PSI1

Paul Scherrer Institut: Die Akzeptanz der Atomenergie in Europa verbessern © psi

Trotz Atom-Ausstieg: Subventionen für Frankreichs Flop-Reaktor

Kurt Marti /  Frankreich zieht dem Forschungs-Reaktor Astrid den Stecker. Auch die Schweiz ist mit ihren Euratom-Subventionen daran beteiligt.

Der französische Forschungs-Reaktor Astrid (Advanced Sodium Technological Reactor for Industrial Demonstration) sollte den Einstieg in die 4. AKW-Generation garantieren. Als Nachfolge-Projekt des gescheiterten Schnellen Brüters Superphenix wurde Astrid als «inhärent sicher», «nachhaltig» und für den Klimaschutz angepriesen. Rund 740 Millionen Euro hat der natriumgekühlte Forschungs-Reaktor Astrid bis Ende 2017 verschlungen. 2025 sollte ein erster Prototyp in Betrieb gehen.

Doch jetzt ist Schluss. Ende August publizierte Le Monde einen entsprechenden Bericht. Das französische Kommissariat für Atomenergie und alternative Energien (CEA) hat dem Reaktor-Traum der Atom-Industrie den Stecker gezogen. Gegenüber Le Monde erklärte das CEA, dass «ein Prototyp kurz- und mittelfristig nicht geplant» sei. Stattdessen wolle man sich «in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts» wieder damit befassen. «Astrid ist tot», kommentierte darauf eine interne Quelle gegenüber Le Monde.

«Um die Akzeptanz der Kernenergie zu verbessern»

Das ist ein schwerer Schlag für die Atom-Lobby – auch in der Schweiz. Denn das Paul Scherrer Institut (PSI) in Villigen (AG), das der ETH Zürich angeschlossen ist, koordiniert das Euratom-Forschungsprojekt ESFR-SMART (European Sodium Fast Reactor Safety Measures Assessment and Research Tools) für natriumgekühlte Brutreaktoren der 4. Generation, insbesondere für den Astrid-Reaktor.

Neben dem PSI nehmen am ESFR-Forschungsprojekt beispielsweise der französische Frameatom-Konzern (früher Areva) und die Électricité de France (EDF) teil. Das Budget für die Jahre 2017 bis 2021 beträgt 9,9 Millionen Euro aus dem Euratom-Topf.

Brisant ist die Zielsetzung des ESFR-Projektes: «Um die Akzeptanz der Kernenergie in der Öffentlichkeit zu verbessern und ihre zukünftige Rolle in Europa zu sichern, muss die deutlich höhere Sicherheit neuer Reaktoren im Vergleich zu herkömmlichen Reaktoren nachgewiesen werden.» Das Projekt werde «in enger Zusammenarbeit mit dem Astrid-Programm» durchgeführt und ziele darauf ab, «die Sicherheit der natriumgekühlten Brutreaktoren der 4. Generation» zu verbessern.

Mit Schweizer Steuergeldern: Werbung für zukünftige europäische AKW

Auch die Schweiz subventioniert das ESFR-Forschungsprojekt für den französischen Flop-Reaktor Astrid. Und das geht so: Um beim europäischen Forschungsprogramm Horizon 2020 dabei zu sein, hat das Parlament im Jahr 2013 für die Jahre 2014 bis 2020 Subventionen von rund 244 Millionen Franken für die europäische Atomforschung gesprochen, davon rund 110 Millionen für das Kernspaltungs-Programm der Euratom und rund 134 Millionen für das Kernfusions-Programm.

Diese Subventionen fliessen nun in Form von Forschungs-Aufträgen in die Schweiz zurück. Im Jahr 2017 waren das im Bereich der Kernspaltung 16 Projekte, wie der Bundesrat auf eine Interpellation der Schaffhauser SP-Nationalrätin Martina Munz erklärte. Eines dieser Projekte ist das ESFR-Projekt zur Akzeptanzverbesserung für das inzwischen abgestürzte Astrid-Projekt.

