Kommentar

Der Spieler: Gesucht das Spiel zum Luther-Jubiläum

Synes Ernst ©

Synes Ernst. Der Spieler /  Die Reformation feiert den 500. Geburtstag. Viele bereiten sich auf das Grossereignis vor. Hier einige Ideen für die Spielbranche.

Grosse Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. 2017 sind es genau 500 Jahre her, seit Martin Luther am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen an die Türe der Schlosskirche Wittenberg schlug. Darin forderte er zur Disputation über den damals grassierenden Ablasshandel auf. Überall rüstet man sich nun, diese Geburtsstunde der Reformation gebührend zu feiern, unter anderem mit Kirchentagen, Ausstellungen, Luther-Feiern und -Festspielen. Die Vorbereitungen laufen auf vollen Touren, nicht nur bei den Kirchen.

Denn das Super-Jubiläum wird, wie immer in solchen Fällen, auch von Kreisen genutzt, die sonst mit Religion, Kirche und Reformation nicht viel am Hut haben. Die Tourismusbranche will möglichst viele Leute überall hin locken, wo Luther einmal seinen Fuss hingesetzt hat. Und damit die Gäste ihre Erinnerungen auch physisch nach Hause tragen können, dafür wird die Souvenirbranche zweifellos sorgen, mit Luther-Shirts oder gar Luther-Hämmern. Sicher werden wir auch noch eingedeckt werden mit Büchern und Schriften zum Thema, da sich die Verlage ebenfalls ein Stück vom Luther-Kuchen abschneiden wollen.

Ein Spiel ist bereits angekündigt

Da Spielzeug und Spiele mit religiösen Themen eher Nischenprodukte sind – ja keine Fettnäpfchen, in die man treten könnte! – werden die entsprechenden Verlage beim Luther-Rummel tendenziell eher abseits stehen. Es würde mich jedenfalls überraschen, wenn ich übernächste Woche in Nürnberg an der Spielwarenmesse Produkte zum Reformationsjubiläum entdeckte. Eine Ausnahme gibt es allerdings schon: Uli Blennemann hat dieser Tage über Twitter angekündigt, dass sein Verlag Spielworxx im Herbst ein Spiel zu Luther und Reformation veröffentlichen werde.

Bis wir dieses Spiel ausprobieren können, bleibt also eine längere Wartezeit. Ich schlage vor, diese mit einer kleinen Spielerei zu überbrücken. Einverstanden? Stellen wir uns doch ganz einfach vor, was das für ein Spiel sein könnte. Ein Gedanke, sehr naheliegend, zielt in Richtung Luther-Quartett. Ein aktuelles Thema in Verbindung mit einem populären und beliebten Spielprinzip, und schon ist die Sache fertig. Wenn die Qualität einigermassen stimmt, hat man einen Bestseller auf sicher. Ebenfalls nicht fehlgehen würde man mit einem Luther-Puzzle. Je nach Zielpublikum müsste man die Puzzles in verschiedenen Schwierigkeitsgraden anbieten. Wäre ich Puzzle-Produzent, nähme ich für die schwierigste Aufgabe – ein 1500er Puzzle – eine Nahaufnahme der bekannten Wittenberger Luther-Statue als Vorlage. Das wäre ein Ding für Meister-Puzzler!

Ereignisse rund um Luther auf der Zeitachse

Besonders phantasievoll sind die Ideen für ein Luther- Quartett oder -Puzzle allerdings nicht. Um Massenprodukte dieser Art mache ich grundsätzlich einen weiten Bogen. Ich würde auch kein auf Reformation gemachtes »Mensch, ärgere Dich nicht!« kaufen. Luther hat mit seinen Thesen die Kirchenoberen zwar massiv geärgert, aber ich fände ein solches Spiel doch eher abgeschmackt. In der Schweiz würde das Spiel eh »Eile mit Weile« heissen, was ja noch ginge, da es vom Anschlagen der Thesen bis zum Durchbruch der Reformation doch eine Weile dauerte. Aber trotzdem, eine unmögliche Idee, die wir am besten gleich verwerfen.

