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Daniel Goldstein © Grietje Mesman

Sprachlupe: Freuden und Leiden des Apostrophs im Duden

Daniel Goldstein /  Wo geregelt wird, fallen Späne. Das gilt auch für den Duden, wie ein Blick in die Regeln für den Apostroph beim Genitiv zeigt.

«Der Duden ist halt auch nur ein Verlag!» Mit dieser Pointe quittierte beim «Sprachspiegel» die Redaktorin Katrin Burkhalter meine Einsendung:

Duden D 14

Der Fund stammt aus dem Regelteil des Dudens 1, Rechtschreibung (29. Auflage 2024). Dem Duden­verlag habe ich den Fehler auch gemeldet, aber keine Antwort erhalten – anders als bei früheren Gelegenheiten (vgl. Kasten unten). Man darf auf die nächste Auflage gespannt sein, zumal das störende «setzen» im Internet offenbar gar nie aufgeschaltet war (siehe Archive.org).

Kein «Deppenapostroph»: Beat’s Beizli

In meinem Leserbrief an den «Sprachspiegel» war es vor allem um eine andere Apostroph-Regel gegangen, jene beim Genitiv wie in «Beat’s Beizli». Ein anderer Leser hatte in der vorherigen Aus­gabe den «Tages-Anzeiger» angeprangert, für dessen Titel: «Der ‹Deppenapostroph› ist nun offiziell korrekt». Im TA-Artikel stand allerdings die Einschränkung, zitiert aus dem frisch geänderten amt­lichen Regelwerk: «Die Verwendung des Apostrophs zur Abgrenzung des Genitiv-s ist möglich, wenn die Gesamtkonstruktion ein Eigenname ist.» Der Leser bestritt, «dass die Duldung dieses Apostrophs 2024 eine Neuigkeit sei», denn schon sein Duden von 2006 vermerke, zur Verdeutlichung eines Personennamens werde das Zeichen «gelegentlich gebraucht». Diese Formulierung entsprach der damaligen Fassung des Regelwerks.

Zu Ehrenrettung des TA-Journalisten wies ich nun auf den Unterschied hin: Die neue Fassung gehe über die (duldende) Feststellung des «gelegentlichen Gebrauchs» hinaus, denn «ist möglich» bezeichne eine Regel. Somit kann man durchaus sagen, der fragliche Apostroph sei «neu offiziell korrekt» – aber mit der im Artikel erwähnten, ebenso neuen offiziellen Einschränkung, das gelte nur dann, «wenn die Gesamtkonstruktion ein Eigenname ist». Die Beispiele im Regelwerk unterscheiden denn auch zwischen «Eva’s Blumenladen» (auch ohne Apostroph korrekt) und «Evas Mutter» (nur ohne). Früher war die notwendige «Gesamtkonstruktion» nicht erwähnt, sie steckte bloss in den Beispielen für den «gelegentlichen Gebrauch» im Regelwerk wie im Duden.

Soll man «gedanklich ergänzen?»

Der Duden hat nun die ausdrückliche Einschränkung übernommen, nicht aber die Formulierung «ist möglich»: Er schreibt neu «steht gelegentlich», obwohl er sich sonst ans amtliche Regelwerk hält. Die Spezialistin Bernadette Rieder von der Uni Innsbruck teilt meine Auffassung nicht, der zuständige Rat für deutsche Rechtschreibung habe den Apostroph à la «Beat’s Beizli» neu als Möglichkeit in die Regeln aufgenommen, statt bloss festzustellen, er komme gelegentlich vor. Sie räumt im «Sprachspiegel» lediglich ein, die Tonalität könne diesen Eindruck erwecken: «‹Die Verwendung … ist möglich› klingt ein bisschen einladender als ‹der gelegentliche Gebrauch› [‹ist nicht falsch›, wäre gedanklich zu ergänzen].» Na ja, dann hätte man damals ebenso gut gedanklich ergänzen können: «ist aber nicht ratsam».

Gar keinen Raum für gedankliche Ergänzungen lässt eine weitere, oft missachtete amtliche Apostroph-Regel: «die Markierung des Genitiv-s bei artikellos gebrauchten Eigennamen, die mit den Buchstaben bzw. den Buchstabenfolgen s, ss, ß, x, z, ce enden». Man darf den Genitiv-Apostroph am Schluss weder bei solchen Eigennamen weglassen noch bei gewöhnlichen Wörtern einsetzen. Falsch war kürzlich in derselben Ausgabe der Tamedia-Blätter sowohl «eines Vegetationsindex’» als auch «Bezos Hochzeit» (denn es ging nicht um einen Herrn Bezo).

Die Fundsammlung wächst

Vor dem eingangs wiedergegebenen Textfehler in der Regel D 14 hatte ich folgende Irrtümer gefunden und gemeldet; zum Teil waren sie schon in jeweils früheren Auflagen enthalten. Nach der Meldung ist bisher in der nächsten Auflage immer eine Korrektur erfolgt:

  • [Verweis auf amtliche Regeln] § 75 E33 (E33 gibt es nicht; 26. Aufl. 2013, Regelteil K 116; Korrektur: E2)
  • Gottenkind: schweiz. für Kind einer Patin (26. Aufl. 2013; Korrektur: Patenkind einer Taufpatin)
  • Saubannerzug: schweiz. eine Züricher Traditionsveranstaltung; auch für Ausschreitung (27. Aufl. 2017; Korrektur: schweiz. Freischar während der Burgunderkriege)
  • Technische Softwarreentwicklerin (27. Aufl. 2017, Kästchen «technisch»; Korrektur: Software…)
  • Glace: … schweizerisches Speiseeis (29. Aufl. 2024 E-Buch, gedruckt: schweiz.; nötige Korrektur: schweiz. für bzw. schweizerisch für)
    (bis hier alle aus Duden 1 Rechtschreibung)
  • Der Bezug ist vor allem dann eindeutig, wenn der relativische Anschluss direkt auf den Nominalausdruck folgt, auf den es sich bezieht. (Duden 9 Zweifelsfälle, 9. Aufl. 2021, Eintrag Relativsatz 1; nötige Korrektur: er)

Weiterführende Informationen

  • «Sprachspiegel» 2/2025 gratis erhalten: redaktion@sprachspiegel.ch. Im Hauptteil des Hefts «Ciao, Ciao Bimbo» geht es um den Bundesgerichtsentscheid, wonach das Wort sittenwidrig sei, weil rassistisch, und somit nicht neu als Markenname geschützt werden könne.
  • Indexeintrag «Rechtschreibung» in den «Sprachlupen»-Sammlungen: tiny.cc/lupen1 bzw. /lupen2, /lupen3. In den Bänden 1 und 2 (Nationalbibliothek) funktionieren Stichwort­suche und Links nur im herun­tergeladenen PDF. Zu einzelnen Duden-Fehlern: «Sprachlupen» Nr. 104, 199, 235, 277, 380
  • Quelldatei für RSS-Gratisabo «Sprachlupe»: sprachlust.ch/rss.xml; Anleitung: sprachlust.ch/RSS.html


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Daniel Goldstein zeigt, wie Worte provozieren, irreführen, verharmlosen – oder unbedacht verwendet werden.

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