Kommentar

Mittelost: Die Zeichen stehen auf Sturm

Erich Gysling © zvg

Erich Gysling /  Um die iranischen Interessen in Syrien wird ein brisantes Spiel getrieben. US-amerikanische Medien propagieren einen Krieg.

Pomp, Glory, Pathetik, hartes Händedrücken, entschlossen wirkendes Lächeln, das alles waren Kennzeichen des Besuchs von Emmanuel Macron bei Donald Trump. Zwei Staatschefs unter sich, eine Männerfreundschaft zwischen Amerika und Europa.

Nach dem letzten «farewell» blieb die Frage: Meinte Präsident Macron wirklich alles ernst, was er dem Trumpeter in Washington ins Ohr flüsterte? Findet der Franzose wirklich so viel Gutes an der Persönlichkeit des Tycoons, der durch eine Mischung von Zufall der Geschichte und List ins Weisse Haus geschwemmt wurde? Ist er nicht im Innersten entsetzt über das Ordinäre bei seinem Gesprächspartner, über die staats-unmännische Launenhaftigkeit des Manns, der seine Finger stets nahe am roten Atomkriegs-Knopf hat und die Welt jederzeit in eine Katastrophe stürzen kann?

Oder ist Emmanuel Macron ein schlauer Fuchs, der sich zum Ziel gesetzt hat, diesem Emporkömmling aus zweifelhaftem Milieu durch Eleganz berechnend zu schmeicheln – um so ein höheres Ziel zu erreichen, die Rückführung zur Vernunft in der US-Aussenpolitik? In diesem Sinn darf man wohl Macrons Rede vor dem Kongress in Washington verstehen. Da fiel sogar das Wort «insane» mit Blick auf einige Aspekte der Politik der Trump-Administration.

Widersprüchliche Bilanz

Was nach Macrons Staatsbesuch bleibt, ist vor allem die bange Frage, ob sich der Konflikt mit Iran weiter zuspitzen wird. Er werde sich dafür einsetzen, mit den «Mullahs» Teherans einen neuen Vertrag auszuhandeln, sagte Macron – einen Vertrag über die Eindämmung iranischer Raketenentwicklung und die Einflussnahme Irans in Irak, Syrien, Libanon und Jemen. Alles Belange, die mit dem 2015 ausgearbeiteten Atom-Abkommen nichts zu tun haben, die danach auftauchten und jetzt die «Agenda» zwischen einigen Westmächten und Iran bestimmen.

Zu Recht, zu Unrecht?

Iran ist in den letzten Jahren selbstbewusst geworden. Wurde die islamische Republik aber tatsächlich auch zu einer Bedrohung für die mittelöstliche Region, wie das von Saudiarabien und Israel (und natürlich von Donald Trump mit seiner neokonservativen Eskorte) behauptet wird?

Die Bilanz ist gekennzeichnet von Widersprüchen. Irans Ausland-Einheiten (Pasdaran plus al-Quds-Brigaden und libanesische Hizb-Allah) engagierten und engagieren sich weiterhin für den Machterhalt Assads in Syrien. Ob das im Interesse der Mehrheit des syrischen Volks ist, kann derzeit niemand beurteilen – es gibt keine Möglichkeit für freie Wahlen, auch nicht für repräsentative Umfragen.

Tatsache ist anderseits: auch die tonangebenden Westmächte (USA, Grossbritannien, Frankreich) haben sich mit Assad abgefunden. Sie betonten bei den Attacken auf (echte oder angebliche) Chemie-Waffen-Anlagen im April, ein Regime-Wechsel sei nicht ihr Ziel, es gehe lediglich darum, das Regime von einem weiteren Chemie-Waffen-Einsatz abzuhalten.

Also gibt es keinen echten Gegensatz mehr gegenüber dem, was Russland und Iran mit Syrien planen? Doch, den gibt es durchaus – die drei Westmächte (andere westeuropäische Länder spielen derzeit keine Rolle) fordern, dass die Präsenz iranischer Truppen (oder Militärberater) in Syrien endet. Weil sie, angeblich, eine tödliche Bedrohung Israels darstellt.

