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Saab-Verkäufer Ueli Maurers Richtlinie für Leserbriefe seiner Angestellten © cc

Maurer schreibt den VBS-Leuten «Unethisches» vor

upg /  Ehrenrat des PR-Verbands kritisiert Bundesrat Maurers Richtlinien: Leser sollen wissen, aus welcher Küche Leserbriefe stammen.

Wenn Angestellte in Bundesrat Maurers Verteidigungsdepartemt VBS in Zeitungen Leserbriefe zum Gripen-Kauf veröffentlichten oder im Internet Meinungen zum Gripen verbreiten, dürfen sie nicht verraten, dass sie Angestellte des VBS sind. Solche öffentlichen Meinungsäusserungen dürfen nur mit «Vorname, Nachname und Wohnort» unterschrieben werden. Diese von Bundesrat Maurer erlassene Verhaltensrichtlinie hatte die NZZ öffentlich gemacht.
Die verordnete Intransparenz hält Rika Brademann für «unsauber» und «unethisch». Brademann ist Mitglied des Ehrenrats des «Schweizerischen Public Relations Verband» SPRV. Der Ehrenrat konkretisiert die Grundsätze zur Integrität von PR-Aktivitäten, die in zwei internationalen Kodizes festgeschrieben sind. «Es sollte für Leserinnen und Leser transparent sein, wenn ein Leserbriefschreiber ein Produkt oder Anliegen seines Arbeitgebers verteidigt», erklärt Brademann. Peter Eberhard, Präsident des SPRV, interpretiert die ethischen Richtlinien «persönlich» auch so, dass Angestellte ihren Arbeitgeber angeben sollten, wenn sie in Leserbriefen Interessen ihres Arbeitgebers verteidigen.

«Ärgerlich, aber rechtlich erlaubt»

Für die Öffentlichkeit sei das Verschweigen des VBS als Arbeitgeber «etwas ärgerlich», meint Arbeitsrechtsprofesssor Thomas Geiser der Universität St. Gallen, «weil Leserbriefe von VBS-Mitarbeitenden zugunsten des Gripen wohl ein geringeres Gewicht haben als Leserbriefe von Bürgern, die sich um die Sicherheit des Landes sorgen.» Doch aus rechtlicher Sicht sei das verordnete Verschweigen des Arbeitgebers nicht zu beanstanden. Die VBS-Richtlinie habe den Vorteil, dass VBS-Angestellte Leserbriefe ausdrücklich auch gegen den Kauf der Gripen verbreiten dürfen.
Allfällige Gegner des Gripenkaufs innerhalb des VBS sollten ohnehin nicht befürchten müssen, dass sie als Angestellte des Bundes gegen die Treuepflicht ihres Arbeitgebers verstossen, wenn sie ihre Gripen-Skepsis in Leserbriefen oder sonstwo öffentlich kundtun. Denn ob der Kauf des Gripen im Interesse des Bundes ist, «wird erst das Volk bei der Abstimmung entscheiden», sagt Professor Geiser.

Treuepflicht gegen Meinungsäusserungsfreiheit

Vom Bundeshaus bis zu den Medien weibelt die Kommunikations- und Wirtschaftsberatungsfirma «Hirzel.Neef. Schmid.Konsulenten» aus Zürich im Auftrag von Saab für den Kauf des Gripen. Auch hier wäre es für Ehrenrätin Rika Brademann «unethisch», wenn Hirzel-Mitarbeitende als Privatpersonen öffentlich Gripen-Propaganda machen würden, ohne transparent zu machen, dass sie für Hirzel arbeiten.
Bei einer privaten Beraterfirma sei die Interessenabwägung zwischen der Meinungsäusserungsfreiheit und der Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber «noch heikler» als beim Bund, sagt Arbeitsrechts-Professor Geiser. Äusserungen gegen den Gripen-Kauf lägen kaum drin. Ein öffentliches Auftreten ihrer Mitarbeitenden gegen den Gripen könnte Hirzel seinen Angestellten sogar verbieten. Denn die Firma könnte ihren Auftrag verlieren.
Was bei solchen Leserbriefen allfällige Sanktionen betrifft, seien «Rechtssprechung und Literatur so gut wie unbeackert», sagt der auf Arbeitsrecht spezialisierte Wetziker Anwalt Roger Rudolph. Je exponierter oder höher gestellt ein Mitarbeiter in der Firma sei, desto eher greife die Treuepflicht zum Arbeitgeber auf sein Privatleben über. Nach geltender Rechtslage würden Arbeitnehmende «ein Stück weit ihre persönliche Meinungsäusserungsfreiheit aufgeben», wenn sie ein Arbeitsverhältnis aufnehmen. Ein öffentliches Schlechtmachen des Arbeitgebers liege schon gar nicht drin. Mitarbeitern würde Rudolph «dringend abraten, sich öffentlich negativ über ein wichtiges Geschäft des Arbeitgebers zu äussern». Ein Richter könnte dies als Verletzung der Treuepflicht taxieren.

