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Flugzeuge und Schiffe: Die grössten Dreckschleudern sind im Pariser Klimavertrag ausgenommen © hpgruesen/pixabay/cc

«Schockierend, dass Fliegen nicht besteuert wird»

Stefan Boss, swissinfo.ch /  Angesichts der Bedrohung durch den Klimawandel sollte die Schweiz die Fliegerei besteuern, fordert ETH-Wissenschaftler Florian Egli

Red. Florian Egli schreibt an der ETH Zürich eine Dissertation zum Thema Investitionsentscheide und erneuerbare Energien. Er ist Vizepräsident von foraus, einem jungen Schweizer Thinktank zur Aussenpolitik. Der Volkswirtschaftler nahm als Beobachter an der UNO-Klimakonferenz teil, die vom 6. bis 17. November in Bonn stattfand. Das Interview ist zuerst auf swissinfo.ch erschienen.

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Florian Egli
swissinfo: Wo steht die Schweiz im internationalen Vergleich beim Klimaschutz? 
Florian Egli: Die Bilanz ist durchzogen. Einerseits hat sie vor dem Abschluss des Klimaabkommens 2015 in Paris viel Schwung in die Verhandlungen eingebracht. Sie war das erste Land, welches ein nationales Klimaziel einreichte. Gleichzeitig sind Schweizerinnen und Schweizer grosse Klimasünder. Dies auch angesichts der Tatsache, dass sie viele Konsumgüter importieren, die gar nicht in den Treibhausgas-Statistiken der Schweiz erscheinen, sondern in denen der Herkunftsländer – also zum Beispiel China.
Schweizerinnen und Schweizer isolieren zwar ihre Gebäude besser und verursachen im Haushalt weniger CO2-Ausstoss. Sie fliegen jedoch immer mehr. Darf man angesichts des sich abzeichnenden Klimawandels überhaupt noch fliegen?
Es gibt wichtige Angelegenheiten, die es durchaus rechtfertigen, zu fliegen. Ein Austausch zwischen verschiedenen Regionen der Welt ist wichtig und kann am besten stattfinden, indem man reist oder besser noch, in einem anderen Land wohnt und dort arbeitet. Es gibt einerseits die Geschäftsreisen – in diesem Bereich stagnieren die Flüge, und die Digitalisierung macht es möglich, Meetings abzuhalten ohne zu reisen. Die Zahl der Freizeitreisen dagegen steigt enorm. Ein Städtetrip für zwei Tage zum Beispiel trägt kaum etwas bei zur interkulturellen Verständigung. 
Wie gross ist in der Schweiz der Anteil der durch Flugzeuge ausgestossenen Treibhausgase?
Er beträgt rund 15 Prozent, und es handelt sich um die am stärksten steigende Emissionskategorie. 
Vermögen umweltfreundliche Technologien die Emissionen des Flugverkehrs zu senken? 
Nein, beim Flugverkehr ist keine Lösung in Sicht, deshalb stellt sich die ethische Frage nach dem Verhalten des Einzelnen sehr stark. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass wir in den nächsten 20 bis 30 Jahren eine Technologie entwickeln, um CO2-neutral zu fliegen. Easy Jet ist kürzlich eine Kooperation mit einem Startup eingegangen, das elektrische Flugzeuge baut. Dieses konstruierte als Pilotversuch einen Zweisitzer. Der ist noch sehr weit von einer markttauglichen Linienmaschine entfernt. Zudem stellen sich bei elektrisch betriebenen Flugzeugen viele Sicherheitsfragen. 
Wer in der Schweiz ein Ticket für einen internationalen Flug kauft, bezahlt weder Kerosin- noch Mehrwertsteuer.
Ein Flugticket sollte genau gleich der Mehrwertsteuer unterliegen wie eine andere Dienstleistung. Ich verstehe auch nicht, weshalb Fluggesellschaften keine Mineralölsteuer bezahlen. Beim Autobenzin beträgt diese über die Hälfte des Preises. Beim Heizöl gibt es eine CO2-Abgabe. Da könnte die Schweiz durchaus in eigener Regie etwas ändern. Angesichts steigender Emissionen ist es absolut schockierend, dass das Fliegen nicht besteuert wird.
Sollten die Flugemissionen aber nicht auf internationaler Ebene gesenkt werden?
Absolut. Es wäre auch absolut logisch, dass die Emissionen der Flugzeuge und des internationalen Schiffsverkehrs in die Klimaverhandlungen einbezogen werden. Diese werden nämlich bisher in den nationalen Treibhausgasinventaren gar nicht berücksichtigt. 
Gibt es Bestrebungen, dies zu ändern? 
Im Augenblick nicht. Auch ein Land wie die Schweiz hat wenig Interesse, diese einzubeziehen, weil dann ihre verbuchten Emissionen stark ansteigen würden. Damit würden die Ziele, zu denen man sich verpflichtete, viel ambitionierter. 
Müsste die Zivilgesellschaft Druck aufsetzen?
Ja, es handelt sich um eine Forderung, die immer wieder erhoben wird. Auch von Seiten des aussenpolitischen Think-Tank foraus, dessen Vizepräsident ich bin. 
Solange der Luftverkehr einen markanten Wettbewerbsvorteil gegenüber Strasse und Schiene geniesst, bleibt also nur der moralische Appell an den Einzelnen, möglichst wenig zu fliegen? 
Ja, es bleibt auch der Appell an die Politik, etwas zu unternehmen und beispielsweise das Bahnnetz in Europa zu verbessern. Über 80 Prozent der Flüge, die von der Schweiz aus gebucht werden, gehen nach Europa – und fast 40 Prozent über eine Distanz von weniger als 800 Kilometer. Dies ist eine Strecke, die gut mit dem Zug bewältigt werden kann. 
Was halten Sie davon, die Flugemissionen durch Projekte in andern Ländern zu kompensieren, wie es etwas Myclimate macht? 
Grundsätzlich ist die Kompensation eine gute Sache. Sie funktioniert nach dem Prinzip der geringsten Vermeidungskosten und ist somit in der Theorie effizient. Das Problem ist, dass es eine alte Logik zementiert: nämlich, wir dürfen in den Industrieländern Treibhausgase ausstossen, wenn wir sie in günstigeren Ländern kompensieren. Diese Denkweise müssen wir durchbrechen, wenn wir die Klimaziele erreichen wollen. Die Emissionen müssen überall sinken.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