Propaganda-Schlacht für einen künftigen Krieg

Um die iranischen Interessen in Syrien respektive die Präsenz iranischer Truppen wird derzeit ein brisantes Spiel getrieben. US-amerikanische Medien (an vorderster Front die «New York Times») exponieren sich da durch Beiträge, die man klar und deutlich als Propaganda-Schlacht für einen künftigen Krieg bezeichnen muss.

Nicht nur israelische, sondern auch zahlreiche westeuropäische Medien (gedruckte wie elektronische) spielen auf dieser Tonart mehr oder weniger unrecherchiert mit. Vieles erinnert an die Situation von Ende 2002 / Anfang 2003, als die USA mit Grossbritannien (Tony Blair spielte da eine höchst problematische Rolle) und einigen finanziell abhängigen Ländern im östlichen Europa (Polen an erster Stelle) die Stimmung für den Krieg gegen Irak aufheizten.

Damals behaupteten die Politiker der USA und Grossbritanniens, Irak plane einen Angriff mit Chemie-Waffen gegen Westeuropa, besitze Langstreckenraketen und könne auch «schmutzige» Atom-Geschosse lancieren. Alle (von Colyn Powell, damals US-Aussenminister, bis hinauf zu George W. Bush und in Grossbritannien Tony Blair) wussten, dass nichts von alledem der Wahrheit entsprach – es waren glatte Lügen.

Ähnlich tönt es jetzt: Iran plane, in Missachtung der 2015 mit der internationalen Gemeinschaft abgeschlossenen Verträge, die Entwicklung einer Atombombe – und bedrohe mit Raketen und Truppen die ganze mittelöstliche Region.

Die «New York Times» publizierte eine Karte mit angeblichen Stützpunkten von Iranern in Syrien – und beschwört nun fast täglich ein Szenario herauf, das in einem willkürlich von Iran gegen Israel lancierten Krieg besteht. Die Frage, weshalb Iran sich in ein derart selbstmörderisches Abenteuer stürzen sollte (darum geht es: Iran hätte null Chancen gegen Israel), wird nicht gestellt. Dies umso weniger, als die «iranophobe» Front jetzt auch Saudiarabien umfasst – dessen Kronprinz, Mohammed bin Salman, sich nicht einmal scheut, mit der rechtskonservativen, teils evangelikanisch, teils jüdisch geprägten Polit-Machtgruppe in den USA zu paktieren.

Nordkorea «lässt grüssen»

Donald Trump kommt das alles sehr zustatten. Er äusserte ja schon im Wahlkampf, das Abkommen mit Iran sei der «schlechteste Deal», den die USA je abgeschlossen hätten. Und drohte später, nach der Amtseinsetzung, mehrfach damit, wieder Sanktionen gegen Iran zu ermöglichen. Weshalb eigentlich? Es gibt gesetzliche Fristen (entsprechende Gesetze hatten sich der US-Senat und das Abgeordnetenhaus selbst «gestattet»), die den Präsidenten zwingen, über das Atomabkommen Entscheidungen zu treffen. Trump muss daher innerhalb bestimmter Zeiträume die vom Vorgänger Obama zugesagte Aussetzung der Sanktionen verlängern. Tut er das nicht, kündigt er, faktisch, den Pakt (den allerdings nicht nur die USA, sondern auch die wichtigsten westeuropäischen Regierungen plus Russland und China unterzeichnet haben).

Am 12. Mai ist es wieder einmal so weit – Trump soll die Aussetzung der Sanktionen mit seiner Unterschrift bestätigen – was er nicht tun wird. Das heisst, von diesem Tag an steigen die Ungewissheiten und Spannungen in Mittelost automatisch. Iran kann es ja nicht einfach so hinnehmen, dass der mühsam bis 2015 ausgehandelte Vertrag nun nicht mehr gelten soll respektive dass die Gegenseite sich nicht mehr an die damals vereinbarten Regeln halten sollte.

Zawad Sharif, Irans Aussenminister, deutete bereits an, dass Iran als «Gegenmassnahme» allenfalls aus dem Atomwaffensperrvertrag ausscheren könnte. Oder dass Iran sich zumindest überlege, wieder Uran bis auf 20 Prozent anzureichern. Das Land brauche das (eigentlich) für seine Medizinaltechnik, auch wenn es keine Absichten habe, Uran für die Entwicklung einer Atombombe anzureichern.

