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«Für uns war er der Retter des Abendlandes» © Wikimedia Commons

Folgenschwere Übergabe_Die Schiwoff-Affäre 4_10

Jürgmeier /  Victor S. schreibt, als «Oeconomicus», einen Bericht. Ärgert sich über einen «ungarischen Lumpen». Trauert um Stalin.

Red. Am 19. Dezember 1956 wurde der VPOD-Sekretär Victor Schiwoff verhaftet, später «wegen unwahrer Behauptungen gegen die Interessen der Schweiz zu einem Monat bedingt verurteilt» (Historisches Lexikon der Schweiz), sowohl aus der Sozialdemokratischen Partei und der Gewerkschaft VPOD ausgeschlossen. Sechzig Jahre danach publizieren wir auszugsweise die ihn betreffenden Fichengeschichten aus dem Buch «Staatsfeinde oder SchwarzundWeiss – Eine literarische Reportage aus dem Kalten Krieg» von Jürgmeier als Serie.

  • Hier finden Sie alle Folgen der Serie «Die Schiwoff-Affäre – vor 60 Jahren»

Der studierte Ökonom als Packer

Victor S. ahnte nicht, dass der 23. Mai 1952 sein weiteres Leben bestimmen würde. Erfuhr es erst Jahre später. Lebte deshalb weiter, als ob nichts geschehen wär. So wie ein aus der Bahn geworfener Meteorit noch lichtjahrelang durchs All stürzt, ungebremst, bis er die Erdatmosphäre durchschlägt und den Rasen des Londoner Wembleystadions umpflügt, damit eine Flutwelle auslösend, die Venedig unter Wasser setzt und Hunderttausende zur Flucht nach Norden zwingt, wo per Notrecht eine Verschärfung der Einwanderungsbestimmungen in Kraft gesetzt und die Grenzorgane darauf hingewiesen werden, dass bei Wasserscheu kein Asylverfahren angezeigt sei, auch kein verkürztes.
S. hatte eben sein Ökonomiestudium abgeschlossen, aber trotz Dutzenden von Bewerbungen keine Stelle, schliesslich in einer Buchhandlung eine Arbeit als Packer gefunden, im Stundenlohn. «Ich war damals sehr deprimiert und erbittert und dachte mir, wenn alle Versuche, eine anständige Arbeit zu finden, fehlschlagen, gäbe es vielleicht eine Möglichkeit einer Anstellung bei einer östlichen Gesandtschaft», gab er vier Jahre später im Rahmen einer polizeilichen Einvernahme zu Protokoll.
S. war dankbar, dass sein guter alter Genosse Hans Z. an ihn dachte, sich für seine journalistischen Recherchen interessierte – über die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der Remilitarisierung der nicht so genannten Westzone –, ihm eine Publikation in der Zeitschrift Sozialismus in Aussicht stellte und einen an diesem Material ebenfalls interessierten Herrn erwähnte. «Möglicherweise sagte Z.: ‹Eine Gesandtschaftsperson.› Für mich war klar, dass es sich nicht um einen Beamten einer westlichen diplomatischen Vertretung handelte.» (1) S. kam dem Wunsch des Genossen Z. an diesem Tag gerne nach, eilte, vermutlich mit Hoffnungen, an die Feldstrasse 46 im «Chreis Cheib», wie die ZürcherInnen ihrem Arbeiterviertel damals sagten, wo ihn Z. in seiner Buchhandlung, dem Literaturvertrieb der PdA Schweiz, erwartete und ihm Emeric Pehr vorstellte. «Dieser Herr wünschte eine journalistische Arbeit über Fragen der Wiederaufrüstung von Deutschland. Über eine Entschädigung wurde kein Wort gesprochen.»

