GujerNDB

Der NZZ-Chefredaktor als Buchautor – und als NDB-Beirat? © Campus

NZZ: Chefredaktor im Beirat des NDB?

Christian Müller /  Der neue NZZ-Chefredaktor Eric Gujer schreibt gern über Nachrichtendienste. Jetzt wird bekannt: Er arbeitet selber mit.

(Siehe laufende Aktualisierung am Ende des Artikels.)

In der Mai-Ausgabe der Zeitschrift «Schweizer Monat», die sich als «Autoren-Zeitschrift» konzeptgemäss mehr um Meinungen und Haltungen kümmert als um aktuelle Nachrichten und Informationen, ist ein längeres Gespräch mit Prof. Dr. Rainer J. Schweizer, Ordinarius für öffentliches Recht an der Universität St. Gallen, wiedergegeben. Wer da nicht nur die Headlines anschaut und das ganze Interview liest, stösst für einmal allerdings doch auf eine bisher nicht bekannte Information. Wörtlich:

Rainer J. Schweizer: «Es gibt eine Zeitung, die seit längerem ständig über die Notwendigkeit des Ausbaus der Aufgaben und Befugnisse des Nachrichtendienstes schreibt. Wissen Sie welche?»

Schweizer Monat: «Na, wir jedenfalls nicht. Aber helfen Sie uns.»

Rainer J. Schweizer: «Die NZZ! Was nicht weiter erstaunlich ist, wenn man weiss, dass Eric Gujer im Beirat des Schweizerischen Nachrichtendienstes sitzt.»

Dass Eric Gujer sich für Nachrichtendienste interessiert und einiges darüber zu berichten hat, weiss man spätestens, seit er im Jahr 2006 das Buch: Kampf an neuen Fronten. Wie sich der BND dem Terrorismus stellt herausgegeben hat. Aber auch in der NZZ selber schreibt Gujer oft zum Thema Nachrichtendienste und auch zum schweizerischen Nachrichtendienst NDB.

Aus Anlass der Ernennung von Eric Gujer zum neuen Chefredaktor der NZZ machte der Zürcher Tages-Anzeiger ein Interview mit ihm. Am Ende des Interviews stand da noch folgende Zusatzinformation:

»Gujer ist profunder Kenner der Nachrichtendienste. Aus Berlin hat er Positionen des deutschen Geheimdiensts vertreten. Und in der Schweiz ist er auf der Linie des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB). Gerät dieser in die Kritik, schreibt Gujer auffallend oft Artikel, in denen das Verhalten des NDB mit In­siderinfos verteidigt wird. Gujer fordert stets mehr Überwachungsmöglichkeiten (Christian Lüscher).»

Ein Blick ins Schweizer Medienarchiv bestätigt die Beobachtung. Wer da die Suchworte NDB und Eric Gujer und NZZ eingibt, erhält aus den letzten vier Jahren immerhin acht Artikel ausgespuckt.

Eine Information allerdings sucht man in diesen Artikeln vergeblich: dass Eric Gujer in diesem NDB selber eine aktive Funktion hat.

Wann schafft die NZZ Transparenz, in welchen Gremien ihr neuer Chefredaktor auch noch sitzt?

Nachtrag 1, vom 7. Mai 2015, 10.18 Uhr:

Die Zeitschrift «Schweizer Monat» hat die eigene Information betr. Eric Gujer eben dementiert. Wir haben Professor Rainer J. Schweizer um eine Stellungnahme gebeten und bis zur Abklärung hinter dem Titel ein Fragezeichen gesetzt.

Nachtrag 2, vom 8. Mai 2015, 07 Uhr:

Von Professor Rainer J. Schweizer ist bei Infosperber bis zur Stunde keine Stellungnahme eingetroffen. Dagegen hat der Blick das Thema aufgegriffen und ist zum Resultat gekommen, dass Eric Gujer nicht Beirat des schweizerischen Nachrichtendienstes NDB ist oder war, diesen aber beraten hat. Ausserdem ist Eric Gujer Mitglied des deutschen Gesprächskreises Nachrichtendienste, der sich gemäss seiner eigenen Website an den drei Nato-Ländern USA, Grossbritannien und Frankreich orientiert.

