Sperberauge

Das grosse Versagen der Ökonomie

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des AutorsÖkonom, lic.oec. ©

Markus Mugglin /  Beim Thema Klimawandel steht es um die Ökonomie noch schlechter als vermutet.

«Die akademischen Ökonomen lassen die Welt im Stich», beklagen Nicolas Stern und Andrew Oswalt, zwei Angehörige dieser Profession, die an der London School of Economics und der Warwick University lehren. Ihr Urteil basiert auf einer breit angelegten Recherche über wissenschaftliche Artikel zum Klimawandel in neun renommierten Fachpublikationen der Ökonomie. Rund 77’000 Artikel hatten sie in ihre Recherche mit den Suchwörtern «Climate OR Carbon OR Warming» einbezogen und die dadurch selektionierten Texte noch einzeln geprüft. Das Resultat: Nur 57 Treffer – also weniger als ein Promille aller Artikel. Für Stern und Oswalt steht die Zahl für das „grosse Versagen“ des Berufsstandes.
In der in Fachkreisen am häufigsten zitierten Publikation, dem «Quarterly Journal of Economics», fanden Sachs und Oswald nicht einen einzigen wissenschaftlichen Artikel zum Klimawandel. Nicht viel besser schneiden vier andere der neun untersuchten Fachzeitschriften ab, die zwei bis vier Artikel zu der für die Welt schicksalhaften Frage publiziert haben. Nur „American Economic Review“ bringt es mit 19 Artikeln auf eine zweistellige Zahl wissenschaftlicher Texte zum Klimawandel.
Auch die abnehmende Biodiversität ignorieren die Ökonomen. Das ergab eine Studie, die Andrew Oswalt zusammen Amanda H. Goodall von der CASS Business School von London durchgeführt hat. In 50 Fachzeitschriften fanden sie ab Jahrgang 2000 nur elf Artikel zu dem für die Menschheit ebenfalls drängenden Problem.
Es gibt zwar einige Ausnahmen unter der Ökonomen-Gilde, die es in die Fachzeitschriften schaffen. Nicolas Stern selber ist einer, der 2006 mit dem sogenannten „Stern Report“ über die wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels Aufsehen erregt hatte. Oder William Nordhaus, der 2018 mit dem Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften geehrt wurde.
Doch die Differenz zu den Naturwissenschaftlern könnte grösser kaum sein. Sie liefern seit 50 Jahren wissenschaftliche Evidenz für die menschengemachte Erwärmung. Um den Trend zu kehren, wären die Ökonomen besonders herausgefordert. Doch sie ziehen es offensichtlich vor, sich ihre eigenen Welten zu modellieren.

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Zur hier erwähnten Studie
Why are economists letting down the world on climate change?
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Zum Infosperber-DOSSIER
Die Klimapolitik kritisch hinterfragt
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Ökonom, lic.oec.

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5 Meinungen

  • am 7.02.2020 um 10:47 Uhr
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    Die Hauptproblematik, wieso das so ist, sehe ich darin, dass unser Bildungssystem eben keine Ökonomen, sondern Chrematisten (oder Chrematistiker?) ausbildet. Die Begriffe führte Aristoteles ein. Der Ökonom wirtschaftet im Interesse aller, der Chremtistiker im Interesse der Geldvermehrung (darf auch mal gegoogelt werden). Dass die westliche Zivilisation eine Chrematistik und eben keine Ökonimie hat, ist evident. Nur logisch, befassen sich unsere «Ökonomen» grösstenteils nicht mit dem Klimawandel. Und tuen sie es trotzdem, wie z.b. aktuell Black Rock, dann sind die Lösungen eben chrematistischer Natur. Die Lösungen für die Chrematistiker um den Klimawandel zu bekämpfen sind: Umlenken von Finanzströmen, einführen oder erhöhen von Abgaben um so eine pseudo grüne Wirtschaft zu finanzieren (new green Deal) und damit das eventuell grösste Konjunkturpaket in der Geschichte der Menschheit zu schnüren um das gegenwärtige Geld- und Herrschaftssystem am Leben zu halten: Den Kapitalismus; das perfekte, chrematistische System.

    In ein ähnliches Horn bläst, wenn auch nicht ganz so radikal formuliert wie ich, der Physiker Hans Peter Zepf in seinem Kommentar im Rubikon:

    https://www.rubikon.news/artikel/fragwurdige-retter

    P.S.
    Dass trotzdem ständig der Begriff Ökonomie verwendet wird anstatt der zutreffende Begriff Chrematistik, welcher kaum bekannt ist, beweist wie verdreht die Wahrnehmung unseres wirtschaften in der Gesellschaft ist.

  • am 7.02.2020 um 13:25 Uhr
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    Warum ist das so? Weil eben Ökonomie eine Religion ist und keine Wissenschaft: Die «Zeit Hamburg» schrieb in «Zeit der Ökonomen» schon im alten Jahrtausend:
    "Ökonomie, formal korrekt, präzise und völlig nutzlos…» Heute wissen wir mehr.
    Mit diesen Pseudowissenschaften lässt sich die Welt zugrunde richten, nicht zuletzt auch durch gezieltes Schweigen.

  • am 7.02.2020 um 17:40 Uhr
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    Interessant wäre es gewesen von Herrn Mugglin zu erfahren, inwiefern die Ökonomen die Welt in Zusammenhang mit dem Klimawandel im Stich lassen. Das geht für mich aus dem Artikel nicht hervor. Was erwartet denn der Autor von den Ökonomen in diesem Bereich?
    Ich lese regelmässig in Zeitungen Interviews mit Ökonomen, die sich für z. B. für Lenkungsabgaben auf Schadstoffen stark machen – vor kurzem auch Fehr von der Uni Zürich. Das Problem scheint mir sei Jahrzehnten theoretisch gelöst, es happert allerdings etwas bei der Umsetzung von Lenkungsabgaben….

  • am 8.02.2020 um 16:06 Uhr
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    #Joel Christen
    Die Ökonomen sind Diener der Macht, wenn sie das sagen, was die Mächtigen wollen. Ansonsten sind sie Rufer in der Wüste. Sie haben recht, Herr Mugglin klagt die Falschen an. Übernationale SA’s (Société Anonyme) mit beschränkter Haftung sind das Problem.
    Wachstum und Gewinn bis zum Untergang begründen SA’s mit ökonomischen Religionen und weichen nationalen Gesetzen aus um ihre Religion zu vollstrecken.

  • am 10.02.2020 um 13:21 Uhr
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    Vor kurzen ging mir der Gedanke durch den Kopf, dass doch weder Politik noch Wirtschaft in erster Linie die verlässliche und faire Versorgung der Bevölkerung im Fokus haben, sondern es geht nur noch darum, besser zu sein als die anderen, weil sonst im internationalen Wettbewerb der eigene Untergang droht. Dies treibt das Hamsterrad bis zum Bersten, bzw. bis zum Ruin unseres Planten.
    Danke @Stöckli Marc, jetzt habe ich auch einen Begriff dafür: Chrematistik!

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