Auftrag «dokumentarisch belegt», aber geheim

Die Bundespolizei war dabei und konfrontierte Victor S. Jahre später mit einem umfassenden Fragenkatalog, den er von Emeric Pehr, Legationsrat der ungarischen Gesandtschaft in Bern, erhalten haben solle. Zum Beispiel: «Wie wirken sich die alten kapitalistischen Beziehungen und deren Einfluss im Zusammenhang mit der Wiederaufrüstung Deutschlands zwischen der Schweiz und Deutschland aus? Welche Beziehungen bestehen zwischen Schweizer Kapitalisten und der IG-Farben?» Pehr, so die Staatsschützer, habe um einen Bericht mit individuellen Kommentaren gebeten, der «anständig bezahlt» werde. S. notierte an den Rand des schriftlichen Einvernahmeprotokolls: «Woher diese Weisheit?» und wies diese Darstellung der Ereignisse zurück; Pehr habe ihm keinen Auftrag gegeben, sondern Interesse an einem Artikel gezeigt, an dem er bereits gearbeitet habe. Am 28. August 1957 gab es die Bundesanwaltschaft dem Zürcher Bezirksanwalt Dr. Rolf Bertschi schriftlich, der am 23. Mai 1952 durch Pehr an S. erteilte Auftrag sei «selbstverständlich dokumentarisch belegt», aber: «Da die Art der diesbezüglichen polizeilichen Feststellungen den geheimen Fahndungs- und Informationsdienst im Interesse der Wahrung der innern und äussern Sicherheit der Eidgenossenschaft betreffen, sind wir zu weiteren Auskünften nicht ermächtigt.» Was das Zürcher Bezirksgericht am 11. Februar 1958 zur trotzigen Feststellung provozierte, auf die «bloss formlose Versicherung einer Amtsstelle», es liege ein rechtsgültiges Beweismittel vor, könne «nicht abgestellt» werden. Umgekehrt hatte die Bundesanwaltschaft verständlicherweise kein Interesse, sich schon zu diesem Zeitpunkt in die Fichen schauen zu lassen.
Anfang der Neunzigerjahre zu diesem Punkt befragt, zögert S., schmunzelt dann: «Natürlich gab es da auch einige Schutzbehauptungen meinerseits.» Aber was «die mit ihren Wanzen» gehört haben wollten – und jetzt klopft er energisch mit dem Finger auf den Tisch –, dass der Pehr konkret verlangt habe, das will ich drin – wieder hämmert der Finger auf Holz –, einen Bericht über mögliche Konflikte zwischen der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz und den Gewerkschaften bezüglich der Wiederaufrüstung Deutschlands – Finger –, einen Bericht über die Reaktionen der Schweizer Bevölkerung auf das Washingtoner Abkommen –, «nein!», pochen Mund und Finger, «so lief das nicht». Natürlich, sie hätten über mögliche Inhalte gesprochen; normale Journalistenarbeit habe es sein Anwalt später genannt.

Aktivitäten eines «Gefährlichen»

