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Kreatives Recycling: Alte PET-Flaschen eignen sich bestens als Ziegelersatz © DARE

Hier entsteht ein Haus aus alten PET-Flaschen

Red. /  Eine geniale Idee lindert in armen Ländern die Wohnungsnot und räumt auf mit dem Plastikmüll: Bauen mit leeren Flaschen.

Milliardenfach verdrecken leere Plastikflaschen Länder, Flüsse, Strände und Meere. Besonders schlimm ist das Müllproblem in armen Ländern, wo es keine geregelte Abfallentsorgung gibt. Den Menschen dort fehlt es oft am Nötigsten. Viele leben in improvisierten Behausungen, die kaum zuverlässigen Schutz bieten vor Regen, Kälte und Hitze.

Das Elend der Menschen, die oft buchstäblich im Müll leben, gab den Anstoss zu einer grandiosen Idee: Man könnte doch all die herumliegenden PET-Flaschen wie Mauersteine verwenden und daraus stabile Häuser bauen, überlegte sich Andreas Froese, ein Zimmermann aus Westfalen. Das könnte die Wohnungsnot lindern und gleichzeitig die verschmutzte Umwelt säubern.
Stabil wie Ziegelsteine
Froeses Konzept ist simpel, ökologisch und innovativ: Die leeren PET-Flaschen werden randvoll mit Erde oder Sand gefüllt und zugeschraubt. Dann schichtet man sie wie Ziegelsteine aufeinander und vermauert sie mit Lehm oder Zement. Ein Netz aus Nylonschnüren verbindet sie am Flaschenhals und gibt dem Bau zusätzlichen Halt. Wellblech, Zink oder Stroh dienen als Dach.

2003 baute Froese sein erstes Flaschenhaus in Honduras. Seither hat er weltweit über 50 Projekte realisiert, unter anderem in Mexiko, Bolivien, Senegal, Nigeria, Uganda und Indien. Vor Ort gibt Froese sein Know-how an die Dorfbevölkerung weiter, damit die Leute später in Eigenregie bauen können. Seine Arbeit präsentiert er auf www.eco-tecnologia.com und auf YouTube.

Viele von Froeses Flaschen-Konstruktionen stehen schon seit Jahren. Die Häuser aus alten PET-Flaschen haben Überschwemmungen und sogar leichtere Erdbeben überstanden. Dennoch kosten sie nur einen Bruchteil dessen, was ein «richtiges» Haus aus Ziegelsteinen kostet, denn das wichtigste Baumaterial – die Plastikflaschen – kann man überall auf der Welt gratis aufsammeln. Rund 6000 Flaschen braucht es für ein Haus.
Flaschenhäuser für Flüchtlinge
Von Froeses Recycling-Idee könnten viele arme Menschen profitieren – in Schwellenländern, Katastrophengebieten und in Flüchtlingslagern. So entstehen derzeit mehrere Häuser aus PET-Flaschen in fünf Flüchtlingscamps in der algerischen Sahara, berichtete kürzlich «The Guardian». Seit fast 40 Jahren leben dort in der Region Tindouf rund 160‘000 sahraouische Flüchtlinge in erbärmlichen Verhältnissen – ohne realistische Hoffnung auf Heimkehr. Sie sind geflohen, als Spanien die Kolonie Westsahara aufgab und danach Marokko einen Grossteil des Gebiets beanspruchte. (Über das Schicksal der vertriebenen Sahraouis siehe «Die vergessenen Palästinenser in Nordafrika» auf Infosperber.)
Starke Überschwemmungen in den Jahren 2015/2016 zerstörten zahlreiche Lehmhäuser in den Flüchtlingscamps. Jetzt bauen die Bewohner neue Häuser – aus Plastikflaschen. Das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge, UNHCR unterstützt das Pilotprojekt mit 55‘000 Euro.


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7 Meinungen

  • am 26.08.2017 um 14:26 Uhr
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    Für ein paar Generationen mag dies eine geniale Lösung sein. Nur sind die PET-Flaschen dann immer noch da, und wenn die Bauwerke irgendwann zusammengefallen sind, ist ein Recycling wohl fast nicht mehr machbar. Offenbar gilt auch hier: «Aus den Augen, aus dem Sinn» oder «Nach uns die Sintflut».

  • am 26.08.2017 um 17:48 Uhr
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    Seinerzeit vor ca. 6 Jahren lehrte ich das Konzept der Unternehmung von Andreas Froese kennen. Und ich gebe Frank Peter Dinter recht, der Plastik wird damit nicht aus der Welt geschafft, sondern liegt so einfach gebunden als Bausubstanz irgendwo in der Gegend herum.

    Ich werte mit meiner Aussage nicht das System der EcoTech Unternehmung herab, sondern die Schwierigkeit welche gleich dreifach geschaffen wird. Erstens wie bereits angedeutet, PET oder Plastik bleibt in der Umwelt und schafft nun Wohnraum. Also ist es ein Umfunktionieren alter Zwecke.