Im Klartext: Die Schweiz, die 2011 beschlossen hat, aus der Atomenergie auszusteigen, finanziert über ihre Euratom-Subventionen ein Forschungs-Projekt, das paradoxerweise Werbung für zukünftige europäische Atomkraftwerke macht.

Bundessubventionen für französische Atom-Träume stoppen

Die PSI-Forschung zur Verbesserung der Akzeptanz von zukünftigen Atomkraftwerken in Europa widerspricht dem Schweizer Beschluss zum Atom-Ausstieg. Auch der Bundesrat hielt 2012 in seiner Botschaft zum Aktionsplan «Koordinierte Energieforschung Schweiz» die folgenden «prioritären Schwerpunkte» fest: «Sicherheitsforschung, Strahlenschutz, Bewirtschaftung radioaktiver Abfälle sowie Betrieb und Rückbau der bestehenden Anlagen (neue Verfahren, Komponenten, Systeme usw.).» Diese seien für die Sicherheit der noch bestehenden Schweizer Atomkraftwerke «von zentraler Bedeutung».

Von einer Forschung für zukünftige Atomkraftwerke in Europa ist in der bundesrätlichen Botschaft keine Rede und schon gar nicht von einer Akzeptanzverbesserung. Der Bundesrat spricht einzig von der Sicherheitsforschung für den Betrieb und den Rückbau der bestehenden AKW in der Schweiz. Das eidgenössische Parlament sollte ihn gelegentlich daran erinnern, um die Verschleuderung von Bundesgeldern für französische Atom-Träume zu stoppen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Kurt Marti war früher Beirat (bis Januar 2012), Geschäftsleiter (bis 1996) und Redaktor (bis 2003) der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES)

Zum Infosperber-Dossier:

SolaranlageBauernhof-1

Energiepolitik ohne neue Atomkraftwerke

Erstes, zweites und drittes Gebot: Der Stromverbrauch darf nicht weiter zunehmen.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

8 Meinungen

  • am 15.09.2019 um 13:01 Uhr
    Permalink

    Kurt marti wird wohl bis an sein lebensende gegen den «grossen satan» atomenergie kämpfen. Er kann nicht anders, das ist seine lebenslüge, an die er angeschweisst ist. Auch wenn der ipcc atomenergie bezüglich klimawandel längst als teil der lösung bezeichnet hat, nicht teil des problems. Bei der abstimmung zur energiestrategie wurde beteuert, es gehe keineswegs um ein technologie- oder gar denkverbot. Also forschen ja – nur bauen in der schweiz nicht. Jetzt tut man genau das, und es ist auch wieder nicht recht. Was hat denn herr marti gegen sicherere akw, die kaum noch abfall produzieren und mit unbegrenztem brennstoffvorrat? Die die entsorgungsfonds äufnen und die sowieso zu bauenden lager benützen, resp. sogar deren inhalt als brennstoff verwenden? Ach ja, wenn wir weiterhin viel energie verbrauchen, die aber kaum co2 hat, dann fällt ein hebel weg für die forderungen nach gesellschaftsumbau. Und das wäre doch äkipfui, oder?

  • am 16.09.2019 um 16:42 Uhr
    Permalink

    Super Artikel Herr Marti, bleiben Sie dran!

    @von Burg
    AKW’s sind die grössten Klimasünder! Das wichtigste Treibhausgas ist nicht CO2 sondern Wasserdampf! Das können Sie überall nachlesen. Wasserdampf ist drei mal Klimaschädlicher als CO2. Warum in aller Welt sind denn diese Kühltürme immer noch in Betrieb?
    https://de.wikipedia.org/wiki/Treibhauseffekt

    Atomenergie ist DIE Lebenslüge, weder wirtschafftlich, sicher noch umweltfreundlich und schon gar nicht klimafreundlich!
    Das Uran wächst ja nicht auf den Bäumen. Radioaktiver Abfäll lässt sich auch nicht einfach kompostieren. Schon alleine die Lagerung wird mehr Energie benötigen als die Brennstäbe jemals erzeugt haben.

    Bei der Atomenergie geht und ging es in erster Linie um spaltbares Material für die Bombe und um Subventionen für die grossen Konzerne.