Aufgegriffen hat das Thema auch die Werbe- und Medien-Fachzeitschrift Persönlich, stützt sich dabei aber auf den Blick und hat keine weiteren Informationen.

Nachtrag 3, vom 10. Mai 2015, 08 Uhr:

In der heutigen Ausgabe der «Schweiz am Sonntag» schreibt Christof Moser, der offensichtlich mit Prof. Rainer J. Schweizer reden konnte, unter anderem Folgendes:

«Erstmals äussert sich jetzt Rainer J. Schweizer zur umstrittenen Aussage – und hält an seiner Darstellung fest: ‹Dr. Eric Gujer machte 2013 mir gegenüber diese Aussage. Offenbar ist er nicht mehr in einem solchen Gremium tätig, aber er bestätigt seine Beziehungen mit dem NDB und ausländischen Diensten.› Tatsächlich musste NZZ-Sprecherin Myriam Käser am Donnerstag auf Nachfrage von ‹Blick› Fakten einräumen, von denen die Öffentlichkeit bislang keine Kenntnis hatte: Dass der neue NZZ-Chefredaktor ‹im Vorfeld der Ausarbeitung des Nachrichtendienstgesetzes (…) vom NDB (…) als Strategieexperte (…) konsultiert‹ worden war. Konkret heisst dies: Gujer arbeitete am neuen Nachrichtendienstgesetz mit, das er als Journalist kritisch begleiten sollte. Die Frage, ob Gujer dabei zum Amtsgeheimnisträger wurde, liess die NZZ-Sprecherin unbeantwortet.»

Moser schliesst mit einem Kommentar in Frageform:
«Kann ein in die Geheimdienstgesetzgebung involvierter Journalist, der ‹in enger Verbindung mit dem BND und dem CIA steht‹, wie Grünen-Nationalrat Daniel Vischer sagt, seine Kontrollfunktion im Dienst der Öffentlichkeit wahrnehmen? Die Antwort bleibt Gujer vorerst schuldig.»

Infosperber hat René Scheu, dem Herausgeber und Chefredaktor des «Schweizer Monat» am 8. Mai einige Fragen gestellt, darunter diese:
1) Hatte Professor Schweizer seine Interview-Antworten vor Veröffentlichung abgesegnet?
2) Hatte Professor Schweizer sein Zitat zurückgenommen oder korrigiert, oder haben Sie ohne Rücksprache mit Professor Schweizer dessen Aussage dementiert?
3) Falls Sie mit Professor Schweizer keine Rücksprache genommen hatten, aufgrund welcher Informationen wissen Sie, dass Erich Gujer nicht Mitglied des NBD-Beirats ist oder war?

Nachtrag Nr. 4, vom 16. Mai 2015

»Schweizer Monat»-Herausgeber und Chefredaktor René Scheu hat nicht schriftlich geantwortet, nur telefonisch (aus einer Telefonkabine). Er hat Infosperber allerdings unter Strafandrohung verboten, seine am Telefon gemachten Aussagen zu zitieren.

Eric Gujer, dem Infosperber ebenfalls konkrete Fragen stellte, liess die Mediensprecherin der NZZ, Myriam Käser, antworten. Eric Gujer habe «selbstverständlich» nie ein bezahltes Mandat des NDB oder des Beirats des NDG gehabt.

Rainer J. Schweizer schliesslich, von Infosperber ebenfalls befragt, bleibt bei seiner Aussage.

Die Aussagen der drei Herren Prof. J. Schweizer, René Scheu und – indirekt – Eric Gujer passen nicht wirklich zusammen.

Auf der Website des «Schweizer Monats» ist das Gespräch mit Prof. Schweizer nach wie vor aufgeschaltet.