Keine Versteckspiele

Falls sie Leserbriefe zugunsten des Gripen unter ihren persönlichen Namen verbeiten, sollten Hirzel-Angestellte angeben, dass sie für Hirzel tätig sind, erklärt Rika Brademann. Sonst würden sie gegen den Ethik-Kodex der PR-Branche verstossen.
Auch gemäss Bernhard Müller, ebenfalls Mitglied des Ehrenrats des PR-Verbands, sind verdeckte Leserbriefe von Angestellten von Verbandsmitgliedern laut Ehrenkodex nicht erlaubt. Es müsse ersichtlich sein, dass ein solcher Leserbrief von einem Angestellten einer PR-Firma stammt. Die Angestellten sollten auch nicht in der Freizeit unter ihrem persönlichen Namen sozusagen privat Leserbriefe zu Themen schreiben, welche Kunden der Firma direkt betreffen. Nicht ganz so streng sieht es SPRV-Präsident Eberhard. Gegen die Ethik-Kodizes würden lediglich «systematische Kampagnen» verstossen.
Aloys Hirzel: «Das käme niemandem in den Sinn»

Eine Empfehlung, was Angestellte schreiben dürfen, gebe es bei seiner Kommunikationsfirma nicht, erklärt Mitinhaber Aloys Hirzel gegenüber Infosperber. Doch «aus berufsethischen Gründen» würde es «niemandem von uns in den Sinn kommen, Leserbriefe zu einem Produkt eines Unternehmens zu schreiben, das wir beraten».

Zu Kontrollieren ist das schwierig. Eine Kontrolle der Leserbrief-Redaktionen findet kaum statt. Manche PR-Firmen nutzen Namen von Bekannten oder andern Familienmitglieder.
Keine «berufsethischen Bedenken» hat Susanne Steimer Miller, die kürzlich online im Newsnetz, in der NZZ und auf der SRF-Webseite die teuren Preise von Generika verteidigte. Sie erwähnte nicht, dass sie seit 14 Jahren für die «Mepha Pharma AG» PR betreibt. Sie habe ihre Lesermeinung «aus voller Überzeugung als Privatperson» verbreitet, sagt Steimer.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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6 Meinungen

  • am 5.03.2014 um 17:10 Uhr
    Permalink

    Nun melden sich die Saubermänner und -frauen vom Dienst zum Dienst! Sie stellen unnötige unsinnige Forderungen! Soll denn in Zukunft jeder Leserbriefschreiber den Namen seines Arbeitgebers veröffentichen, das wäre der Tod der Leserbriefe! Tatsächlich steht die Treuepflicht gegen die Meinungsäusserungsfreiheit. Kein Angestellter würde es sich mehr erlauben, Leserbriefe zu schreiben. Stellen Sie sich doch all die geprellten Banker vor, die Leserbriefe schreiben und kundtun, sie arbeiteten für die Credit Suisse, die Forderung von Rika Brademann ist weltfremd und grotesk. – Man könnte natürlich auch fordern, dass nur Leserbriefe gegen den «Gripen» zulässig wären….. Das würde all die Linken Brüder und Schwestern natürlich freuen! Und wie war das denn schon wieder im Vorfeld der Abzockerinitiative und der economiesuisse??? Nein, der mündige Bürger bildet sich seine eigene Meinung, Leserbriefe dienen ihm höchstens zur Bestätigung seiner eigenen Meinung. Und Abstimmungen können selbst nicht von Bundesräten beeinflusst werden, sonst wäre die SVP-Masseneinwanderungsinitiative aufgrund der Massenpropaganda der Bundesräte Sommaruga und Schneider-Ammann verworfen worden. Gut so!

