Menschengruppe mit Senior

Das Ausland dient der Schweiz sozusagen als «Arbeitskräftereservoir». So kompensiert die Zuwanderung junger Menschen den Anteil an Schweizerinnen und Schweizern, die in Rente gehen. © SimpleFoto / Depositphotos

Zuwanderer sorgen für ausgeglichenere Altersstruktur (1)

Josef Hunkeler /  Die zahlenmässig stärksten Altersgruppen gehen auf die Rente zu. Dank der Zuwanderung wird die Schweiz «verjüngt».

Red. – Josef Hunkeler, der Autor dieses Beitrags, arbeitete bis zu seiner Pensionierung jahrelang für den Eidgenössischen Preisüberwacher. Für Infosperber hat er die «Bilanz der ständigen Wohnbevölkerung nach Kanton, Provisorische Jahresergebnisse 2022» des Bundesamts für Statistik ausgewertet.

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Die Altersstruktur der «ständigen Bevölkerung» in der Schweiz

In den letzten zehn Jahren hat sich die Altersstruktur aller in der Schweiz lebenden Menschen nach rechts – in Richtung Überalterung – verschoben. Diese Kurve rückt jedes Jahr eine Position nach rechts, wird aber durch die internationale Migration und Änderungen bei der Sterblichkeit beeinflusst.

Entwicklung der Altersstruktur 2012 bis 2022 gesamt
Die Gesamtkurve hat sich in den letzten zehn Jahren stark nach rechts – in Richtung Überalterung – verschoben. Die gestrichelte Linie zeigt das Jahr 2012, die durchgezogene Linie das Jahr 2022. Auf der x-Achse ist das Alter aufgetragen (EoP = Wohnbevölkerung am Jahresende; TF = Todesfälle).

Vergleicht man die Altersstruktur der Schweizer mit jener der ausländischen Bevölkerung in der Schweiz, zeigt sich das Bild einer «zweigeteilten» Gesellschaft:

Altersstruktur der «ständigen Wohnbevölkerung» 2022
Linke Grafik: Altersstruktur (blaue Linie/Skala links)) der Schweizer Bevölkerung sowie Todesfälle (rote Linie/Skala rechts). Rechte Grafik: Altersstruktur des ausländischen Bevölkerungsanteils in der Schweiz. Die x-Achse zeigt jeweils das Alter und das entsprechende Geburtsjahr. Die Werte rechts der senkrechten roten Linie betreffen die Rentner und Rentnerinnen. (EoP = Wohnbevölkerung am Jahresende; TF = Todesfälle; s = Schweizerinnen und Schweizer, a = Ausländerinnen und Ausländer; t = Total)

Die zahlenstärkste Altersgruppe in der Schweizer Bevölkerung sind die gegenwärtig 58-Jährigen (Geburtsjahr 1964; 104’000 Menschen). In 15 Jahren werden die derzeit bevölkerungsreichsten Jahrgänge alle das Pensionsalter erreicht haben. Der Grossteil der Nachkriegs-«Baby-Boomer» wird sogar in den nächsten zehn Jahren pensioniert. Die Jahrgänge 1970 bis 1990 liegen zahlenmässig 20 Prozent tiefer. 

Der entsprechende Ausfall der «aktiven» Schweizer Bevölkerung wird durch die wesentlich «günstigere» Altersstruktur der ausländischen Bevölkerung in der Schweiz kompensiert. Das Ausland dient der Schweiz sozusagen als «Arbeitskräftereservoir», das ständig erneuert wird und etwas zugenommen hat. Demzufolge zeigt die Altersstruktur der ausländischen Bevölkerung keine «alternde», sondern eine «sich ständig erneuernde» Population. Die zahlenstärkste Altersgruppe in der ausländischen Bevölkerung, die aktuell in der Schweiz lebt, sind die 37-Jährigen (51’000).

Dies zeigt den relativ «temporären» Charakter der Migration, der sich auch im Altersquotienten niederschlägt. Darunter versteht man den Anteil der Personen im Rentenalter im Verhältnis zu denen im Erwerbsalter. Dieser Altersquotient deutet bei der Schweizer Bevölkerung mit einem Wert über 40 Prozent auf einen sehr viel höheren Anteil an Rentnerinnen und Rentnern unter der «ständigen» Schweizer Bevölkerung hin. Auf eine Rentnerin oder einen Rentner kommen bei den Einheimischen etwa 2,5 Personen im erwerbsfähigen Alter. Bei den «Gastarbeitern» beträgt der gemessene Altersquotient hingegen nur rund 11 Prozent, dort kommen auf eine Person im Rentenalter folglich etwa neun Personen im Erwerbsalter. (Diese Statistik ignoriert jedoch die ausgereisten Rentner und verfälscht dadurch den Wert dieses «Altersquotienten».)

Der Ausländeranteil lag 2022 bei 26 Prozent der Gesamtbevölkerung, bei den Todesfällen entfielen indes nur elf Prozent auf ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger. 

