global_all_gfs_b

Am intensivsten wird im nordöstlichen Atlantik und nordwestlichen Pazifik gefischt. © Global Fishing Watch

Mit Algorithmen gegen Überfischung

Daniela Gschweng /  Durch Big-Data-Analysen lässt sich die globale Fischerei detailliert analysieren und in Zukunft auch beeinflussen.

Ein Forscherteam aus Wissenschaftlern verschiedener US-Universitäten hat mit Hilfe von Big Data Daten über Fischereischiffe auf den Ozeanen kartographiert. Die Ergebnisse sind so genau, dass sich damit sagen lässt, was welches Schiff gerade tut, wo die Fischbestände durch Fischerei bedroht sind und wie die Auswirkungen auf die Umwelt sind.

55 Prozent der Ozeane werden in industriellem Massstab ausgebeutet, auf einer Fläche viermal so gross wie alle Landwirtschaftsflächen der Erde zusammengenommen, fanden die Forscher heraus. Dabei dominieren nur fünf Nationen, die zusammen 85 Prozent der Hochseefischerei abdecken.

Politik und Kultur haben grösseren Einfluss als Jahreszeiten

Den grössten Einfluss auf die Fischerei haben politische und kulturelle Ereignisse. «Man könnte meinen, dass die Fischerei einem natürlichen Rhythmus folgt, wie dem Wechsel der Jahreszeiten», sagt der Datenanalyst David Kroodsma von «Global Fishing Watch», der die Studie geleitet hat. «Das ist sekundär. Tatsächlich hat es grössere Auswirkungen, ob gerade Wochenende ist, ob es ein Moratorium gibt oder einen Feiertag».


Die industrielle Fischerei nach Zeit und Breitengrad. Gut zu erkennen sind jeweils die Weihnachtsfeiertage. Grössere Auflösung (Global Fishing Watch)

Kroodsma hält das für eine positive Nachricht. Wenn die globale Fischerei auf politische Signale reagiere, könne sie auch auf diesem Wege beeinflusst werden, sagte er der BBC.

Die Ergebnisse der Studie könnten in Zukunft helfen, Überfischung zu vermeiden, Umweltverschmutzung zu reduzieren und die Auswirkungen von politischen Massnahmen auf die Fischerei nachzuvollziehen. Zu ändern gäbe es einiges. Gefischt wird zu viel und zu intensiv. Auch um die Umweltfreundlichkeit von Hochseeschiffen ist es nicht gut bestellt. Sie verursachen nach wie vor grosse Mengen an Klimagasen und Feinstaub. Die grüne Schifffahrt steht noch am Anfang.

Ein Unfallvermeidungssystem wird zur Datenfundgrube

Für ihre Berechnungen nutzten die Forscher ein System, das ursprünglich zur Vermeidung von Kollisionen auf hoher See gedacht war: Das Tracking-System AIS (Automatic Identification System) sendet über UKW alle paar Sekunden Daten über Schiffstyp, Grösse, Position, Geschwindigkeit und Kurs. Das AIS-Signal kann von Satelliten aufgefangen, die Daten gespeichert und ausgewertet werden.

Seit spätestens 2008 sind alle grossen Schiffe verpflichtet, AIS zu verwenden. Immer mehr Organisationen entdecken, wie sich AIS-Daten nutzen lassen. Für jeden sichtbar sind zum Beispiel interaktive Karten.


Ähnlich wie bei «Flight Radar» können Nutzer auf der Website «Marinetraffic» in Echtzeit sehen, wo Schiffe sich gerade befinden. (Screenshot)

Neben Reedereien, Häfen und Transportunternehmen ist auch Google auf AIS aufmerksam geworden. Denn Echtzeitkarten sind nur ein Teil der Möglichkeiten, die in den Daten stecken. Auf der Website «Global Fishing Watch», die 2016 von Google, der Non-Profit-Organisation «Oceana» und dem Geodaten-Unternehmen «SkyTruth» ins Leben gerufen wurde, werden AIS-Datenanalysen vorgestellt.

Das Team um Kroodsma wertete 22 Milliarden AIS-Meldungen aus den Jahren 2012 bis 2016 aus und trainierte künstliche Intelligenz darin, Analysen zu machen. Die Algorithmen verfolgten 37 Millionen Stunden Fischerei, in denen die 70’000 beobachteten Schiffe 460 Millionen Kilometer zurücklegten und dabei 20 Milliarden Kilowattstunden Energie verbrauchten.

Datenanalyse: Wo wurde 2016 mit Langleinen gefischt? (Global Fishing Watch)

Mit den Ergebnissen ist es nicht nur möglich, darzustellen, wo am intensivsten gefischt wird. Durch Mustererkennung oder Kombination mit anderen Daten erzählen die Daten noch einiges mehr. Beispielsweise, ob ein Schiff nach Thun- oder Segelfischen jagt, ob es Langleinen oder Schleppnetze verwendet und ob es aktuell überhaupt Fanggerät im Wasser hat. Durch Kombination von Daten wie der Dichte von Fischbeständen kann man sehen, wie sich Fischerei auf den lokalen Fischbestand auswirkt oder welchen Einfluss der Kraftstoffpreis hat.