  • Portrait.Urs.P.Gasche.2
    am 5.03.2014 um 17:24 Uhr
    Permalink

    @Düggelin. Eine offene demokratische Auseinandersetzung setzt Transparenz voraus. Wenn ein CS-Banker Aktivitäten der CS kritisiert oder lobt, ist es für die Lesenden wichtig zu erfahren, dass der Leserbriefschreiber bei der CS arbeitet oder bis vor kurzem bei der CS gearbeitet hat. Von der CS hat er nicht mehr zu befürchten, als wenn er nur mit seinem (richtigen) Namen unterschreibt. Anonyme Meinungen wollen wir schon gar nicht lesen, ausser es handelt sich um einen Whistleblower.
    Wenn Leserbriefe Abstimmungen nicht beeinflussen können: Weshalb gibt es denn vor Abstimmungen ganze Leserbrief-Kampagnen?

  • am 5.03.2014 um 18:02 Uhr
    Permalink

    @Gasche. Bezüglich Transparenz einverstanden, so weit möglich, aber wenn jeder seinen Arbeitgeber kundtun müsste in einem Leserbrief gäbe es keine Leserbriefe mehr, da ist jetzt einmal Fakt! Schmutzige Wäsche muss nicht in den Zeitungen gewaschen werden und einem entlassenen Banker nützt es wenig, dies in einem Leserbrief zu erklären, das gilt natürlich auch für andere Branchen! Kein Angestellter begeht unnötigerweise mit unangenehmen Facts an die Oeffentlichkeit «Selbstmord» um danach die Stelle zu verlieren! Stimmt, anonyme Meinungen sollten wir nicht lesen und sollten auch nicht veröffentlicht werden. Das bedeutet aber auch Anstand und Respekt für Andersdenkende und deshalb kann man dann auch Leserbriefe verfassen. Die Leserbriefkampagnen werden nicht dazu gestartet, das Volk zu «bilden» sondern sie dienen den Schreibenden als «Ventil ihrer Meinung» und den Zeitungen als willkommene Zeitungsfüller, die erst noch gratis sind, der Leserbriefschreiber bekommt ja kein Zeilengeld, selbst wenn er einen Artikel z.B. in der NZZ: Meinung und Debatte veröffentlichen darf, oder doch? Sie müsse dies ja wissen, aufgrund Ihrer Journalistentätigkeit, Herr Gasche! Oder dürfen Sie da keine Transparenz herstellen?

  • am 5.03.2014 um 23:47 Uhr
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    @Düggelin. Wenn ein Angestellter nicht anonym, also unter seinem Namen über seinen Arbeitgeber schreibt, so erkennt ihn der Arbeitgeber, also dürfen ruhig auch die übrigen – nicht eingeweihten – Leser wissen, dass er über/zu Gunsten bzw. zu Ungunsten seines Arbeitgebers schreibt. Wenn er solche Zusammenhänge verstecken will, soll er nicht schreiben! Anonyme Angriffe sind widerlich.
    Ich finde die Offenlegung von Interessen(-bindungen) wie sie auch bei infosperber gehandhabt wird, sehr gut und ärgere mich darüber, dass dies auch auf Regierugsebene immer noch stark vernebelt wird.

  • am 6.03.2014 um 07:59 Uhr
    Permalink

    @Graafhuis. Sie haben mich nicht richtig gelesen, oder zumindest nicht richtig interpretiert. Es geht nicht um anonyme Angriffe, jeder Blogbeitragende oder Leserbriefschreiber «muss» mit seinem Namen geradestehen, das heisst aber nicht, dass es doch nicht einen Datenschutz geben muss, oder muss der Leserbrief-schreiber neben seinem Arbeitgeber noch seine persönliche Identität offenlegen, z.B. wievielmal verheiratet, wieviele uneheliche Kinder, ob vorbestraft oder nicht, welcher Partei zugehörig?……Was heisst denn Offenlegung von Interessenbindungen? Muss ein CVP-Mitglied offenlegen, dass es schon einmal für die SVP gestimmt hat?
    Mehr Licht im Dunkel ist in er Politik ein Muss! (vgl. NZZ v. 4.3.14: Lobbying durch die Hintertür.) Vielleicht sollten sich die Saubermänner und -frauen mal das neue Buch von Thilo Sarrazin: «Der neue Tugendterror» zu Gemüte führen….

  • am 6.03.2014 um 10:40 Uhr
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    Der Infosperber leidet am grauen Star und blendet die intransparenten Elefanten in den Ämtern aus und leuchtet auf die Mücken, die zudem rechtens sind.
    Vielleicht wäre eine Offenlegung der Infosperper-Spendengelder (inklusive Arbeitgeber und parteizugehörigkeit) eine vorbildliche Haltung in Sachen Transparenz?
    Und den Ehrenrat des PR-Verbands in Sachen Transparenz zu zitieren kommt in etwa gleich, wie wenn man die NSA in Sachen «Schutz der Privatsphäre» zitiert.

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