Die fleissigen Staatsschützler lauschten und schrieben nicht nur, sie handelten auch, informierten am 29. Mai 1952 den Zürcher Nachrichtendienst: «Wir haben S. (2) auf der Liste Zürich-Stadt in die Kategorie Gefährliche eingereiht und ersuchen Sie, denselben auch auf Ihrem Verzeichnis nachtragen zu wollen.» Verlangten von der PTT am 7. Juni 1952: Postkontrolle («PK»), verlangten am gleichen Tag: Telefonkontrolle («TK»), überwachten Victor S.› Café- und Bibliotheksbesuche in den folgenden Tagen minuziös. «26.5.1952: Aufenthalt im Schweiz. Sozialarchiv, Predigerplatz 35, Zürich 1, von 09.40 bis 10.35 Uhr. Aufenthalt im Hause Limmatquai 16, Zürich 1, von 11.25 bis 11.40 Uhr. Es konnte nicht festgestellt werden, zu wem er sich begeben hat. Aufenthalt im Büchersuchdienst Theo Pinkus (3), Predigergasse 7, Zürich 1, von 13.35 bis 16.20 Uhr. 27.5.1952: Aufenthalt im Café ‹Newada›, Stadelhoferstr. 33, Zürich 1, von 09.10 bis 11.10 Uhr, wo er sich ständig Notizen mit Zuhilfenahme eines Buches machte. Aufenthalt im Büchersuchdienst Theo Pinkus von 14.00 bis 16.40 Uhr. Aufenthalt in der Schweiz. Zentralbibliothek, Zähringerplatz 6, Zürich 1, von 16.45 bis 17.50 Uhr. 28.5.1952: Aufenthalt im Schweiz. Sozialarchiv von 09.20 bis 09.40 Uhr. Aufenthalt im Café ‹Trojka›, Werdmühleplatz 3, Zürich 1, von 09.45 bis 10.55 Uhr, wo er sich wiederum Notizen machte. Wegen anderweitiger Beanspruchung konnte S. am Nachmittag nicht überwacht werden.» In den nächsten Tagen aber liessen sich die Maulwürfe wieder von S. beanspruchen. Nur «über Pfingsten wurde S. nicht überwacht». Nach der Verklärung durch den Heiligen Geist waren die Äuglein wieder geschärft, sahen, zum Beispiel, dass S. seine Frau traf, «worauf gemeinsam im Restaurant ‹Hiltl› das Mittagessen eingenommen wurde». Was die beiden serviert erhielten, sahen die verbeamteten Denunzianten nicht oder hielten es nicht für erwähnenswert, hatten womöglich nur Augen für den russischen Salat im eigenen Teller, verpassten schliesslich das Rendez-vous zwischen dem Schweizer Packer beziehungsweise Ökonomen S. und dem ungarischen Diplomaten Pehr, denn «umständehalber konnte die Überwachung am Nachmittag nicht mehr fortgesetzt werden». Die Umstände sind in S.‘ Akte grossflächig abgedeckt, sodass nicht bekannt ist, durch welches Pärklein die Staatsschützer gerade diskret flanierten, als S. von Pehr, ganz Spion, beim ersten vereinbarten Treffen versetzt wurde, sodass er sich das lange Warten an der Tramhaltestelle ‹Opernhaus› vermutlich mit dem Lesen des täglichen Aushangs der Neuen Zürcher Zeitung zu verkürzen begann und erst nach nochmaliger Kontaktaufnahme durch Pehr auch tatsächlich mit diesem zusammentraf – im Café Stoller, das den meisten ZürcherInnen von irgendeinem Leichenmahl her bekannt ist. Das nach der Abdankung im nahen Krematorium Sihlfeld im engsten Familienkreis eingenommen wird.
Inmitten von Trauernden … übergab S. seinem Genossen – den er 1996 einen «ungarischen Lumpen» und «miesen Halunken» nennen wird – das Papier, dessentwegen er selbst, S., 1956 von den eigenen Gewerkschaftskollegen als «Gesinnungslump» abqualifiziert wurde. Dass Pehr den Artikel nicht einmal durchlas, die vierzehn Seiten nur flüchtig überflog und dann nach dem Honorar fragte, schockierte S. «Ich verlangte Fr. 20.- bis Fr. 30.-, welchen Betrag er mir sofort aushändigte.» Minuten später sass S., dreissig Franken reicher, allein im Stoller. «Der Herr hatte es eilig und begab sich rasch in sein Auto.» Sein Auftreten als Vorgesetzter, wie es der Genosse S. empfand, «hat mich ausserordentlich deprimiert, hat in mir ein unangenehmes Gefühl ausgelöst». S. wollte nichts mehr mit dem Gesinnungsgenossen zu tun haben, verwarf auch den Gedanken, «mich einer fremden Gesandtschaft anzubieten, das heisst mich um eine Anstellung zu bewerben».
All das verpassten die verdeckten Organe des Staates, notierten am 7. August 1952 verwundert, dass auch echte und unechte Landesverräter nicht rund um die Uhr im Einsatz sind. «S. begibt sich während dem Monat August in die Villa Vigna nach Castagnola in die Ferien.» Resigniert hoben sie am 20. September sowohl Post- als auch Telefonkontrolle auf, ohne das Papier gesehen, geschweige denn gelesen zu haben, dessentwegen sie vor Cafés, Bibliotheken und Buchhandlungen ausgeharrt, bis S., wahrscheinlich eine Zigarette im Mund, wieder ins Freie trat und die beim Warten in Trägheit Verfallenen aufschreckte, die trotz Verzicht auf Softeis und Bier nicht in die Hand bekamen, was S. unter dem Titel «Die Entwicklung der wirtschaftspolitischen Beziehungen der Schweiz zu Deutschland» am 4. Juni 1952 gegen die schwarze Walze seiner Schreibmaschine gehämmert und mit «Oeconomicus» gezeichnet hatte.

