SNB

Kann's nicht allen recht machen: Die SNB in Bern © snb

Die Schweiz wegen Franken-Kurs am Pranger

Markus Mugglin /  Statt den Franken künstlich zu verbilligen, soll sie mehr Dienstleistungen u. Waren importieren. Die Überschüsse sind unter Kritik.

Schweizer Behörden meldeten unlängst einen «stabilen Überschuss der Leistungsbilanz». Die Nachricht erregte wenig Aufmerksamkeit. «Stabil» tönt positiv und beruhigend.
Doch das sehen nicht alle so. Für einen Währungsexperten wie Joseph E. Gagnon wirkt der «stabile Überschuss» gar nicht beruhigend. Er wirft der Schweiz Währungsspekulation vor – nachzulesen unter dem Titel «Alternatives to Currency Manipulation: What Switzerland, Singapore and Hong Kong can do», publiziert vom einflussreichen «Peterson Institute for International Econormics» in Washington.
«Grösster Manipulator im 2012»
Warum schon wieder, mag man argwöhnen bei der Schweizerischen Nationalbank SNB. Bereits vor anderthalb Jahren hat Gagnon zusammen mit seinem damaligen Institutsdirektor Fred Bergsten die Schweiz beschuldigt. Die beiden Experten hatten die Schweiz als den «weitaus grössten Währungsmanipulator im Jahr 2012» bezeichnet.
Dass die Nationalbank eine weitere Aufwertung des Frankens gegenüber dem Euro mit einem garantierten Mindest-Wechselkurs zum Euro verhindert, war nicht der einzige Grund für die Kritik. Schon damals missfiel den US-Experten vor allem der chronisch hohe Leistungsbilanzüberschuss unseres Landes. Dieser kommt zustande, weil die Schweiz mehr Waren exportiert als importiert, weil Ausländer in der Schweiz mehr ausgeben als Schweizer im Ausland, weil Unternehmen und Private mehr Geld (Zinsen, Lizenzen, Gewinne, Löhne usw.) vom Ausland in die Schweiz transferieren als umgekehrt, und weil der Handel mit Rohstoffen seit ein paar Jahren zusätzlich grosse Einkommen ins Land spült.

Der dank der Euro-Bindung künstlich tief gehaltene Schweizer Franken verstärkt diese Tendenz. Bekämen die Euro-Länder für einen Euro nicht mehr 1.20 Franken, sondern nur noch 1 Franken, ginge der Überschuss der Schweizer Leistungsbilanz zurück – u.a. auf Kosten der Exportindustrie und des Tourismus.

Die Nationalbank sieht sich in der Defensive
Auf die Kritik hatte die SNB damals reagiert. Denn das Peterson Institute ist nicht irgendein Institut. Es geniesst hohes Ansehen weit über Washington hinaus. SNB-Präsident Thomas Jordan wagte sich im Oktober 2013 sogar in die Hallen des einflussreichen Instituts. Er stand Red› und Antwort, versuchte die Schweiz als Sonderfall unter den Überschussländern darzustellen. Sein Hauptargument: Die offiziell ausgewiesenen Daten über die rekordhohen Leistungsbilanzüberschüsse würden die Wirklichkeit überzeichnen.
Nicht wie China oder Deutschland?
Die Schweiz will nicht mit China verglichen werden, das oft beschuldigt wurde, mit seinen gewaltigen Überschüssen die grosse Finanzkrise mitverursacht zu haben. Auch mit Deutschland will man nicht in den gleichen Topf geworfen werden. Unser nördlicher Nachbar eilt von Rekordüberschuss zu Rekordüberschuss und wurde deshalb wiederholt von der Obama-Administration kritisiert. In der EU läuft gar ein Verfahren wegen den zu hohen Überschüssen. Denn chronisch hohe Überschüsse schaden einer international stabilen Entwicklung ebenso wie die spiegelbildlich chronisch hohen Defizite der südeuropäischen Krisenstaaten. Diese können ihre Leistungsbilanz-Defizite nur abbauen, wenn andere Staaten ihre Überschüsse abbauen.
Gemessen an der Wirtschaftskraft erzielt die Schweiz sogar einen deutlich höheren Leistungsbilanzüberschuss als Deutschland und China. Während die Überschüsse dieser zwei grössten Exportnationen gemessen an deren Bruttoinlandprodukten gut drei bzw. sieben Prozent ausmachen, beläuft sich der schweizerische Überschuss auf meist zehn Prozent und manchmal noch mehr.
Dass die Schweiz dennoch international kaum behelligt wird, verdankt sie zweifellos ihrer Kleinheit. Die gut zehn Prozent Überschuss beziffern sich meist auf rund 60 Milliarden Franken bzw. in Dollar gerechnet um die 70 Milliarden jährlich. Der Deutsche Überschuss lag 2013 in absoluten Zahlen mit 260 Milliarden Dollar fast viermal so hoch und wirkt entsprechend stärker destabilisierend.
Es überrascht deshalb nicht, dass unser nördlicher Nachbar öfters und heftiger kritisiert wird. Dass sich die Schweiz trotzdem nicht völlig sicher fühlen kann, dafür möchte der Währungsexperte Joseph E. Gagnon nicht länger alleine sorgen.
IWF in der Pflicht?
Denn die von der Nationalbank vorgebrachten Argumente für den angeblichen Sonderfall Schweiz haben ihn nicht überzeugt. Warum nicht, legt er in seiner neuen Studie Punkt um Punkt dar. Umso erstaunter zeigt er sich darüber, dass der Internationale Währungsfonds die Schweiz nie ermahnt hat wegen den negativen Folgen, die sie mit ihren Überschüssen in anderen Ländern bewirkt. Der IWF müsse seine eigenen Verpflichtungen ernst nehmen – auch gegenüber der Schweiz, meint Gagnon.
Man kann gespannt sein, ob die ein paar Häuserblocks vom Peterson Institute entfernten IWF-Experten bei nächster Gelegenheit neue Töne anschlagen werden.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Markus Mugglin war Leiter der Sendung «Echo der Zeit» von SRF. Er ist Vorstandsmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Aussenpolitik, SGA.

