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Synes Ernst: Spiel-Experte © cc

Der Spieler: Diese Drei garantieren tolles Spielerlebnis

Synes Ernst. Der Spieler /  Das Angebot an neuen Kinderspielen ist verwirrend gross. Die Jury «Kinderspiel des Jahres» bietet wertvolle Orientierungshilfe.

Haben Sie, geschätzte Leserin, geschätzter Leser, als Kind gute Erfahrungen mit Brett- und Gesellschaftsspielen gemacht? Wenn ja, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Sie heute noch als Erwachsene gerne spielen. Umgekehrt ist es aber auch so, dass Sie fröhliche Spielrunden eher meiden oder sich gar als Nichtspieler bezeichnen, wenn die Erinnerungen an Spielnachmittage in der Familie negativ belastet sind. Denn die persönliche Spielebiographie, die jeder Mensch besitzt, wird wie viele andere seiner Eigenschaften in den ersten Lebensjahren geprägt.

Damit ist auch klar, worauf die Anbieter von Brett- und Gesellschaftsspielen bei der Nachwuchspflege besonderen Wert legen müssten – auf Titel, die Kindern tolle Spielerlebnisse vermitteln. Und dies in Konkurrenz zur digitalen Spielwelt, die auf Kinder ab dem dritten Lebensjahr eine unheimliche Faszination ausübt, wie man leicht festellen kann, wenn man ihnen zuschaut, mit welcher Begeisterung sie auf Smartphones, Konsolen und Laptops herumdaddeln. Wenn das herkömmliche (analoge) Kinderspiel nichts Gleichwertiges oder gar Stärkeres bietet, hat es verloren, bevor der Wettbewerb der Unterhaltungsmedien und die Gunst der Jugendlichen überhaupt richtig begonnen hat.

Durchblick ist kaum möglich

Nur, welches sind die Titel, die Kindern ein tolles Spielerlebnis vermitteln? Welche die Basis für eine Spielebiographie legen, in der das herkömmliche Brett- und Gesellschaftsspiel einen zentralen Platz einimmt? Das Angebot ist riesig, und jährlich kommen mehrere hundert Neuerscheinungen auf den Markt. Wer kann da behaupten, er habe den Durchblick? Um so bedeutender ist die Ratgeberarbeit, welche die Jury «Kinderspiel des Jahres» als Teil der Jury «Spiel des Jahres» für Eltern und Erziehende leistet.

Am vergangenen Montag hat die Kinderspiel-Jury in Hamburg ihre diesjährigen Entscheide, die auf einer intensiven Auseinandersetzung mit den Neuerscheinungen auf dem Markt basieren, bekanntgegeben: «Kinderspiel des Jahres» ist «Tal der Wikinger», das sich als Preisträger gegen die ebenfalls nominierten «Fabulantica» und «Go Gecko Go!» durchgesetzt hat (nähere Angaben am Ende des Artikels). Anhand dieser drei Spiele lässt sich nun sehr gut illustrieren, wie die Verlage Kinder ab Vorschulalter zum Spielen verführen wollen. Bemerkenswert scheinen mir die folgenden Punkte:

Thema, Material und Gestaltung: Anders als bei Titeln für Erwachsene ist die thematische Einbettung bei den Kinderspielen von vorrangiger Bedeutung. Auf Tiere, Märchen- und Fabelwesen oder populäre Figuren aus der Geschichte sprechen Fünf- bis Achtjährige besonders an. Spiele mit entsprechenden Motiven auf dem Cover haben daher von vornherein einen Aufmerksamkeitsbonus. Ich bin überzeugt, dass «Tal der Wikinger», «Fabulantica» und «Go Gecko Go!» auch dank ihren Themen beim jungen Zielpublikum punkten werden. Ansprechend sind sie auch, was Aufmachung, Material und Gestaltung betrifft.

Origineller Mix ist erfolgversprechend

Spielidee: Es gibt Spielideen oder -mechanismen, die bei Kindern hervorragend ankommen. Gefragt sind namentlich Herausforderungen, bei denen Geschicklichkeit oder Merkfähigkeit auf die Probe gestellt werden. Ebenfalls beliebt sind in dieser Zielgruppe Wettrennen, bei denen der Würfel das Tempo bestimmt. Erfolgversprechend bei Kindern ist immer auch ein origineller Mix verschiedener Mechanismen und Ideen. Das Nebeneinander von Taktik, Geschicklicheit, Würfelzufall und Memory-Effekten vermeidet spieltötende Langeweile. «Tal der Wikinger», «Fabulantica» und «Go Gecko Go!» sind gute Beispiele für das Zusammenspiel verschiedenster Ideen, wobei vor allem «Tal der Wikinger» durch die gelungene Verbindung von Geschicklichkeits- und Taktikelementen besticht, die durch den Faktor Haptik zusätzlich noch verstärkt wird: Das Spiel dreht sich um das jährliche Wettkegeln der kleinen Wikinger, was auf dem Brett mit Kugel und Holzfässern witzig simuliert wird. Ich vermute, dass dieser Zusatzfaktor ausschlaggebend dafür war, dass «Tal der Wikinger» vor den anderen beiden Spielen die Auszeichnung «Kinderspiel des Jahres» gewonnen hat.

Emotionen: Ein Kinderspiel kommt nur dann immer wieder auf den Tisch, wenn es Emotionen auslöst. Das entsprechende Bedürfnis können selbst einfachste Mechanismen, wie man sie etwa vom klassischen Bestseller «Uno» her kennt, befriedigen. Zentral ist der Aufbau von Spannung, welche die Teilnehmenden solange ans Spiel fesselt, bis sie sich zum Ende schlagartig in Freude oder Frust auflöst. Solche Spannung bieten «Tal der Wikinger», «Fabulantica» und «Go Gecko Go!», wobei sie nicht nur einen einzigen Spannungsbogen über den gesamten Spielverlauf hinweg, sondern immer wieder verschiedene spannungserzeugende Elemente anbieten. Und wo Spannung herrscht, ist auch für Unterhaltung gesorgt, ein Muss in jedem gute Kinderspiel.

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Preisträger «Kinderspiel des Jahres»:
Tal der Wikinger: Taktisches Geschicklichkeitsspiel von Wilfried und Maria Fort für 2 bis 4 Spielerinnen und Spieler ab 6 Jahren. Haba-Spiele, ca. Fr. 30.-

Nominiert zum «Kinderspiel des Jahres»:
Fabulantica: Merkspiel von Marco Teubner für 2 bis 5 Spielerinnen und Spieler ab 6 Jahren. Pegasus-Spiele, ca. Fr. 30.-
Go Gecko Go!: Wettrennen von Jürgen Adams für 2 bia Spielerinnen und Spieler ab 6 Jahren. Zoch-Spiele, ca. Fr. 40.-


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Spielekritiker für das Ausgehmagazin «Apéro» der «Luzerner Zeitung». War lange Zeit in der Jury «Spiel des Jahres», heute noch beratendes Mitglied, in dieser Funktion nicht mehr aktiv an der Juryarbeit beteiligt.

Zum Infosperber-Dossier:

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