Oeconomicus – das Papier

«Als ich gestern mein Exposé durchgelesen habe, bin ich selbst erschrocken», gab er, nur vier Jahre später, am 20. Dezember 1956 im Rahmen eines Verhörs durch die Bundesanwaltschaft zu Protokoll, «inzwischen habe ich mich von dieser Ideologie so weit entfernt, dass sie mir heute völlig fremd und unpersönlich erscheint.» Eine Aussage, die wohl eher dem ersten Schreck ob der Verhaftung – über die noch zu berichten sein wird –, dem Zwang zu opportunistischen Abschwüren in der Hoch-Zeit des Kalten Krieges unmittelbar nach den «Ereignissen» in Ungarn zuzuschreiben war als der Läuterung des Kommunisten S., der 1996 darauf beharrt: «Ich könnte zwei Drittel oder drei Viertel dieses Papiers heute noch unterschreiben.»
Zum Beispiel: «Der Reichtum der Schweiz rührt nicht allein von der Mehrwertproduktion des eigenen Industrieproletariats her, sondern in einem ebenso ausgeprägten Grade von der Ausbeutung fremder Völker, angefangen vom südamerikanischen Plantagesklaven bis zum deutschen Arbeiter.» Oder: «Eine Untersuchung der schweizerischen Beteiligungen an deutschen Unternehmungen erbringt den Beweis, in welch ungeheurem Ausmass schweizerische Monopolisten an der deutschen Rüstungskonjunktur der 30er Jahre profitiert haben.» Und: «Seit Stalingrad haben sich die Dinge etwas verschoben. Die Enttäuschung über die Niederlage des Naziregimes, der Untergang des grossen ‹Tausendjährigen deutschen Weltreiches› verursachte dem Schweizer Grosskapital empfindliche Milliardenverluste. Ein wirtschaftlich auf den Hund gekommenes Deutschland bot keine interessanten Profitmöglichkeiten mehr, weshalb sich auch die schweizerische Hochfinanz einer neuen Weltmacht, den Vereinigten Staaten von Amerika, anschloss.» Diese Verbindungen des Schweizer Kapitals, sagt S., kurz bevor «die Schweiz» 1997/98 wegen ihres Verhaltens im Zweiten Weltkrieg international unter Beschuss gerät, «das schläckt kä Geiss wäg». Auch die Kritik an der «faktischen Durchführung der Remilitarisierung Deutschlands» würde S. über vierzig Jahre danach noch aufrechterhalten. «Im Rahmen der sogenannten Europa-Armee, die nichts anderes als die verbrecherische Vorbereitung eines Angriffskrieges gegen die Sowjetunion und die Volksdemokratien im Schilde führt.»

«Der blöde ‹grosse Stalin›»

Es gibt auch Sätze – «Der blöde ‹grosse Stalin›» –, die er lieber nie geschrieben. «Wenn sieben Jahre nach Kriegsende wieder von einem deutschen Wehrbeitrag und deutscher Rüstungsproduktion und der Freilassung von Naziverbrechern die Rede ist, dann kann dies nur lehren, dass wie Genosse Stalin sagte, die Völker die Sache des Friedens selbst in die Hand nehmen müssen. Konsequent und unbeirrbar hat die Partei der Arbeit der Schweiz diesen Grundsatz des grossen Stalin in die schweizerische Arbeiterklasse hineingetragen, konsequent und unbeirrbar hat sie, aller Hetze und allen Verfolgungen zum Trotz, die Wahrheit über die Kriegsbrandstifter in den USA wie in der Schweiz verbreitet. Konsequent und einmütig steht die Partei auf der Seite des Friedens, auf der Seite der grossen Sowjetunion, des neuen China, der deutschen demokratischen Republik und den Volksdemokratien.» Getippt am 4. Juni 1952.
Bis 1956, sagt S. 1996, «waren wir alle Stalinisten», auch die, die es heute nicht mehr wahrhaben wollten. «Für uns war er der Retter des Abendlandes.» «Des Vaterlandes», korrigiert seine Frau Elsi, die ihn schon damals wegen seiner «Heldenverehrung» verspottet und sich über den Satz vom «grossen Stalin» geärgert habe. Aber «wir Slawen», lacht S., «haben nun mal einen Hang zur Verehrung grosser Männer». Darüber habe sie, seine Frau Elsi, mit ihrem schweizerischen, gut bürgerlichen Demokratieverständnis, immer «d’Nase grümpft». Und begleitete ihren Mann, S., auch nicht ins Zürcher Volkshaus, als die Gesellschaft Schweiz-Sowjetunion Zürich auf den 31. März 1953 zu einer «Feier zum Gedenken an J.W. Stalin» einlud, der am 5. März jenes Jahres gestorben war. Rund sechshundert Personen – ein gutes Dutzend, darunter S., «bekannt» – zählten die Beamten des Staatsschutzes, die in der dichtgedrängten Menge im Theatersaal des Volkshauses nicht auffielen und, ganz Undercoveragenten, diskussionslos den Eintritt von Fr. 1.10 bezahlten. «Die Türkontrolle wurde durch Sekuritaswächter ausgeführt.» Es sei eine bedrückte Stimmung gewesen, erinnert sich S. Einige hätten sogar geweint. Trauer habe auch er empfunden, Beklemmung, Angst um die «vaterlose Sowjetunion». «Wie wird sich das entwickeln? Wer kommt nach Stalin?» Der, so liessen sich die Maulwürfe vom Referenten des Abends, «Pinkus, Theodor», diktieren, nicht Diktator genannt werden dürfe. «Stalin sei lediglich der Vollstrecker des Volkswillens gewesen.» Dass die Bürgerlichen bei jeder Gelegenheit vom «grossen Diktator» sprachen, beschreibt S. die Falle des Kalten Krieges, sei für sie ein schlagender Gegenbeweis gewesen – nach Bebels altem Motto: «Wenn dich jemand von dieser Seite lobt, hast du einen Fehler gemacht. Und umgekehrt.»