Die Abdeckung sei nicht lückenlos, das räumen die Autoren der in der Zeitschrift «Science» erschienenen Studie ein. Kleinere Schiffe sind nicht verpflichtet, ein AIS-Gerät mitzuführen. Zudem können die Kapitäne das System abschalten – womöglich, um illegale Aktivitäten zu verbergen.

_
Diesen Beitrag hat Daniela Gschweng aufgrund eines Berichts der «BBC» und anderer Quellen erstellt. Grosse Medien in der Schweiz haben bisher nicht darüber berichtet.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

Plünderung Weltmeere

Die Plünderung der Weltmeere

Das reichhaltige und wundervolle Leben im Meer wird dezimiert. Industriell und rücksichtslos bis zum Ende.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

2 Meinungen

  • am 9.03.2018 um 13:41 Uhr
    Permalink

    Alles ‹Schoen und Gut›, ABER: Die Regelungen gelten innerhalb der EU.
    Die Regelungen sind nicht durchsetzbar.
    Die Regelungen sind eine Alibiuebung der Politiker, die offenbar KEINE Ahnung vom vom Leben und Sterben auf See haben und die Raub-Piratenfischerei mit ihren Auswirkungen vollkommen unterschaetzen.
    – Alle Piraten- und Raubfischer haben kein AIS oder es ist abgeschaltet.
    – Die Piraten- und Raubfischer kommen aus aller Herren Laender und ‹fischen› in allen Meeren, inklusive Antarktis in den ‹Schutzgebieten› mit Methoden, die alle verboten sind.
    — und natuerlich gibt es KEINE Ueberwachungsmoeglichkeit dieser Raub- und Piratenfischer. Indonesien ist jetzt dazu uebergegangen die illegalen, meist Chinesischen Fischerboote die innnerhalb ihrer Hoheitsgewaesser gesichtet werden, einfach versenken zu lassen durch ihre Marine … sofern sie gesichtet werden … China und andere Nationen haben nie ‹dagegen protestiert› so wie sie es sonst immer machen wenn ihnen etwas nicht passt. Das ist der sicherste Beweis dafuer dass die an Raub- und Piratenfischerei beteiligten Nationen genau wissen was sie tun = aber nicht tun duerfen …
    Mehr Info zur internationalen Raub- und Piratenfischerei und der EU Fischerei plus Regelungen und Aus-/Wirkungen hier in den links:
    https://worldoceanreview.com/wor-2/fischerei/die-illegale-fischerei/2/
    https://de.wikipedia.org/wiki/Illegale_Fischerei
    https://www.greenpeace.de/themen/meere/fischerei

  • am 9.03.2018 um 14:18 Uhr
    Permalink

    Dieser Artikel wird vielen Lesern wohl zum allererstenmal die Infos bekanntgeben, daß es sowas wie «AIS» gibt und man damit den weltweiten Schiffsverkehr sozusagen in Echtzeit überwachen könne. Dazu auch noch die weltweite Fischerei?

    Doch VORSICHT! Nicht zuviel erwarten. Kriegsschiffe und Schiffe etwa mit militärischer Fracht, sind schonmal gar nicht in den Daten enthalten. Ob etwa jedes rostige chinesische Schiff im Beringmeer, vorrangig nur Fische fängt oder sich vorrangig als «auf einer militärischen Mission» unterwegs sein betrachtet (also mit abgeschaltetem AIS), ist faktisch die Freiheit von jedem einzelnen Kapitän.

    Die grosse Gläubigkeit der Bevölkerung zu Datenerhebungen und besonders mit den Stichworten «Satelliten» ist weltfremd. Das im Artikel beschriebene System, kann lediglich als eine Art Parameter-Erweiterung zu anderen unverzichtbaren Daten (Fischmengen usw.) ausmachen. Es bleiben genug unkontrollierbare Teile übrig und genug Interpretationsspielraum. Jedoch keine belastbaren Fakten.

    Analog darf man ja auch woanders über «Satellitenmessungen» lesen, die angeblich im Millimeterbereich, aktuelle Entwicklungen beim «Meeresspiegelanstieg» gemessen und erkannt hätten. Doch ist dies alles nur «geglättetes Zahlenmaterial» nach Vorgaben der Bearbeiter in den Parametern. Rein meßtechnisch sind solche (nichtmilitärische) Satellitendaten ohne exakte naheliegende Referenzpunkte, bei Höhenangaben, durchaus mit Ungenauigkeiten von +- 3m (DREI METERN!) annehmbar.

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...