Zum Infosperber-Dossier:

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3 Meinungen

  • am 25.11.2017 um 09:24 Uhr
    Permalink

    Wie sinnvoll eine Verbesserung auch ist, es folgt immer das Argument: Aber nur, wenn die anderen auch…
    Das macht uns unfähig, vorausschauend zu handeln. Wir handeln erst, wenn das Unglück bereits für jeden sichtbar eingetroffen ist. Wir haben scheinbar noch nicht genügend Vertrauen…

  • am 25.11.2017 um 11:39 Uhr
    Permalink

    Den Flugverkehr nachhaltig zu gestalten, bedeutet weit mehr als nur die Einführung ökologisch wahrer Preise. Deshalb stellt die Kampagne „The Right Price for Air Travel“ ausserdem folgende Forderungen:
    • Verschärfung der Emissionsgrenzwerte für Lärm und Luftschadstoffe, Einführung
    von Immissionsgrenzwerten;
    • Eine Kohärente europaweite Politik zur Kontrolle des Flughafenausbaus;
    • Einführung eines achtstündigen Nachtflugverbots an allen Flughäfen;
    • Risikoabschätzungen für den Flugverkehr, die mindestens so strenge
    Anforderungen erfüllen wie solche in anderen Industriezweigen;
    • Weitreichende Förderung umweltverträglicher Alternativen;
    • Information der Öffentlichkeit über die Umweltauswirkungen des Flugverkehrs
    und Berichterstattung über von der Flugverkehrsindustrie im Umweltbereich
    ergriffene Massnahmen;
    • Reduktion der Lärmbelastung.“
    (Aus http://www.aviationwatch.eu)

  • am 25.11.2017 um 11:56 Uhr
    Permalink

    Wenn man sich einmal vergegenwärtigt, dass jeden Tag auf dieser Erde, sich ca. eine Millionen Passagiere in der Luft befinden, hat das sicher folgen für das Klima. Davon werden am aller ersten, die Milliarden von Menschen betroffen sein, die wohl am wenigsten je ein Flugticket auch wenn es nur ein paar Dollar kosten würde, weil sie sonst verhungern.

    In den westlichen Ländern mit ihren gerade einmal 12% der Weltbevölkerung, verbrauchen aber schon mehr als 40 % der weltweiten Ressourcen auf dieser Erde.

    Auch eine andere Zahl, alleine die 15 größten Frachtschiffe, verschmutzen die Umwelt täglich mehr als, alle geschätzten 800 – 900 Mio. Autos auf dieser Erde, weil diese Schiffe mit Schweröl fahren, also ein Abfallprodukt der Ölindustrie und deshalb billiger. Und diese Liste ließe sich noch unendlich fortführen, was aber kaum im sog. westlichen Mainstream diskutiert wird.

    Mit anderen Worten, ich wäre natürlich für die Besteuerung von Flügen und vielen anderen, dazu gehört auch die gesamte Kreuzfahrten Industrie, aber diese müssten dann auch so besteuert werden, dass es nicht nur wieder die ökonomisch Schwachen sind.

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