Schwangere mit Ultraschallbild

Für die Fotos und Videos bezahlen die Frauen umgerechnet oft über 100 Franken. © Phil_Jones / Depositphotos

Baby-Ultraschall als Marktlücke entdeckt

Martina Frei /  In Grossbritannien bieten kommerzielle Anbieter schwangeren Frauen die Untersuchung an – und stellen teils groteske Fehldiagnosen.

Der neueste Renner in britischen Einkaufsstrassen sind «Baby-Scan-Kliniken». Schwangere können dort auf eigene Kosten Ultraschallbilder und -videoclips von ihrem ungeborenen Kind machen lassen. Seit einigen Jahren buhlen diverse Anbieter um die Kundinnen. Mehrfarbige Fotos, ein USB-Stick mit allen Videoclips vom Baby und – je nach Budget – ein 15- bis 45-minütiger «Bonding scan» für die Bindung zum Baby – damit wirbt zum Beispiel die «Baby Ultrasound Clinic».

«Window to the womb» (auf Deutsch: Fenster zur Gebärmutter) offeriert unter anderem ein «Geschlechtsenthüllungspaket». Eine Kundin beschreibt das Erlebnis auf der Webseite: «Sie hatten auch viele Produkte, die man kaufen kann, darunter ein wunderschönes Spielzeug, in das man eine Aufnahme des Herzschlags seines Babys einfügen kann – etwas ganz Besonderes.»

Auf den als «4D-Bindungs-Scans» angebotenen Videos ist dreidimensional zu sehen, wie sich das Baby bewegt – oder nicht. Denn die Qualität dieser Untersuchungen lässt teilweise stark zu wünschen übrig. 

Einer Frau in der Frühschwangerschaft teilte der Untersucher in einer Baby-Scan-Klinik mit, dass das Herz ihres Babys nicht schlage und der Fötus starke Missbildungen habe. Er schickte die Schwangere für eine Abtreibung und Ausschabung in ein öffentliches Spital. Doch dort stellten die Fachleute fest, dass das Baby im Bauch purlimunter war. Bei den angeblichen Missbildungen ohne Herzschlag handelte es sich um ein Blutgerinnsel neben dem Fötus.

Bei einer anderen Schwangeren glaubte eine «Baby Scan Klinik» erkannt zu haben, dass sich der Gebärmuttermund geöffnet habe. Um einer drohenden Frühgeburt vorzubeugen, solle die Frau heimgehen und sich 14 Tage ins Bett legen, lautete der – falsche – Ratschlag. Eine solche Empfehlung ende «mit einer Thrombose im Bein, wenn nicht in der Lunge», warnt eine Fachärztin im «British Medical Journal» (BMJ) vor dem Risiko, das damit einhergehe. Der Zeitschrift zufolge sind die Baby-Scan-Kliniken in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen.

Schwere Fehlbildungen übersehen

Bei Frauen mit unkomplizierter Schwangerschaft wird ärztlicherseits in Grossbritannien (wie auch in der Schweiz) zweimal eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt, etwa in der 12. und in der 20. Schwangerschaftswoche. Insbesondere verunsicherte Schwangere könnten versucht sein, sich mit solchen Baby-Scans rückzuversichern, dass alles in Ordnung ist.

Doch das kann gehörig daneben gehen, wie das «BMJ» berichtet: Offensichtliche Anomalien wie offener Rücken oder Zystennieren beim Fötus seien in Baby-Scan-Kliniken schon übersehen und Eileiterschwangerschaften entweder verpasst oder angedichtet worden. An einer solchen «Klinik» arbeitete ein Radiologe, der wegen sexueller Belästigung ein zehnjähriges Berufsverbot auferlegt bekommen hatte.

Britische Fachorganisationen fordern nun eine Gesetzesänderung, so dass nur wirklich qualifizierte Personen Baby-Scans in britischen Einkaufsstrassen durchführen dürfen.


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