Slavko Rogan findet Massagepistolen an sich sinnvolle Geräte. «Wir haben in der Physiotherapie und in der Massage schon immer mit Hilfsmitteln gearbeitet. Zum Beispiel mit Holzstäbchen. Das entlastet die Finger», sagt er. Eine Massagepistole sei einfach eine Weiterentwicklung solcher Stäbchen. «Mit einer Massagepistole kommt man tiefer in die Muskulatur. Und man braucht nicht so viel Kraft», erklärt er. Zudem lasse sich mit einer Massagepistole «die Muskelspannung sehr gut senken», sagt Rogan. Auch die Durchblutung lasse sich verbessern. Alle anderen Anpreisungen seien leere Versprechen. Die Hersteller geben sie ab, um mehr Geräte zu verkaufen.

Nicht am Bauch

Laut Slavko Rogan dürfen Massagepistolen nicht im Bauchbereich verwendet werden, denn innere Organe könnten Schaden nehmen. Tabu ist auch der Kopfbereich, insbesondere die Augen. Und natürlich auch die Geschlechtsteile. «Sinnvoll», sagt Rogan, «ist es sicher, wenn Sie vor dem Kauf oder vor dem Gebrauch mit einem Physiotherapeuten sprechen. Er kann Ihnen sagen, wo Sie die Massagepistole anwenden können und wo nicht.»

Und wie lange sollte man mit einer Pistole massieren? «Im Idealfall», erklärt Rogan, «merken Sie, dass sich die Spannung löst. Dann können Sie noch ein paar Sekunden weiterfahren. Falls der Schmerz aber immer stärker wird, sollten sie sofort aufhören.»

Unnütze Bedienungsanleitungen

Das sind eigentlich Informationen, welche die Hersteller liefern müssten. Doch die meisten Bedienungsanleitungen sind wenig hilfreich. In vielen stehen nur Selbstverständlichkeiten: Beispielsweise, dass die Massagepistolen nicht in der Badewanne verwendet werden sollten, dass sie kein Spielzeug seien und dergleichen. Die nützlichen Informationen erschöpfen sich darin, wie das Gerät aufgeladen und eingeschaltet werden soll, wie die Schlagzahl eingestellt werden kann, was die Kontrollleuchten bedeuten, wie die Pistole zu reinigen, zu pflegen und zu entsorgen ist. Wie sie jedoch anzuwenden ist – wo, mit welcher Schlagzahl und wie lange – das steht meist nirgends. Und wenn in den Bedienungsanleitungen doch von der Anwendung die Rede ist, dann warnen die Hersteller davor, die Massagepistolen im Schlaf oder in offenen Wunden zu verwenden. Als ob jemand überhaupt auf diese Ideen käme.

Nicht verständlich

Manche Bedienungsanleitungen sind beim besten Willen nicht verständlich. Der Hersteller Tunturi schreibt: «Das runde kugelförmige Design sorgt für ein rotierendes und schiebendes Erleben zwischen Aufnehmen und Drücken.» Zudem sind die Bedienungsanleitungen widersprüchlich. Laut Tunturi sind Massagepistolen «geeignet für die Halswirbelsäule». Ein anderer Hersteller, Beurer, hingegen warnt ausdrücklich vor der Anwendung «auf der Wirbelsäule».

Deshalb hier noch die wichtigsten Tipps:

  • Wählen Sie beim ersten Mal eine niedrige Geschwindigkeitsstufe.
  • Versuchen Sie es zuerst mit grossen Muskeln. Zum Beispiel am Oberschenkel oder an der Wade.
  • Achten Sie darauf, dass Sie keine Knochen treffen.
  • Verwenden sie den richtigen Aufsatz. Mit spitzen Aufsätzen können Sie sehr gezielt massieren, mit rundlichen eher sanft und grossflächig.
  • Seien Sie vorsichtig, wenn Sie mit der Massagepistole jemand anderen massieren. Denn wenn Sie jemanden mit blossen Händen massieren, spüren Sie die Muskeln sehr gut. Wenn Sie jemanden mit der Pistole massieren, dann ist das nicht der Fall. Fehler passieren dadurch viel eher.

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

Eine Meinung zu

  • am 30.11.2022 um 09:59 Uhr
    Permalink

    Bei Muskelkater sollte überhaupt nicht massiert werden. Es empfiehlt sich gründliche Erwärmung und anschließend ein normales Training ohne zu übertreiben. Dadurch werden die Muskeln wieder warm, besser durchblutet und geschmeidig. Der Schmerz verschwindet dann schnell. Ohnehin wird durch regelmäßiges Training der Muskelkater immer weniger.

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...