Herzschrittmacher xx

Prämienzahlende in der Schweiz werden abgezockt. Welche Partei zieht die Hände aus den Hosentaschen? © is/schultruckli

Abzocke der Prämienzahlenden: So haben die Parteien reagiert

Urs P. Gasche /  Für Schrittmacher zahlen Schweizer Spitäler bis zu fünfmal mehr als deutsche. Das ist rechtswidrig und nur ein Beispiel von vielen.

Das Fünffache für den genau gleichen Herzschrittmacher des US-Herstellers Abbott zahlten mittelgrosse Spitäler in der Schweiz. Bei anderen Modellen stellte die «NZZ» unerklärliche Unterschiede zwischen 50 und 100 Prozent fest. (Siehe Infosperber vom 30. September: «Abzockerei im Gesundheitswesen und alle schauen zu»)

Seit vielen Jahren sind überrissene Preise auch für Knie- und Hüftprothesen, Stents und andere Medizinprodukte bekannt. Überrissene Preise sind gesetzwidrig, weil das Gesetz vorschreibt, dass die Grundversicherung nur «wirtschaftliche» Preise zahlen darf. Doch bis heute haben weder das Bundesamt für Gesundheit (BAG), der Spitalverband H+ noch das Parlament für eine gründliche Remedur gesorgt. 

Nach dem neusten Preisskandal mit den Herzschrittmachern erkundigte sich der «Beobachter», was die Parteien seither unternommen haben oder zu tun gedenken:


Die SP wird vom Bundesrat einen Bericht über Preisbildung, Lieferketten und Produktionskosten verlangen. Die Partei will auch wissen, welche Rabatte Leistungserbringer und Versicherer in den letzten zehn Jahren ausgehandelt haben – und warum diese nicht vollständig an die Patienten weitergegeben wurden.  
Es ist zu erwarten, dass der Bundesrat diese Informationen nicht liefern wird, weil er nach heutiger Gesetzeslage keinen Zugang zu ihnen hat.

Die SVP wiederholt ihre alte Forderung, den Kassen eine Vertragsfreiheit zu gewähren. Heute müssen die Krankenkassen jedes Spital und jeden Arzt unter Vertrag nehmen, wenn diese die gesetzlichen Anforderungen erfüllen. 

Die FDP verlangt, dass Spitäler ihre Medizinprodukte auch ohne Hürden direkt im Ausland beziehen können. Für Produkte, die in der EU oder in den USA zugelassen sind, soll die Schweizer Zulassungsbehörde Swissmedic bestehende technische Hürden abbauen.

Die Grünen machten gegenüber dem «Beobachter» keine Vorschläge gegen die Abzockerei mit Medizinprodukten.

Die Mitte wollte keine Stellung nehmen.


BAG: «Austausch» mit den Krankenkassen…

«Beobachter»-Redaktor Gian Signorell zieht aus der Umfrage den Schluss: «Die Prämienzahlenden werden auf absehbare Zeit weiterhin überhöhte Implantatepreise finanzieren müssen.»

Von SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider und ihrem Bundesamt für Gesundheit ist bisher nicht bekannt, dass sie Massnahmen vorgeschlagen hätten. In einem Bericht ans Parlament kam das BAG im Januar 2024 zum Schluss: 

«Das BAG erachtet die gesetzlichen Grundlagen zur Verbesserung der Transparenz der Preise und der Wirtschaftlichkeit der Medizinprodukte als ausreichend. Die Umsetzung der Prüfung der Wirtschaftlichkeit von Medizinprodukten sollte aber verbessert werden. Das BAG steht zu diesem Thema bereits im Austausch mit den Krankenversicherern.»


Überrissene Preise seit vielen Jahren bekannt

Gesetzwidrig unwirtschaftliche, überrissene Preise für Medizinprodukte sind seit Jahren bekannt. 

  • Bereits im Jahr 2006 gab es Preisvergleiche der Helsana. Ein Inhalationsgerät kostete hierzulande 50 Prozent mehr als in Deutschland. 
  • 2008 veröffentlichte der Preisüberwacher Preisvergleiche von Herzschrittmachern und künstlichen Hüftgelenken. Herzschrittmacher waren in Deutschland 50 Prozent günstiger.
  • 2011 veröffentlichte Herzchirurg Thierry Carrell Preisvergleiche von Herzklappen, Herzschrittmachern und Gefässstützen. Herzklappen kosteten in der Schweiz bis zu sechsmal mehr als in Deutschland. Gefässstützen viermal mehr.
  • Santésuisse sah im Jahr 2017 allein bei Blutzuckermessgeräten, Beatmungsgeräten und Inkontinenzprodukten ein Sparpotenzial von 34 Millionen Franken. 
  • Im Jahr 2021 stellte die Eidgenössische Finanzkontrolle fest, dass der Grundversicherung das gleiche Stent-Modell einmal zum Preis von 1200 und ein anderes Mal von 3500 Franken verrechnet wurde. Die EFK schätzte, dass in der Schweiz jährlich rund 40’000 Stents für rund 50 Millionen Franken eingesetzt wurden, 7500 davon ambulant. 
  • Schliesslich deckte der «Tagesanzeiger» vor zwei Jahren einmal mehr die Abzocke bei Herzschrittmachern und Stents auf. Für einen identischen Herzschrittmacher zahlte die Tessiner kantonale Spitalgruppe EOC in den Jahren 2018 bis 2020 ahnungslos bis zu 12’900 Franken. Einzelne Spitäler in den Kantonen Solothurn und Luzern kauften die gleichen Schrittmacher für zuweilen nur 2200 Franken.

Jedes Mal sprach die Medizinaltechnik-Branche von «Einzelfällen» und wehrte sich dagegen, die ganze Branche anzuschwärzen. Für eine Transparenz der Preise sorgte die Branche allerdings nicht.

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