Damit schliesst Infosperber diese Geschichte hier ab. Eine Veranlassung, den Beitrag vom Netz zu nehmen, sieht Infosperber allerdings nicht. Zu viel bleibt undurchsichtig.
(cm)


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

Terrorist

NSA, BND, NDB: Totale Überwachung?

Die Angst vor terroristischen Anschlägen wird als Grund genannt für weitreichende Privatsphäre-Eingriffe.

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7 Meinungen

  • am 7.05.2015 um 12:48 Uhr
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    Alle Schweizerbürger wünschen sich mehr Transparenz bezüglich NZZ! Dass Eric Gujer
    auf der Linie des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) argumentiert, muss nicht zur Besorgnis Anlass geben, höchstens die Frage, ob dieser Sachverhalt überhaupt zutreffend ist? Denn «allen Leuten Recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann».
    Die NZZ sollte sich endlich auf ihre DNA zurückbesinnen!

  • am 7.05.2015 um 16:48 Uhr
    Permalink

    Nun ja, die NZZ ist ein privates Unternehmen und deren Chefredaktor ja nur seinem Verwaltungsrat Rechenschaft schuldig. Und der besteht ja ausschliesslich aus FDP-Mitgliedern. Aber eben: Wenn dann an die Öffentlichkeit gelangt, wo er überall mitmischt, könnte sich das auf die Abo-Zahl auswirken. Ich erinnere nur daran, wie ein gewisser Markus Seiler bei den Gemeindewahlen in Spiez (ca. 15’000 Einw.) abgeschnitten hat: «NDB-Chef Seiler nicht in Spiezer Gemeinderat gewählt. Markus Seiler, Chef des Nachrichtendiensts des Bundes (NDB), wird nicht Gemeinderat in seinem Wohnort Spiez. Seiler machte bei den Gemeinderatswahlen vom Wochenende das schlechteste Resultat aller 28 Kandidierenden.» http://www.derbund.ch/bern/region/NDBChef-Seiler-nicht-in-Spiezer-Gemeinderat-gewaehlt/story/16128182?track.
    Da ist ein gehöriges Misstrauen in der Bevölkerung gegenüber dem BND da. Ganz sicher nicht nur im militärfreundlichen Berner Oberländer Spiez, das zwar einen SP-Gemeindepräsidenten aber eine bürgerliche Mehrheit im Parlament hat.

  • am 7.05.2015 um 21:17 Uhr
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    Gujer ist ein trojanisches Pferd, das ist seit Jahren bekannt. Bereits in Deutschland war er Mitglied im sog. Gesprächskreis Nachrichtendienste. «In diesem gemeinnützigen Verein treffen sich vor allem ehemals hochrangige Mitarbeiter von BND und Verfassungsschutz, um aktuelle Sicherheitsprobleme zu diskutieren.» (http://bit.ly/1F1zv2H)

    Zudem ist Gujer ein Kompagnon von Gary J Schmitt (http://amzn.to/1GRIr7y), dem ehemaligen Executive Director des von Dick Cheney gegründeten Project for a New American Century (PNAC), die in ihrem Positionspapier von 2000 «Rebuilding America’s Defenses» ein neues «Pearl Harbor» forderten (welches sie ein Jahr später erhielten), damit die USA ein Alibi haben, um in die globale Offensive gehen zu können (http://bit.ly/KusrSx)

    Dass der NDB mit der NSA kooperiert ist auch längst bekannt (http://bit.ly/1KPGeNT).

    Gujer wurde 2013 NZZ-Auslandschef, im Zusammenhang mit der Demontage des US-kritischen Konrad Hummler als NZZ VR-Präsident. 2014 versuchte der NZZ VR nochmals den Befreiuungschlag mit der Absetzung von Markus Spillmann (der Gujer geholt hat), doch der Druck war zu gross, Somm wurde abgeschossen und der US- und Geheimdiensttrojaner Gujer inthronisiert.