    Was aber wird nach 500 Jahren aus den dann zurückzuführenden mit Erdreich gefüllten PET-Flaschen?

    Ist die Erde nach einer solchen Zeitspanne noch dies was sie am Tag des Abpackens war? Hat sie noch die selben Funktionstüchtigkeiten wie vor 500 Jahren?

    Was wird mit den Mikropartikeln aus Plastik?

    Nun gut, es wurde Lebensqualität geschaffen die wünschenswerter Weise gut genutzt wird und eine damit entschärftere Situation geschaffen wurde um ökologisch bessere Verfahrensweisen zu schaffen für die Zukunft.

    Alles Gute wünschend an Andreas Froese.

  • am 26.08.2017 um 18:11 Uhr
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    die Idee und die Umsetzung, Häuser aus PET Flaschen zu bauen, ist so grandios, daß sie gar nicht genug gewürdigt (auch finanziell!) werden kann ! Jetzt, gerade jetzt brauchen die Menschen in den genannten Ländern Hilfe ! Ich bin zuversichtlich, daß unsere Umwelttechnologen in der Zukunft Entwicklungen machen werden, die die oben genannten Probleme auch lösen werden ! Gäbe es einen» Umwelt-Oskar» ich würde ihn Herrn A. Froese verleihen !

  • am 26.08.2017 um 23:23 Uhr
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    Liebe Frau Beranek, als ich Kind war, lehrte mich meine Mutter – auch unter Zuhilfenahme von Prügeln – dass ich den Dreck, den ich gemacht habe, gefälligst auch selber zu beseitigen hätte. Heutzutage machen wir als Elterngeneration Dreck ohne Ende (z.B Atommüll und eben auch Plastikmüll) und erwarten ganz selbstverständlich von unseren Kindern, Kindeskindern, Kindeskinderkindern usw.usf., dass diese gefälligst hinter uns her aufzuräumen hätten, natürlich wohl wissend, dass wir uns nicht vor deren Prügeln fürchten müssen, weil wir dannzumal ja in unseren Endlagerstätten entsorgt sein werden.

  • am 27.08.2017 um 08:24 Uhr
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    Die Kritik, die hier in den Kommentaren geäussert wird, ist sicher berechtigt. Nur: Solange die Idee von Froese keine besser verhindert oder verzögert, solange nicht extra Flaschen produziert oder konsumiert werden, um damit Häuser zu bauen, solange ist es eine gute Sache, denn die Alternativen sind allesamt schlechter.

    Die Frage nach der Entsorgung – egal ob als Recycling, Verbrennung, (End-) Lagerung oder was auch immer – stellt sich bei absolut jedem Produkt. Je länger jedoch ein Rohstoff in Gebrauch ist, desto sinnvoller ist dessen Einsatz. Eine PET-Flasche hat eine normale Gebrauchsdauer von wenigen Monaten, beim Endkunden gar nur Wochen. Mit der Verwendung als Hausbau-Bestandteil wächst diese zu Jahrzehnten an. Diese (zeitliche) Wandlung rps. Verbesserung (bestimmt gibt es Fachwörter dafür, ich kenne sie nicht) ist kaum zu übertreffen.

  • am 27.08.2017 um 15:59 Uhr
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    Geht es um nachhaltiges oder enkeltaugliches Handeln, so werden meist die ‹5R› angewendet: Replace, Refuse, Reduce, Reuse, Recycle angewendet (ersetze, weise zurück, reduziere, verwende wieder, rezykliere). Erweitern lassen sich diese Maximen durch «Rethink» an erster Stelle, denn die Reihenfolge ist auch wichtig. Manche nennen noch «Repurpose», also einem neuen Verwendungszweck zuführen. Das ist, was mit dem Hausbau aus PET-Flaschen geschieht. Es ist also auf jeden Fall eine gute Sache, bis zu einer noch besseren Idee. Denn womit sonst sollen Mittellose ihre Häuser bauen?

    Kommt dazu, dass die Flaschen aus der Umwelt zurückgeholt oder gar nicht weggeworfen werden. Falls die gefüllten Flaschen nicht mehr gebraucht werden sollen, lässt sich PET meines Wissens im Idealfall schadstofffrei, oder zumindest schadstoffarm verbrennen.

  • am 28.08.2017 um 09:57 Uhr
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    Ich finde die Idee, die Nutzungsdauer des PET Produkts dort zu verlängern, wo dies Armen gratis und unmittelbar nützt, super.
    Aber ich kritisiere den ökologischen Aspekt ebenfalls. Das kommt auch in andern Kommentaren zum Ausdruck.

    Die Kurzschlussüberlegung, wir sollten mehr PET Flaschen in Umlauf bringen und sie zu einem guten Zweck den Armen schicken, führt die Forderung «Ressourcen schonend» ad absurdum.

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