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Ein starker Franken macht alles aus dem Ausland billiger. Dafür werden Schweizer Produkte im Ausland teurer.

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3 Meinungen

  • am 5.07.2014 um 12:58 Uhr
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    Joseph E. Gagnon ist kaum als Referenz Ernst zu nehmen. Er selber agiert nicht selten als Beirat von Hedgefunds; eben diese Hedgefunds, die voll darauf setzten, dass die SNB nicht intervenieren würde, spekulierten vor drei vier Jahren mit einem Euro/Franken-Kurs von 0.80 Franken. Dieser Kurs hätte wohl den Hedgefunds sehr gedient, die hiesige Realwirtschaft ins Elend getrieben.
    Die Hedgefunds kritisieren die Schweizer Währungspolitik mit praktisch denselben Argumentationsketten wie Gagnon. Es stünde dem IWF endlich gut an, sich von der reinen monetaristischen Lehre, die schon in den Reagen-Thatcher-Unzeiten zur dramatischen Deindustrialisierung von Grossbritannien und den USA führten, endlich zu verabschieden und sich endlich an der Realwirtschaft zu orientieren.

  • am 5.07.2014 um 21:21 Uhr
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    Es erstaunt nicht, das Erfolg Neid und Missgunst errweckt. Nun sollen also die Überschussländer für die Misere der Defizitnationen verantwortlich sein und es wird ihnen Manipulation vorgeworfen. Dies ist eine Manipulation der öffentlichen Meinung!
    Gleichmacherei auf tiefem Niveau kann nicht das Ziel sein. Die Herren Gagnon und Bergsten sollten vor ihrer eigenen Türe wischen! Natürlich ist der CHF/EURO Mindestkurs eine konjunkturpolitische Massnahme zu Gunsten der Exportindustrie und auch des Tourismus, denn bei einem stärkeren CHF würden weniger Schweizer Produkte gekauft und die Schweiz als Reiseland wäre schlicht und einfach unbezahlbar für die Touristen. Aber man kann doch nicht argumentieren, die Schweiz müsse nun ihren Export drosseln…! Der Vergleich der Leistungsbilanzüberschüsse Deutschland und der Schweiz zeigt auf, wie erfolgreich unser Land ist, der Überschuss Deutschlands ist knapp viermal so hoch, wie derjenige der Schweiz, dies bei er zehnmal grösseren Bevölkerung!

  • am 11.07.2014 um 18:27 Uhr
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    Es sind nicht die National- oder besser Notenbanken, welche die Wirtschaft und das Währungssystem stören, sondern die Spekulanten und sog. «Hedgefonds", eigentlich Spekulationshebel. Diese zocken wie manche Computergame-Süchtigen, nur dass dabei Millionen reale Existenzen und ganze Wirtschaftszweige mancher Staaten gefährdet oder vernichtet werden.
    Deshalb ist es nur folgerichtig, dass so etwas wie die Vollgeldinitiative lanciert wird, um Geld wieder zu einem realen Tauschmittel zurückzuführen.
    Die Kantone sollten die Unternehmenssteuern erhöhen, nicht senken, um einige von diesen verantwortungslosen «Heuschrecken» und Rohstoffspekulanten loszuwerden.

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