Kommentar

SRG subventioniert Demokratie-Ratings

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autorskeine ©

Regula Stämpfli /  Fehlerhafte Firmen-Ratings können ganze Volkswirtschaften in den Abgrund reissen. Ähnlich korrupt sind auch Demokratie-Ratings.

Red. Regula Stämpfli hat Geschichte, Philosophie und Politologie studiert. Sie arbeitet als Autorin und Dozentin in der Schweiz, Deutschland und Frankreich. U.a. ist sie Kolumnistin des «Klein Reports».

Im Zuge der Finanzkrise wurde die Rolle der Ratingagenturen heftig kritisiert. Sie hatten 2007 Triple A an Finanzinstitute und -produkte vergeben, als es längst klar war, dass diese marode bis zum letzten Cent waren.

Ratingagenturen sind gewinnorientierte, private Unternehmen, die die Kreditwürdigkeit von Finanzinstituten bewerten. Keine Ratingagentur konnte für ihre kolossalen Fehlerratings in Verantwortung gezogen werden, da sie nach US-Verfassungsgericht blosse «Meinungen» darstellten. Dass diese «Meinungen» ganze Volkswirtschaften in den Abgrund stiessen, ist hinlänglich bekannt.

Imagepflege statt Demokratie

Weniger bekannt ist, dass Demokratie-Ratings ähnlich korrupt sind. Umfragen sind neoliberale Herrschaftsinstrumente, die wenig mit Demokratie, sondern viel mit Inszenierung zu tun haben. Umfragen können Regierungen, Parteien und Politiker stürzen, beschädigen oder hoch-«raten». Umfragen setzen Themen auf die Politikagenda, die die Demokratie von oben nach unten durchsetzen. Regierungen, Parteien und Politiker orientieren sich an ihren Beliebtheitswerten statt an ihrem Wahlauftrag.

In den postdemokratischen Demoskopie-Ländern sind nicht die klassischen politischen Leistungen (zum Beispiel Währungsstabilität, Frieden, Sicherheit, gute Verteilungsgerechtigkeit, Umweltschutz) entscheidend, sondern das Image: So gilt in der Vermessung der Politik beispielsweise ein Politiker als «liberal», wenn er faktisch ein menschenverachtender Hardliner ist. Demoskopie-Demokratien inszenieren eine «Mitte», die keine politische, sondern eine in der Umfrageanordnung gemachte Kategorie ist.

Das Image, nicht die Realpolitik, macht also Regierungen, Parteien und Politiker. Dieses Image wird nun aber nicht durch eine Open-Source-Plattform bestimmt, bei der potenziell alle Wählerinnen und Wähler mitmachen können. Nein. Dieses Image wird von privatwirtschaftlichen und interessengebundenen Umfrageinstituten erhoben, womit wir direkt bei der SRG gelandet wären.

SRG propagiert: Die Mehrheit hat immer recht

Die SRG finanziert gewinnorientierte Unternehmen – GfS und ab 2017 neu auch Sotomo –, um als öffentlich-rechtliches Unternehmen die Kreditwürdigkeit von Regierung, Parteien und Politikern zu bewerten. Sie tut dies aus der Monopolstellung einer öffentlich-rechtlichen Institution heraus. Die SRG muss sich die Frage erlauben lassen, ob sie eigens Agenturen dafür beauftragen kann, das Image von Regierung, Parteien und Politikern zu polieren, zu bewerten, zu erheben und weiterzuverbreiten, oder ob sie es aufgrund ihres öffentlich-rechtlichen Auftrages nicht dabei belassen muss, über die unterschiedlichsten Imageforschungen plural zu berichten.

Es gibt genügend privatwirtschaftliche und universitäre Institute, die mit vielfältigen Methoden unterschiedliche Beiträge zur politischen Debatte, zu Beliebtheitsgraden, zu Politikern, zu Politiken und zu Themen bereitstellen. Es geht also nicht an, einige Ratingagenturen (Umfrageinstitute) mit öffentlich-rechtlichen Geldern zu subventionieren. Vor allem geht dies nicht, da die privatwirtschaftlichen Institute nicht unabhängig, sondern gleichermassen von denjenigen abhängig sind, die sie dann «objektiv» zu «raten» vorgeben.

Schliesslich darf die SRG für ihre Nachrichten auch nicht exklusiv zwei Chefredaktoren aus der Privatwirtschaft einkaufen, die ihr dann die Nachrichtenberichterstattung herstellen, auswerten und kommentieren. Wer exklusiv ausgewählten Ratingagenturen für die Demokratie – und nichts anderes ist die Umfrage- und Meinungsforschung – Zutritt zu Steuergeldern verschafft, setzt sich dem Vorwurf aus, Staatsumfrage-Propaganda zu betreiben.

Im Rahmen der laufenden Service-public-Debatte sind diese Fragen matchentscheidend.
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Dieser Kommentar ist erstmals auf Internetplattform Klein Report erschienen.


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Zum Infosperber-Dossier:

SRG_Dossier

Medien: Service public oder Kommerz

Argumente zur Rolle und zur Aufgabe der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG.

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Eine Meinung zu

  • am 17.06.2016 um 22:07 Uhr
    Permalink

    Sehr berechtigte Kritik an der SRG-Politik – aber noch grundsätzlicher. Wir spielen Demokratie, doch diese ist käuflich, wir lassen uns kaufen. Das Parlament ist käuflich, der Knopf im Ohr sagt den Volksvertretenden, was sie unter «liberal» zu verstehen haben, alles ist Wirtschaft und wem diese am besten dient, bestimmt. So dient etwa die Krankenkasse nicht primär unserer Gesundung… das Wichtigste ist bekannlich die Wirtschaft, alles ist Wirtschaft, diese ist nicht menschen-liberal, nur wirtschaft-liberal.

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