Werbung aus Männersicht

Werbung des Unterwäscheherstellers Beldona aus Männersicht: Eine Frau sucht halbnackt, kopflos und in High Heels nach ihrem Höschen. © cc

«Ältere Frauen haben nicht nur Blasenprobleme»

Barbara Marti /  Werbung spricht Frauen aus Männersicht an. Kampagnen erreichen deshalb viele Kundinnen nicht, sagen zwei Expertinnen.

Laut den Marketingspezialistinnen Jane Cunningham und Philippa Roberts gibt es in der Werbebranche nach wie vor grundlegende Missverständnisse über die Art und Weise, wie Frauen denken. Die Fachfrauen führen dies darauf zurück, dass an den entscheidenden Positionen in der Werbebranche nach wie vor mehrheitlich Männer sind: «Werbung spricht Frauen immer noch meist aus einer männlichen Perspektive an, erklärt ihnen, wer sie sind und wer sie sein könnten», schreiben die beiden in ihrem Buch «Brandsplaining – Why marketing is still sexist and how to fix it».

Unterstützen statt kritisieren

Die beiden Expertinnen haben im Laufe von 15 Jahren mit 14‘000 Frauen über ihre Bedürfnisse, Wünsche und Werbung gesprochen. Daraus zogen sie den Schluss, dass die Werbebranche bis heute nicht auf die wirklichen Bedürfnisse von Frauen eingeht. Der «New York Times» sagten die beiden, Männern zu gefallen und Kinder zu bekommen seien nicht die einzigen Ziele von Frauen. Doch genau davon gehe die Branche aus. Deshalb trichtere sie schon Mädchen ein, freundlich, süss und liebevoll zu sein und sich zu kümmern. Junge Frauen werden mit dem Argument umworben, männliche Anerkennung zu erreichen, und Mütter sollen unendlich glücklich mit dem Baby sein. Cunningham: «Aber wenn man tatsächlich mit Frauen spricht, ist ihr Ehrgeiz nicht, für den männlichen Blick schön zu sein; es ist, sich in der eigenen Haut wohl zu fühlen und unabhängig zu sein, insbesondere finanziell.» Werbung sollte Frauen so ansprechen, wie sie sind, und nicht so, wie Männer möchten, dass sie sind. Statt Frauen zu kritisieren, soll sie Frauen unterstützen. «Das ist die grosse Veränderung, die passieren muss. Werbung muss aufhören, Frauen vorzuschreiben, wie sie sein sollen, und anfangen, ihnen nützlich zu sein.» 

«Frauen haben genug echte Probleme»

Junge Frauen konsumieren laut Cunningham täglich unzählige Werbebotschaften. Häufigste Botschaften: Sei dünner, blonder, weiblicher, haarlos, weisser. «Aber warum nicht Produkte verkaufen, die sich positiv auf Frauen auswirken, nicht nur auf junge Frauen, sondern auf alle Frauen? Warum muss ihr Leben noch anstrengender werden? Frauen haben genug echte Probleme, für die man ihnen Produkte verkaufen kann, man muss sie sich nicht ausdenken.» Werbebotschaften für Männer seien meist nicht kritisch wie bei Frauen, sondern unterstützend und positiv. Und die Werbung für sie sei kreativer, oft auch witzig. Bei den Anzeigen für Frauen hingegen zeigen laut Cunningham nur ganz wenige eine lustige Frau. Viel häufiger sei eine affektiert lächelnde Frau mit zurückgeworfenem Kopf zu sehen. Cunningham: «Das ist eine riesige verpasste Gelegenheit.»

Ältere Frauen sind unsichtbar

Neben lustigen fehlen auch ältere Frauen in den meisten Werbekampagnen, obwohl sie Geld haben. Sie seien nicht nur mit Blasenproblemen beschäftigt oder ein bisschen schräg, wie Werbung oft suggeriere. Sie können wie Männer über 50 sein, einen Job und Kinder haben, sagt Cunningham. Von Werbung mit Frauen unter 30 fühlten sie sich selten angesprochen. Umgekehrt treffe dies kaum zu. Jüngere Frauen schrecke Werbung mit älteren Frauen nicht ab. Im Gegenteil. Sie seien dankbar für Vorbilder. Cunningham: «Das ist ein weiteres Missverständnis über die Art und Weise, wie Frauen denken.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Die Autorin ist Redaktorin und Herausgeberin der Online-Zeitschrift «FrauenSicht».
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Frauen_Werbung

Frauenbild in Werbung und Angeboten

Rollenbilder zementieren Klischees und Vorurteile.

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