  • am 16.09.2019 um 17:26 Uhr
    Permalink

    @C. von Burg: In der Botschaft zur Bewilligung der 244 Mio. Subvention steht nichts davon, neue AKW-Lösungen zu suchen sondern das Rückbau-/Entsorgungsproblem zu lösen. Hier sind Steuergelder missbraucht worden. Kurt Marti zeigt die widersprüchliche Politik des Bundes auf. Kein Forschungsprojekt für alternative Energien ist finanziell in diesem Umfang unterstützt worden!

  • am 17.09.2019 um 10:18 Uhr
    Permalink

    Die Schweiz ist nach wie vor Mitglied vom Generation IV International Forum (GIF). Sie finanziert und betreibt also Forschung für AKW’s der 4. Generation.
    Es zeigt sich jetzt im Nachhinein eben, dass die CH-Regierung die ES2050 nicht im Sinne der Natur und Nachhaltigkeit, sondern im Sinne von Big Business umsetzte (auch die Quersubventionierung von AKW’s unter dem Deckmantel der Wasserkraft, welche wir seit der Inkrafttretung der ES2050 haben, zeigt dies). Mit AKW’s kann auch in Zukunft noch viel Geld verdient werden und da will die Schweizer Wirtschaft und der Schweizer Staat mitverdienen.

    Noch ein paar Worte zur vierten Generation:
    Als aussichtsreichster Kandidat wird der Flüssigsalzreaktor LFTR angesehen (LFTR bedeutet, dass flüssiges Thorium als Brennstoff verwendet wird). Aktuell wird der Flüssigsalzreaktor immer wieder als neue Technologie angepriesen. Das ist falsch! Bereits in den 40ern war er der grosse Favorit des US-Militärs, da aus ihm, wegen Thorium, einfach waffenfähiges Material gewonnen werden kann. Wegen der extrem korrosiven Eigenschaft des flüssigen Thoriums war die damalige Technik nicht in der Lage einen Werkstoff herzustellen der der Korrosion stand hält um überhaupt einen Reaktor für längere Zeit betreiben zu können. Die aktuelle Forschung geht jetzt in die Richtung, einen Werkstoff zu finden der das kann. Das Militär dankt’s! AKW’s wurden erfunden, um waffenfähiges Material für Militärs herzustellen. Alles andere ist PR!

    Interessant zum Thema ist übrigens diese Interpellation. Weniger die Frage, als viel mehr die Antwort Nummer 3:
    https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20173461

    Da der Vertrag zur Forschung bereits 2015 um zehn Jahre verlängert wurde konnte darüber 2017, als es um die ES2050 ging, auch nicht abgestimmt werden. Das war bereits unter Dach und Fach.

  • am 17.09.2019 um 18:15 Uhr
    Permalink

    Es ist kaum zu fassen, dass immer noch auf die Atomkraft zur Stromerzeugung gesetzt wird. Auch über sechs Jahrzehnte nach Beginn der atomaren Stromerzeugung hat noch kein AKW der Welt eine risikogerechte Haftpflichtversicherung. Ganz schlimm: Kein AKW hat eine Entsorgung des Atommülls.

    Die Einführung der Atomkraft ist wohl immer vom Willen nach der Atombombentechnik motiviert. Wirtschaftlich war und ist kein einziger Reaktor.

    Zugleich haben wir weltweit die Nutzung der regenerativen Energien schwungvoll entwickelt. Mit einem modernen Windkraftwerk kann man in Deutschland den Strom je nach Winddargebot des Standorts für 3,5 – 6 Eurocent je Kilowattstunde erzeugen. Die Jahresprämie für die Haftpflichtversicherung kostet weniger als 200 Euro. Beton, Kupfer und Stahl sind recycelbar. Die glasfaserverstärkten Kunststoffe der Rotorblätter, die auch zum Bau von Booten, Campingwagen usw. eingesetzt werden, können meines Wissens gut in Zementöfen als Brennstoff genutzt werden.