Entwicklung der Altersstruktur 2012 versus 2022
Vergleich der Altersstruktur von 2012 (gestrichelte Linien) mit 2022 (durchgezogene Linien). Die linke Grafik zeigt die Schweizer Bevölkerung, die rechte Grafik die ausländische Bevölkerung (EoP= Wohnbevölkerung am Jahresende/Skala dazu links; TF = Todesfälle/Skala dazu rechts).

Die Zuwanderung hat das Gesamtbild folglich «geglättet» – «erkauft» wird dies mit einer starken Erhöhung der Einwohnerzahl.

Bevölkerung der Schweiz nach Ursprungsland und Geschlecht
Die Grafik links zeigt die gesamte Altersstruktur als Summe der schweizerischen (blau) und der ausländischen (grün) Bevölkerung. Der relativ grosse Anteil der ausländischen Bevölkerung im mittleren Alter ersetzt die ab Geburtsjahr 1972 fehlenden Schweizer Arbeitskräfte. Die Grafik rechts schlüsselt die Zahlen nicht nach dem Ursprungsland, sondern nach dem Geschlecht auf (f=Frauen, m=Männer).

Die roten Linien zeigen, dass auch bei der ausländischen Bevölkerung vor allem Menschen im Rentenalter sterben. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung ist aber wesentlich tiefer. Denn die meisten dieser ausländischen Rentnerinnen und Rentner werden in dieser Statistik gar nicht mehr erfasst, weil sie nach Erreichen des Rentenalters ganz überwiegend nicht in der Schweiz bleiben. Das starke Wachstum der Todesfallzahlen der ausländischen Bevölkerung kann vermutlich auf eine gelockerte Familienzusammenführungspolitik zurückgeführt werden. Die absoluten Werte bleiben aber relativ klein. Der erleichterte Familiennachzug hat also nur wenig daran geändert, dass ausländische Arbeitnehmer die Schweiz nach ihrer Pensionierung meist wieder verlassen (Infosperber berichtete).

Anzahl der Geburten und der Einbürgerungen

Die Geburtenzahlen sanken von 1991 bis 2003, jene der Einbürgerungen nahmen zu.

Lebendgeburten, Einbürgerungen Schweiz
Links: Anteil der jährlichen Geburten in der Schweiz an der gesamten Bevölkerung von 1981 bis 2022. Rechts: Anteil der Einbürgerungen im gleichen Zeitraum. sm = Männer, sf = Frauen

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➞ Lesen Sie hier Teil 2: Wo in der Schweiz am meisten Ausländerinnen und Ausländer leben. Und welche Kantone am seltensten Personen einbürgern.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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4 Meinungen

  • am 23.06.2023 um 11:35 Uhr
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    Sie sagen es richtig, diese «Glättung» können wir uns nur mit einer starken Zunahme der Bevölkerungszahl erkaufen. Deshalb ist dieser Lösungsansatz nicht nachhaltig, sondern nur eine kurzfristige Symptombekämpfung.

    • Portrait_Josef_Hunkeler
      am 24.06.2023 um 11:23 Uhr
      Permalink

      Die Graphik zum Gesamtbild zeigt klar, dass die historische Zuwanderung nicht nur den fehlenden lokalen Nachwuchs ersetzt hat, sondern diese Lücke massiv überkompensiert hat.

      Mein Ziel mit dieser Untersuchung war in erster Linie eine Bestandesaufnahme der aktuellen Realitäten in der Schweiz. Die Implikation dieser Entwicklung auf die Finanzierung der AHV ist dabei so etwas wie ein Kollateralschaden, ist aber die Konsequenz einer realen Entwicklung.

      Diese Bestandesaufnahme ist kein «Lösungsansatz» der mehr oder weniger nachhaltig sein kann, sondern erst einmal eine Beschreibung der aktuellen Entwicklung, wie sie aus den üblicherweise verwendeten Statistiken nicht immer leicht zu eruieren ist.

      Diese Beschreibung soll aber mithelfen, entsprechende Zielgrössen zu definieren und nachhaltige Lösungsansätze zu formulieren. Der zweite Teil dieses Papieres dürfte in dieser Hinsicht noch etwas konkreter sein.

  • am 24.06.2023 um 09:45 Uhr
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    Zuwanderung ist keine Lösung, sondern kurzfristige Kosmetik. Das Grundproblem ist der Glaube an Wachstum und nochmals Wachstum. Je besser eine Gesellschaft lebt dank Wachstum, desto weniger Kinder kommen zur Welt. Also bremst sich die Gesellschaft selber aus und Pensionslösungen, die auf Abgaben der Menge der Werktätigen basieren, gehören zum «Alteisen».
    Wir brauchen ganz neue Finanzierungsmodelle, die unabhängig von der Zahl der Werktätigen sind; vor allem für die AHV.

  • am 24.06.2023 um 16:58 Uhr
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    Fast alle finden es gut, dass sie nicht so jung sterben, wie das vor hundert Jahren noch üblich war. Dann sollten sie sich nicht darüber beklagen, dass rundum die anderen eben auch älter werden.

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