  • Der nächste Teil der Serie «Die Schiwoff-Affäre – vor 60 Jahren» erscheint in wenigen Tagen.

(1) Zitate von S., u.a. aus den Verhören und Einvernahmen im Vorfeld des Prozesses 1957 beziehungsweise 1958.

(2) In den Fichen und Akten der Bundespolizei wird S. meist mit «Sch.» abgekürzt. Um die LeserInnen nicht zu verwirren, habe ich dieses «Sch.» in den Auszügen aus Fichen und Akten durch «S.» ersetzt.

(3) wo S. als Packer arbeitete

Victor S.: Victor Schiwoff, geboren am 22. November 1924 in Meiringen. Der Vater war Russe, die Mutter Polin; beide schlossen ihr Medizinstudium in Zürich ab. Kurz vor Matura-Abschluss wurde Victor Schiwoff vom Militär einberufen – 300 Aktivdiensttage. 1945 als jüngstes Parteimitglied bei der Gründung der Partei der Arbeit dabei. 1946 den Matura-Abschluss nachgeholt. 1947 bis 1951 Studium mit Abschluss als Dr. rer. pol. Nach verschiedenen Tätigkeiten 1954 erste Arbeiten für den VPOD, u.a. die Studie zum 50-Jahr-Jubiläum «Das Mitsprache- und Mitbestimmungsrecht des Arbeitnehmers im öffentlichen Dienst», 1955 Wahl zum Sekretär der VPOD-Sektion Luftverkehr, 1956 die sogenannte «Schiwoff-Affäre», mit Ausschluss aus VPOD. Nach einer kurzen Zeit der Stellenlosigkeit verschiedene Arbeiten, u.a. als Hilfsmaler und Packer in einer Buchhandlung. 1960 bis 1971 Redaktor beim «Vorwärts» in Genf, wo er als Mitglied der PdA in den Gemeinderat von Meyrin und in den Grossrat des Kantons Genf gewählt wurde. 1971 bis zu seiner Pensionierung 1989 Zentralsekretär VPOD, in Zürich. Am 5. April 2006 gestorben.

Elsi S.: Elsi Schiwoff, geborene Wettstein. Am 3. Januar 1925 in Meilen geboren. Ausbildung: Handelsmatura in Neuenburg, Latein-Matur in Zürich, Diplom für französische Sprache und Zivilisation an der Sorbonne in Paris. Tätigkeit als Verwaltungsangestellte in Treuhandbüros, Wohn-Bau-Genossenschaft und Gewerkschaft GBI. Politisches Engagement: hauptsächlich in Genf-Cointrin. Am 20. März 2004 gestorben.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Das Buch «Staatsfeinde oder SchwarzundWeiss – Eine literarische Reportage aus dem Kalten Krieg» von Jürgmeier ist 2002 im Chronos-Verlag, Zürich, erschienen.

Zum Infosperber-Dossier:

Cover_Staatsfeinde

Die Schiwoff-Affäre – vor 60 Jahren

Am 19.12.56 wird VPOD-Gewerkschafter Victor Schiwoff verhaftet. Eine Fichengeschichte aus dem Kalten Krieg.

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2 Meinungen

  • am 25.12.2016 um 14:53 Uhr
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    Hat der Schiwoff sonst wirklich nichts für die Ungarische Botschaft geleistet? Tja, er selber ist ein Mann der «Schutzbehauptungen», von dem würde man die Wahrheit eher nicht erfahren. Und Jürgmeier interessiert das nicht.
    Wenn es die Fichen nicht gäbe, würde Schiwoff ja nicht mal das zugeben, was in den Fichen steht – und Jürgmeier würde noch weniger zu recherchieren haben. Ein Hoch also auf die Schweizer Fichen (und ihre verdienstvollen Ersteller, die ungenannten und ungerühmten Polizisten). Durch die gibt es objektive Historie, ohne sie gäbe es nur selbstverklärende linke Propaganda.

  • am 25.12.2016 um 15:00 Uhr
    Permalink

    Mentalitätsgeschichtlich interessant ist der Umstand, dass der Intellektuelle Schiwoff fand, die Arbeit als Packer sei keine «anständige Arbeit» – und das trotz seiner kommunistischen Überzeugungen. (Und nach bloß dreißig gescheiterten Bewerbungen! So verwöhnt waren die Leute damals.)

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