Besser gefiele mir schon ein Quizspiel zum Thema. Allerdings keine banale Abfragerei, die überhaupt keinen Spass bereitet, sondern ein Spiel in der Art von »Anno Domini«. Das tolle Spielprinzip, das der Berner Urs Hostettler entwickelt hat, lässt sich praktisch mit jedem erdenklichen Thema füllen. Bei einer Reformationsedition von »Anno Domini« sähen sich die Mitspielenden mit der spannenden Aufgabe konfrontiert, Ereignisse rund um Luther auf der Zeitachse so einzuordnen, dass die chronologische Reihenfolge möglichst stimmt. Der Witz des »Anno Domini«-Prinzips besteht darin, dass es nicht darauf ankommt, die Jahrzahlen genau zu kennen, sondern das Verhalten der Mitspielenden richtig einzuschätzen. Bluffen ist dabei erlaubt. So kann man sogar mit Nullwissen zum Sieg kommen.

Oh Schreck, die Reformation!

Hohe Schule wäre auch ein kooperatives Spiel nach dem Vorbild von »Pandemie«. Es würde den Titel »Oh Schreck, die Reformation!« tragen. Gemeinsam müssten die Mitspielenden, die klar im Auftrag der führenden Kräfte der Gegenreformation handeln würden, verhindern, dass sich die Reformation über ganz Europa ausbreiten würde. Jeder hätte eine ganz bestimmte Rolle zu übernehmen. Auf welche ich Lust hätte? Ich könnte mir jene des Rosenkranzbeters sehr gut vorstellen oder jene des Religionslehrers, der mit allen spielerischen Mitteln versucht, die reformatorisch infizierten Gläubigen von der Konversion abzuhalten. Ob es etwas nützen würde?

Reizvoll wäre es auch, jene Szenen spielerisch umzusetzen, die sich in einer deutschen Stadt um 1518 abgespielt haben könnten, nachdem sich dort das Gerücht verbreitet hatte, der streitbare Augustinermönch aus Wittenberg sei inkognito hier angekommen. Die Mitspielenden, alles Bürgerinnen und Bürger der Stadt, müssten nun herausfinden, wer in ihrer Runde verdeckt die Rolle Luthers zugewiesen bekommen hat. Dazu stellen sie einander geschickte Fragen, geben kluge Antworten, wobei sie unter allen Umständen darauf achten, ihre wahre Identität nicht zu verraten. Diese Spielegattung erfreut sich derzeit grosser Beliebtheit, und wer »Werwölfe« oder »Agent Undercover« kennt, kann sich gut vorstellen, dass eine solche Annäherung an die Reformation und Luther durchaus machbar wäre und erst noch gute Unterhaltung bieten würde.

Ein klassisches Spiel um Macht und Einfluss

Zeitlich liesse sich schliesslich auch ein Aufbau- oder so genanntes Workerplacement-Spiel hervorragend in der Zeit der Reformation ansiedeln. Dabei ginge es darum, möglichst viele Gebiete und Städte für den neuen Glauben zu gewinnen, also nichts anderes als ein klassisches Spiel um Macht und Einfluss, um nicht zu sagen, Eroberungsspiel. Mit seinen Figuren würde man immer mehr Gebiete besetzen und sie dort über die Vorzüge der Reformation predigen lassen. Konfliktfrei würde sich das Ganze jedoch nicht abspielen, da die Verfechter des alten Glaubens ihr Terrain nicht widerstandslos preisgäben. Das Engagement würde sich aber lohnen: Je grösser die »bekehrten« Gebiete, desto mehr Siegpunkte, in diesem Falle themengerecht desto höher der Gotteslohn.

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass das Spielworxx-Reformationsspiel in dieser Richtung gehen könnte. Denn der Verlag ist bekannt für seine hochstehenden historischen Spiele. Ob der Gotteslohn in der Schlusswertung eine Rolle spielen wird, wage ich jedoch zu bezweifeln. Im Herbst werden wir es wissen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Spielekritiker für das Ausgehmagazin «Apéro» der «Neuen Luzerner Zeitung». War lange Zeit in der Jury «Spiel des Jahres», heute noch beratendes Mitglied. Als solches nicht an der aktuellen Wahl beteiligt. Befasst sich mit dem Thema «Spielen – mehr als nur Unterhaltung».

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