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SP-Nationalrat und Präsident der Neuen Europäischen Bewegung (Nebs) Martin Naef © www.martin-naef.ch

Nebs-Chef Naef fordert: «Zurück an den Verhandlungstisch»

Jürg Müller-Muralt /  Martin Naef, Kopräsident der EU-Lobby Nebs, will eine Debatte über den EU-Beitritt. Der bilaterale Weg stosse an Grenzen.

Unermüdlich und unbeirrt vom Zeitgeist setzt sich die Neue Europäische Bewegung (Nebs) seit ihrer Gründung vor 20 Jahren für einen raschen Beitritt der Schweiz zur Europäischen Union ein. Immer dann, wenn die bilateralen Abkommen durch Initiativen der SVP bedroht waren, stieg die Nebs in den Ring. Seitdem jedoch der Abschluss des Rahmenabkommens zwischen der Schweiz und der EU unter anderem durch den Gewerkschafts-Boykott der Gespräche mit dem Bundesrat akut bedroht ist, hat man von der Nebs nichts gehört. Nach Auskunft von Nebs-Kopräsident Martin Naef findet am kommenden Wochenende eine Retraite statt, bei der das weitere Vorgehen und die Position der Nebs diskutiert werden sollen.

Naef ist in spezieller Lage

Der Zürcher SP-Nationalrat Naef ist in einer speziellen Situation: Er steht seit 2014 nicht nur an der Spitze der überparteilichen EU-Lobby-Organisation Nebs, die zuvor acht Jahre lang von der freisinnigen Nationalrätin Christa Markwalder präsidiert wurde. Seit 2015 leitet er auch die SP-Delegation der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats und ist seit dem November 2017 zudem Vizepräsident der Kommission.

Infosperber wollte deshalb von ihm wissen, ob seine Haltung als Nebs-Vorsitzender deckungsgleich sei mit jener der SP Schweiz, die den Boykott der Gewerkschaften voll und ganz mitträgt. Seine Antwort: «Ja, sie deckt sich mit dem Mandat des Gesamtbundesrates und der Aussenpolitischen Kommissionen (‹rote Linien›). Ein Abbau der flankierenden Massnahmen würde die Mehrheitsfähigkeit für ein institutionelles Rahmenabkommen bei einer Abstimmung gefährden.» Gleichzeitig fordert Naef alle Akteure auf, sich für den Abschluss eines Rahmenabkommens einzusetzen und betont: «Dies muss über einen gemeinsamen Dialog am Verhandlungstisch erfolgen. Sowohl in der Schweiz wie auch als Schweiz mit der EU.»

Verständnis für Gewerkschaften

Auf die Frage, ob er als Nebs-Vorsitzender kein Problem damit habe, dass SP und Gewerkschaften durch Gesprächsverweigerung zumindest mitschuldig werden könnten an einem möglichen Scheitern des Rahmenabkommens und damit an einem Kernanliegen der Nebs, antwortet Naef: «Als Linker habe ich Verständnis für die Position der Gewerkschaften, ohne sie wird eine Abstimmung über ein Abkommen scheitern. Die Schweizer Gewerkschaften versuchen, übrigens zusammen mit den europäischen Gewerkschaften, den Arbeitnehmerschutz innerhalb des Binnenmarktes zu verteidigen; innerhalb der EU versucht man, ihn auszubauen. Gleichzeitig ist der Abschluss eines Rahmenabkommen von grosser Wichtigkeit für die Schweiz. Ohne ein Rahmenabkommen veralten die Bilateralen Verträge und verlieren an Relevanz.» Es gehe jetzt darum, rasch Lösungen auszuhandeln. Und einmal mehr fordert Naef: «Selbstverständlich müssen die Beteiligten dafür an den Verhandlungstisch zurückkehren.» Schon im Juli sagte Naef gegenüber den Tamedia-Zeitungen, er halte zwar den Lohnschutz für zentral. Doch wenn die Sozialpartner hier auf «andere oder gar bessere Lösungen» stiessen, wäre dies für ihn begrüssenswert.

Nebs-Mitglieder sind sich nicht einig

Das Thema beschäftigt offenbar die Nebs-Mitglieder, es gebe jedenfalls zahlreiche Rückmeldungen, sagt Naef. Dabei gehen die Positionen weit auseinander. Viele Nebs-Mitglieder seien in ihrer Haltung gespalten, es gebe aber auch klare Pro- bzw. Kontra-Gewerkschaftspositionen. Viele Mitglieder orten auch «mangelnde Leadership des Gesamtbundesrates».

«Ausgezeichnete Verhandlungsposition»

Doch das Problem scheint tiefer zu gehen: Laut Naef stösst der bilaterale Weg «ganz offensichtlich an seine Grenzen. Aus diesem Grund fordert die Nebs umso vehementer eine Diskussion über einen möglichen Beitritt der Schweiz zur EU, denn dann könnten wir selber Einfluss nehmen auf Entscheide innerhalb der EU. Wir könnten unsere Anliegen direkt einbringen und Partner dafür suchen. Ebenfalls klar ist für mich, dass flankierende Massnahmen bei Beitrittsverhandlungen ein Teil der Forderungen der Schweiz sein müssten. Aktuell wären wir sicherlich in einer ausgezeichneten Verhandlungsposition gegenüber der EU, falls wir beitreten möchten. Wir dürfen nicht warten, bis die bilateralen Verträge nutzlos geworden sind und damit der Zugang zum Binnenmarkt quasi obsolet geworden ist. Das würde unsere Position erheblich schwächen.»


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2 Meinungen

  • am 24.08.2018 um 12:59 Uhr
    Permalink

    Ja, an den Verhandlungstisch! Aber vor allem die EU vermisse ich dort. EU ist nicht Europa, wenn auch vielleicht ein unvermeidlicher Umweg dazu. Sobald man darüber https://europeanbalconyproject.eu/en/manifesto mit der EU verhandeln kann, ist die Schweiz dabei und GB auch (wieder). Allerdings erst 2045!
    Bei der SP ist es wie bei der EU, blinder Fleck, Brett vor dem Kopf, schwierig zu beseitigen. Das werden die Wähler regeln.

  • am 24.08.2018 um 14:48 Uhr
    Permalink

    Lieber Martin Naef: Könnte dein Vorschlag einer EU-Beitrittsdebatte in der Schweiz im jetzigen Zeitpunkt so was wie eine Verzweiflungstat sein, nachdem dein Levrat mit seiner kürzlichen ‹Keine-fremden-Richter-Debatte› der SVP massiv in die Hände spielte?
    – Ein EU-Beitritt wird früher oder später kommen, aber jetzt in dieser Unterform der EU bestimmt nicht.
    – Wieso nur musste dein Levrat beim Arbeinehmer-Schutz so toll-patschig argumentieren. Ich konnte es nicht fassen …

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