    Langsam dämmert es auch dem letzten Hinterwäldler, der damals noch gejubelt hat: Die Schweiz ist im Griff der USA, die Schweizer Medien im Griff der US-Geheimdienste. Deshalb wird auch jede CIA- und Pentagon-Medienoperation gegen die «Feinde des Imperiums» mitgemacht.

  • am 10.05.2015 um 09:18 Uhr
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    @Nachtrag 3: Nicht erst 2013. Terror-Eric weibelte schon 2011 öffentlich für einen proto-totalitären Ueberwachungsstaat, damals an einer Tagung des ETH Center for Security Studies [1,2]. Das ETH CSS hatte bereits zuvor US-kritische Forscher wie Daniele Ganser auf Druck des US-Botschafters rausgeworfen [3]. Heute schreibt das ETH CSS in der NZZ auf Einladung von CIA-Gujer wissenschaftlich verbrämte Hetztiraden gegen Russland und dessen Präsidenten [4]. Ich empfehle auch, Gujers «Station» in Jerusalem genau unter die Lupe zunehmen. Es ist naheliegend, dass er damals in Kontakt mit dem Mossad kam und radikalisiert wurde [5].

    [1] http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/terrorismus-ziel-schweiz-1.9949603
    [2] http://www.ethlife.ethz.ch/archive_articles/110321_CSS_Tagung_wer/
    [3] http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/amerika/WTC7-und-andere-Raetsel-um-911/story/26888372
    [4] http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/auf-konfrontationskurs-1.18272941
    [5] http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/archaische-rituale-1.5144545

  • am 10.05.2015 um 12:02 Uhr
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    Christof Moser sagt in der heutigen Schweiz am Sonntag «Kann ein Journalist, der in die Geheimdienstgesetzgebung involviert ist und «in enger Verbindung mit dem deutschen BND und dem CIA steht», wie Grünen-Nationalrat Daniel Vischer sagt, seine Kontrollfunktion im Dienst der Öffentlichkeit wahrnehmen? Die Antwort bleibt Gujer vorerst schuldig."
    Daniel Vischer hat die Frage an einer GSP-Veranstaltung gestern Samstag seinerseits sehr eindeutig beantwortet.

    Werner T. Meyer

  • am 10.05.2015 um 23:22 Uhr
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    In einem Programm der Volkshochschule Zürich las ich:

    „ ……………… . Mit der Ausrufung des Kalifats löste die syrisch-irakische IS eine breite Diskussion über das Wesen des Islams aus. Die aufkeimenden Proteste in Hongkong werfen ein Licht auf den inneren Zustand Chinas. Die russische Annexion der Krim, gefolgt vom Krieg in der Ukraine, rüttelt Westeuropa wach, welches die Probleme im nachbarschaftlichen Ost- und Mitteleuropa mit politischen und wirtschaftlichen Mitteln lösen wollte und sich plötzlich einem aggressiven Russland gegenübersieht. Experten zeigen die Hintergründe dieser Themen auf. ………… .
    Das VHS Team“

    Ein Licht wirft obiger Text auf den Zustand der „Wissenschaften“ und die Qualität der Universität Zürich (und die anderen?). Leider nicht nur was Russland anbelangt.

  • am 23.05.2015 um 16:55 Uhr
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    @ Nachtrag 4: Interessant. Was hat wohl der ach so libertäre Rene Scheu in der Telefonkabine gesagt, dass er gleich das staatliche Gewaltmonopol dafür aufbieten will? Wurde er von Gujer unter Druck gesetzt? Der Schweizer Monat ist aufgrund seiner immer noch nicht aufgearbeiteten Historie leicht erpressbar. Bei der Antwort der NZZ-Sprecherin liegt die Betonung auf «bezahlt»: Gujer wurde für seine Dienste «natürlich» nicht bezahlt. Er dürfte schon auf genug Lohnlisten stehen…

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