Sprachlupe: Der Weg durchs Jahr ist mit Werbesätzen gepflastert
Womit beginnt unsereiner ein neues Jahr? Ja klar, mit einem Blick in den Duden, zeitgemäss online. Da winkt gleich ein Handbuch, mit dem wir an unserem Ansehen arbeiten können – nicht schlecht für gute Vorsätze. Aber ausser Deutschfehler nichts gewesen: Man kann das Handbuch des Werbekunden zwar bequem ansehen, findet aber rein gar nichts darin, das dem Ansehen zuträglich wäre. Also weitergesucht, vielleicht mit einem anderen Browser.
Fein, da wird man gleich zum Mitfeiern eingeladen, im mittlerweile üblichen Kunden-Duzis, aber auch mit einem misslungenen oder kalauernden Imperativ. Oder gelten im Netz sogar für die Befehlsformen neue Regeln? Fast könnte man’s meinen, denn mein Telefonanbieter geruht ebenfalls innovativ zu gebieten:
So eine Auslandreise wäre gar nicht schlecht. Komme ich bei den Bundesbahnen mit der neugestalteten App zu einem Billett?
Es ginge wahrscheinlich schon, aber ich gerate ins Grübeln: Auf dem abgebildeten Plakat müsste doch «Einen Tick besser. Einen Tick grüner.» stehen. Oder ist «das Tick» gemeint, was es auch sei? Eine Nachfrage beim Kundendienst spare ich mir und bleibe bei meiner Vermutung, was hier wie ein Nominativ aussehe, sei in Wirklichkeit der neue Akkusativ – der Appusativ nämlich.
Ins Ausland schaffe ich’s dann doch noch. Nur gibt’s auch dort Grund zum Grübeln: Soll ich nun wirklich das ominöse Haus betreten, in dem mein Gut zu Wissen umgewandelt würde? Da ich recht wenig Gut bei mir trage, wage ich’s und werde reich belohnt, sehe nicht nur mein Wissen über Sommervögel vermehrt, sondern darf überdies mein Gut behalten.
Zurück in der Heimat, winken die Amavita-Apotheken mit einer noch kühneren Erfahrung. Für volle vier Wochen würde es nicht mehr reichen, aber so ein paar Tage als Frau lägen noch drin. Nur: Kaum fände ich daran womöglich Gefallen, wäre es auch schon wieder vorbei. Vielleicht ist das Angebot ohnehin nur für Frauen gemeint: Sie sollen es wenigstens eine Zeitlang einfach haben im Leben.
Statt in die Apotheke gehe ich ins Café, aber auch dort gestaltet sich das Leben, oder wenigstens das Lesen, nicht ganz einfach:
Was ist da «gut möglich»? Doch wohl, dass wir uns nicht kennen, das «recyelte Material» und ich. Da suche ich Bekanntschaft lieber in einem anderen Lokal, wo die Zugabe zum Kaffee voller Verheissung steckt.
Den Weg zu Süssen finde ich dann aber nicht dort, sondern in einem Laden. Inzwischen ist es Spätherbst geworden, und da liegen sie:
Hier winken mir neben viel Zucker sogar etliche Protzzzzeeine, gewiss gut fürs Ansehen. Ich muss sie bloss selber übersetzen und hoffen, sie steckten nicht in den «greins», denn die werfe ich weg. Und mir dämmert, dass ich Sprachkünste anderswo suchen muss, etwa beim selbsternannten Dütsch-Spezialisten. Man darf nur nicht hinschauen, was für ein Deutsch er hinschreibt.
Auf der Suche nach besserer Inspiration landete ich schliesslich hier:
Gewiss, das Bewusstsein der Endlichkeit beflügelt den Schöpfergeist, aber müssen wir ihm gleich so auf die Sprünge helfen? Da wird mir vor
Weiterführende Informationen
- Indexeinträge «Rechtschreibung» und «Werbung» in den «Sprachlupen»-Sammlungen: tiny.cc/lupen1 bzw. /lupen2, /lupen3. In den Bänden 1 und 2 (Nationalbibliothek) funktionieren Stichwortsuche und Links nur im heruntergeladenen PDF.
- Quelldatei für RSS-Gratisabo «Sprachlupe»: sprachlust.ch/rss.xml; Anleitung: sprachlust.ch/RSS.html
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Achtung mit «selbsternannt» (Dettling)! Die grossen Wohltaten für die Menschheit sind von Selbsternannten, sogenannte «saveurs social» geschaffen worden: Louis Pasteur, Robert Koch etc.
Vermutlich wurden diese Wohltäter von anderen zum «sauveur social» ernannt. Fall doch selbsternannt, sind sie inzwischen in schlechte Gesellschaft geraten, siehe Sprachlupe: Wer Selbsternannte selbst ernennt, ist …