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Schweizer Käseproduktion – ohne Alp-Romantik: Beim Industriekäse "Mascarpone" geht es nur ums Geld. © schweizerkaese.ch

Die Angst der Behörde vor Käse-Transparenz

Eveline Dudda /  Nicht nur der Emmentaler hat Löcher. Auch bei der Verteilung der Verkäsungszulage des Bundes – 265 Mio Franken – gab es ein Loch.

Es gibt Leute, die spielen Bingo. Und es gibt Leute, die erkundigen sich beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) nach Verfügungen über unrechtmässig bezogene Verkäsungszulagen. Das Ergebnis ist in beiden Fällen gleich: Nur mit viel Glück landet man einen Treffer. Und das liegt nicht daran, dass es zu wenig Verfügungen gibt.

Die Verkäsungszulage wurde 2002 als Begleitmassnahme des Käsefreihandels mit der EU eingeführt. Damals war klar: Wenn der Freihandel mit der EU spielt, werden Schweizer Käsepreise in Richtung EU-Käsepreise sinken. Das gilt folglich auch für die zu Käse verarbeitete Milch. Wenn die Bauern für verkäste Milch aber nur noch den EU-Preis, für Milch, die zu Pastmilch, Joghurt oder Butter verarbeitet wird, jedoch den höheren Schweizer Preis erhalten, werden sie die Käsereien kaum noch mit Milch beliefern. Die Verkäsungszulage soll den Rohstoff Milch für die Käser zwar soweit verbilligen, dass sie Käse ohne Exportbeihilfe in die EU ausführen können. Sie soll aber den Bauern zustehen, damit diese weiterhin Milch liefern. Die Zulage in Höhe von 15 Rappen pro Kilo verkäster Milch wird jedoch der Einfachheit halber den Käsereien ausbezahlt. Deshalb kontrolliert das Finanzinspektorat, eine unabhängige Kontrollstelle des BLW, stets, ob die 260 Mio. Franken jährliche Verkäsungszulage auch korrekt verwendet werden. Ist das nicht der Fall, dann stellt das BLW Verfügungen aus. Weil es sich bei Verkäsungszulagen um Steuergelder und bei den Verfügungen um urteilsähnliche Entscheide handelt, hat die Öffentlichkeit ein gewisses Interesse zu erfahren, ob und wie die Zulagen möglicherweise missbraucht wurden. Und dafür gibt es das Mittel der Akteneinsicht.

Transparenz unerwünscht
Doch mit solchen Akteneinsichtsgesuchen tut sich das BLW schwer. Auf eine Anfrage im November 2013 um Einsicht in die Verfügungen des aktuellen Jahres lieferte das Amt nur die Verfügungen des Vorjahres aus. Das BLW hielt eine Verfügung nämlich erst dann für eine richtige Verfügung, «wenn alle Fristen vorbei sind und das Geld verrechnet ist.» Solange das Geld nicht auf dem Konto war, gewährte das BLW folglich auch keine Akteneinsicht. Es gab nicht einmal bekannt, wie viele Verfügungen es im laufenden Jahr ausgestellt hatte. Beim Finanzinspektorat wusste man zum selben Zeitpunkt immerhin von der Existenz von zwei «abgeschlossenen» Verfügungen. Erst ein paar Wochen – und einige Anfragen – später, gab der Rechtsdienst des BLW zu, dass bis zu diesem Zeitpunkt 14 Verfügungen ausgestellt worden waren, 13 davon waren bereits rechtsgültig.

Warum das BLW diese Verfügungen partout nicht rausrücken wollte, ist schwer verständlich. Denn die Verfügungen stellen der Behörde eigentlich ein gutes Zeugnis aus. Sie belegen zum Beispiel, dass die Kontrollen äusserst penibel durchgeführt werden. Das Finanzinspektorat merkt sogar, wenn jemand zu wenig verkäste Milch gemeldet hat. Und es ahndet auch Bagatellsummen in Höhe von 12 bis 95 Franken. Dass sich die falsch gemeldeten Mengen mehrheitlich im Promille-Bereich bewegen, zeigt zudem, dass sich der Missbrauch in Grenzen hält. Zumindest bei den 13 Verfügungen, in die das BLW Einsicht gewährte.

Doppelte Zulage dank lausiger Bundessoftware
Anders sieht es bei der 14. Verfügung aus. Die war Ende November zwar noch nicht rechtskräftig, aber Grundlage für ein publiziertes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Darin ging es um einen Mascarpone-Hersteller, der für dieselbe Milch gleich zweimal Verkäsungszulage kassiert hat: Das erste Mal für Milch, die er normal verkäste, und das zweite Mal für den Rahm, den er der verkästen Milch zuvor abgeschöpft und danach zu Mascarpone verarbeitet hat. Im Gegensatz zu normalem Käse wird Mascarpone nämlich nicht aus Milch, sondern aus Rahm hergestellt. Eine doppelte Verkäsungszulage ist vom Gesetzgeber aber nicht vorgesehen. Zudem hätte das Geld ja an die Bauern fliessen müssen. Bislang ist aber kein Bauer bekannt, der in den letzten zwei Jahren jemals die doppelte Verkäsungszulage (das wären dann immerhin 30 Rappen pro Kilo Milch) erhalten hat.

Der Fall kam vors Bundesverwaltungsgericht, weil sich der Mascarpone-Produzent weigerte, die doppelt bezahlte Zulage von 100’000 Franken zurückzuzahlen. Dass der Käser nicht auch noch ein Strafverfahren am Hals hat, verdankt er einem Programmierfehler: Die Treuhandstelle Milch stellt im Auftrag des BLW den Käsereien nämlich eine Software zur Verfügung, mit welcher die Daten an die Zahlstelle übermittelt werden können. Und diese Software war mangelhaft. Sie hatte keine Funktion, die überprüft, ob der zur Mascarpone verarbeitete Rahm womöglich aus Milch gewonnen wird, für die bereits einmal Verkäsungszulage bezahlt wurde. Das wirft ein wenig schmeichelhaftes Licht auf die Behörden. Und es hinterlässt den Verdacht, dass das BLW die Akteneinsicht genau aus diesem Grund verhindern wollte.

Keine Steuergelder mehr für Mascarpone
Die Verkäsungszulage pro Kilo verkäste Milch beträgt grundsätzlich 15 Rappen. Beim Mascarpone wurde sie jedoch nach Fettgehalt berechnet, da Mascarpone im Unterschied zu normalem Käse nicht aus Milch, sondern aus Rahm hergestellt wird. Pro Kilo Mascarpone mit 80 Prozent Fett zahlte der Bund also eine Zulage von rund 1,65 Franken aus. Diese Zulage wurde per 1.Januar 2014 nun gestrichen. Ob das eine Folge davon ist, dass beim Mascarpone teilweise doppelte Zulagen kassiert, oder zu hohe Fettgehalte angegeben wurden, ist unklar. Sicher ist nur, dass der Bund neuerdings etwa 1,4 Mio. Franken pro Jahr einspart, was bei 265 Millionen Franken Verkäsungszulage im Jahr rund ein halbes Prozent ausmacht. Letztes Jahr wurden rund 900 Tonnen Mascarpone produziert, etwa ein Drittel davon ging in den Export.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Eveline Dudda ist freie Agrarjournalistin in Hinterforst SG.

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