    Die Photovoltaik liefert ähnlich preiswert den Strom. Mittels EE-Mix, Lastmanagement, Verbund und Speichern kann zudem eine sichere Stromversorgung gewährleistet werden.
    Ein Festhalten an der Atomenergie ist unvernünftig!

    Raimund Kamm, Augsburg

    Und gleichzeitig haben

  • am 18.09.2019 um 23:06 Uhr
    Permalink

    Sog. «schnelle» Reaktoren (wie z.B. BN-600 / BN-800) sind genau was man braucht, um die lästigsten Abfälle (sog. minore Aktinoide) zu entsorgen, und entsprechen deshalb voll dem Thema «Bewirtschaftung radioaktiver Abfälle».

  • am 20.09.2019 um 00:32 Uhr
    Permalink

    @Thomas Maeder

    Schnelle Brüter haben noch ein paar weitere Eigenschaften:

    – Sie gelten als die gefährlichsten und risikoreichsten Reaktoren überhaupt. Einerseits wegen dem Kühlmittel Natrium welches im Kontakt mit Wasser oder Luft zu explodieren/brennen beginnt andererseits wegen der hohen Plutonium239 Konzentration. Schnelle Brüter gelten als GAU anfälliger als Leichtwasser-Reaktoren.
    – Das erbrütete Plutonium239 ist waffenfähig und kann zum Bau von Atombomben verwendet werden. Fat Man, welche auf Nagasaki geworfen wurde, hatte Plutonium239 als Sprengstoff
    – Der schnelle Brüter kann nicht, wie Sie schreiben, Abfall entsorgen, sondern lediglich die Halbwertszeit reduzieren (Abbau von langlebigen Transurane). Anstatt 500 000 Jahre, ist der Atommüll dann «nur» noch 5 000 Jahre gefährlich
    – Der von Ihnen erwähnte BN-800 könnte, wenn er dafür eingesetzt werden würde, gerade mal nukleare Abfälle von 20kg/Jahr transmutieren. Alleine die hochradioaktiven Abfälle weltweit betragen rund 300 000 Tonnen
    – Bei der Transmutation wird zwar die Dauer der Gefährlichkeit von radioaktivem Abfall verkürzt, dafür werden aber mehrere Tonnen von neuem Material zusätzlich leicht bis mittel radioaktiv verseucht. Sprich die Zeit der Gefährlichkeit von hochradioaktivem Abfall (in sehr begrenzter Masse) kann gesenkt werden, mit dem Nachteil, dass die gesamt Menge an radioaktivem Abfall steigt

    Schnelle Brüter sind für gar nichts eine Lösung!

  • am 22.09.2019 um 21:36 Uhr
    Permalink

    @Marc Stöckli: Einige Bemerkungen
    Risiko: nicht unbedingt
    – In der Vergangenheit viele Lecks, ohne grosse Explosionen / GAU:
    https://inis.iaea.org/collection/NCLCollectionStore/_Public/31/058/31058487.pdf
    – Gefahr einer Reaktion weit vom Kern getrennt
    – Keine Gasentwicklung im Kern bei Überhitzung (ggü. H2O & Zr -> H2)
    – Na flüssig bei Umgebungsdruck
    – Grosse Temperaturmarge zw. Arbeitstemperatur und Siedepunkt, >300°C

    Waffen-Pu: Unbedeutend, in den USA wurden dazu einfach Grafitmoderierte Reaktoren benutzt (nicht AKW), mit ein Teil vom Columbia-Fluss als Kühlung. Vermutlich geht es auch in Nordkorea so…
    https://www.pnnl.gov/main/publications/external/technical_reports/PNNL-13605rev4.pdf

    Abfallentsorgung:
    – Es sind nicht 5000 Jahre, sondern etwa 200-300, was völlig problemlos gelagert werden kann. Danach ist die Radiotoxizität _geringer_ als diejenige des ursprünglichen Urans:
    https://www.pnas.org/content/pnas/96/7/3432/F1.large.jpg
    – Man muss nicht die ganze Menge spalten, nur Pu (= Brennstoff, ca. 1%) + die Actinoiden (ca. 0.1%):
    http://www.radioactivity.eu.com/site/pages/Spent_Fuel_Composition.htm

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...