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Daniel Goldstein © Grietje Mesman

Sprachlupe: Französisch in hiesigen Gazetten – quelle horreur!

Daniel Goldstein /  Zu Ehren des französischen Präsidentenpaars soll’s in Bern ein «Galadinner» gegeben haben. Sogar da sieht man den Röstigraben.

Arme Macrons: Der französische Präsident und seine Gemahlin mussten in Bern laut einhelligen Deutschschweizer Presseberichten ein «Galadinner» über sich ergehen lassen, dabei hätte ihnen ein Galadiner gewiss besser gemundet. Gemäss Duden ist ein Dinner einfach eine abendliche «Hauptmahlzeit in England». Dagegen gilt für ein festliches Abendessen allein die französische Schreibweise mit einem einzigen n. Und genau so habe ich «Galadiner» erfreulicherweise am Radio gehört. Dafür war am nächsten Besuchstag vom «Ssörn» in Genf die Rede, der Forschungsanlage, die gemäss ihrer französischen (!) Abkürzung Cern genannt wird.

Die Medienmitteilung des Bundesrats vor dem Staatsbesuch hatte sich über die Verköstigung wohlweislich ausgeschwiegen. Umso üppiger wurde diese in manchen Vorschauen garniert. Die amtliche Lokalität neben dem Bundeshaus gab Anlass zur Bemerkung «im Bernerhof. So weit, so nüchtern. Die Franzosen sind mehr Glamour gewohnt.» Ausgerechnet «Glamour», was nichts mit amour zu tun hat. Freilich ist sich auch Macron selber nicht zu schade, ab und zu ein bisschen franglais in seine Reden einzustreuen. Die erste Stichprobe förderte gleich den Stolz auf «nos designers» zutage. Die sind gewiss auf hohem Niveau, aber in Deutschschweizer Gazetten – pardon, äh sorry, Printprodukten – würde man das heutzutage meist in «übersetzter» Form sagen, also: auf hohem Level.

Je ferner, desto falscher

Ist dann doch einmal ein französisches Wort unvermeidlich, so kann man schon fast darauf zählen, dass sich ein Fehler einschleicht. So war neulich, und das in einem Kulturteil, von Art Basels «neuer Pariser Depandance» zu lesen. An die Stelle des ersten a gehört ein e, und auf dem ersten e sieht der Duden «schweizerisch meist» einen Accent aigu: Dépendance. Damit nicht genug, hiess der Ort der Kunstmesse in der Bildlegende «Grand Palais Éphémères», obwohl auf der Foto das letzte Wort gut zu lesen war – ohne s am Schluss.

Muss ein französisches Wort übersetzt werden, dann lauern falsche Freunde: So heissen fremdsprachige Wörter, die ähnlich wie deutsche klingen, aber nicht dasselbe bedeuten, jedenfalls nicht immer. So soll in Burkina Faso, notabene einem Binnenland, nach einem Putsch «Übergangspräsident Kapitän Ibrahim Traoré» an der Macht sein. Ein capitaine (oder captain, wenn die Agenturmeldung auf Englisch hereinkam) kommandiert nicht unbedingt ein Schiff; in der Armee Burkina Fasos oder der Schweiz ist er gewiss Hauptmann.

Napoleons Spuren verblassen

Ein schwacher Trost: In Hamburg scheint es dem Französischen auch nicht besser zu ergehen, obwohl dort einst ebenfalls Napoleon regierte. Der hat sprachlich durchaus Spuren hinterlassen. Neben Vierteln gibt’s auch Quartiere. Ein Laden bietet «Präsente» feil und ein anderer Parfums «mit dem gewissen je ne sais quoi». Doch in höheren kulturellen Sphären ist dieser Tage die Eleganz dahin. Die Kunsthalle zeigt deutsche und französische Impressionisten, doch die Säle und Werke sind wie immer nur auf Deutsch und Englisch beschriftet, statt für einmal auch auf Französisch. In einem Werktitel kommt die Sprache des Nachbarlandes doch noch vor: «une masque», aber leider heisst eine Maske «un masque».

Das Maritime Museum hat zwar seinem Namen «International» vorangestellt. Dennoch ist von «Jacque Cousteau» ein s zu «Jules Vernes» gesegelt. Und mindestens einmal wurde der Druckgrafik-Vermerk «épreuve d’artiste» zum Werktitel umgestaltet, dabei bedeutet er nur, dass das Blatt ein Künstlerabzug ausserhalb der nummerierten Nutzauflage ist. Aber ich gebe zu: In den beiden faszinierenden Museen derlei zu bemerken, ist ein klares Anzeichen von déformation professionnelle. Der Online-Duden erklärt diese «berufliche Deformation» oder «berufliche Entstellung» so: «[negative] Veränderung der Persönlichkeit, die durch das unbewusste Übertragen von Methoden oder Sichtweisen aus dem beruflichen in den privaten Kontext entsteht». So schlimm?


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Portrait_Daniel_Goldstein_2016

Sprachlupe: Alle Beiträge

Daniel Goldstein zeigt, wie Worte provozieren, irreführen, verharmlosen – oder unbedacht verwendet werden.

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4 Meinungen

  • am 18.11.2023 um 11:19 Uhr
    Permalink

    De Bâle un hihi et un bravo…

    • am 19.11.2023 um 08:47 Uhr
      Permalink

      Aus Innerrhoden ein Merci für diesen amüsanten und doch ernst zu nehmenden Text…

  • Portrait_Daniel_Goldstein_2016
    am 18.11.2023 um 14:02 Uhr
    Permalink

    Ein Leser aus Lausanne schreibt mir: «Im Fernsehen und Radio der Romandie, vor allem in den Nachrichten, die offenbar besonders speditiv hergestellt werden müssen, heissen deutsche oder deutschschweizerische Peter seit einiger Zeit schon fast systematisch Piiter.»

    • Portrait_Daniel_Goldstein_2016
      am 18.11.2023 um 20:20 Uhr
      Permalink

      Ein Leser aus Bern meldet einen Prachtsfund: das Loblied einer Zeitschrift auf «ein betörendes Resultat wahrer Handwerkskunst», eine Fritteuse von einer Firma «mit einer wie ein Gedicht klingenden Korrespondenzadresse: Zone Industriel du Moulin du Choc E in 1122 Romanel-sur-Morges». Da im Telefonbuch nur Z.I. steht, hat der poetische Schreibhandwerker die Adresse ergänzt, aber ô choc, eine Silbe von «Industrielle» verschluckt.

      Auch die Rubrik «Schlagzeiten» in der «SonntagsZeitung» wartet mit einer passenden Trouvaille auf:

      «Welche Kompetenzen sein allfälliges Schweizer Pendent hätte, ist noch völlig offen.»
      Ohne pedentisch sein zu wollen: Das ist Spätfranzösisch, liebe «NZZ am Sonntag».

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