Ist das glaubwürdig oder nicht? Iran wird wahrscheinlich, sollten die USA nun ausscheren, die Drohkulisse einer Bomben-Entwicklung neu aufziehen. Man hat ja wohl in Teheran auch klarsichtig erkannt, dass der Status einer Atommacht global gewaltigen Eindruck macht – Nordkorea «lässt grüssen». Aber wenn Teherans Führung diese Richtung einschlägt, wird Saudi-Arabien nachziehen. Und ob Israel das dulden wird? Kaum.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

BasharalAssad

Der Krieg in Syrien

Das Ausland mischt kräftig mit: Russland, Iran, USA, Türkei, Saudi-Arabien. Waffen liefern noch weitere.

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4 Meinungen

  • am 26.04.2018 um 14:06 Uhr
    Permalink

    Trump: Ein einmaliger Glücksfall für West-Europa
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    West-Europa wird Trump nicht in einen Krieg gegen den Iran folgen wollen.

    Damit gilt für mich: Gründlicher als Trump hätte es wohl niemand geschafft, die ungesunde Abhängigkeit von West-Europa von den USA aufzulösen. Wir sollten ihm dafür danken. Ich danke es ihm.

    Trump (‹America first›) erhöht die Zölle für unsere Produkte.
    – Das allein wäre schon ein harter Schlag für unsere Beziehungen gewesen. Denn das wird die Arbeitslosigkeit im EU-Raum erhöhen + bei uns einen wirtschaftlichen Dämpfer auslösen.
    – Doch nun brüskiert er West-Europa (nicht nur die EU, auch die Schweiz), indem er Macron einen Korb ankündigt in Sachen ‹Iran-Deal›. Und da kann + will West-Europa (nicht nur die EU, auch die Schweiz) nicht mitmachen.

    Für mich sind das nicht nur schlechte Nachrichten, sondern halt auch eine gute: West-Europa wird sich von diesen USA emanzipieren.
    – Ende mit diesem symbiotischen Verhältnis
    – Anfang mit Eigenverantwortung
    — Eigene Militärpolitik
    — Eigene Aussenpolitik
    — Zusammenarbeit mit Russland ‹Handel zum politischen Wandel›

    Und ich bin dankbar, dass Macron im US-Kongress eine so starke Rede hielt: Bravo Macron.

  • am 29.04.2018 um 21:49 Uhr
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    Der Außenminister heißt Javad Zarif.
    Danke für den Artikel.

  • am 30.04.2018 um 15:47 Uhr
    Permalink

    @Herr Staudacher, bin genau Ihrer Meinung. Langsam aber sicher kommt die Europäische Bevölkerung hinter die jahrelangen geopolitischen Pläne der USA und was genau sie für die Eurasische Region bewirken… Vornherum hat noch jeder Präsident und Politberater aus den USA behauptet, die europ. Union und die dadurch entstehende Koalition mit den USA sei Garant für den eurasischen Frieden. Hintendurch wurden Staaten gestürzt, die sich der imperialen US-Politik nicht beugen mochten (Öl in € handeln wollten oder Dinar wie Libyen..). Die Leute sind auch langsam nicht mehr so doof zu glauben, die USA führten Kriege zum Wohl der Bevölkerung (es gibt keine «humanitären Kriege"), sondern begreifen langsam die geo- und innenpolitische Komponente dahinter. Petrodollar, Hegemonialansprüche, Isolation Russlands, Abwendung des drohenden Wirtschaftskollapses. Hoffen wir auf ein starkes, selbstbestimmtes Europa! Wie es Putin 2001 in seiner Rede im Bundestag anstrebte!

  • am 1.05.2018 um 13:18 Uhr
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    Das Imperium wird in knapp zwei Wochen den „Atom-Deal“ aufkünden. Die Forderung für eine Neuauflage wird sein, dass die iranischen Milizen Syrien verlassen müssen.

    Die Iraner – zusammen mit der Hizbollah – waren und sind die matchentscheidende Hilfe am Boden für Assads Kampf gegen die die salafistischen Proxy-Krieger. Sie stehen im Weg – nicht zuletzt für ein „Eretz Yisrael“.

    Der Rothschild Bankier Macron trägt nichts bei zur einer „Rückführung zur Vernunft in der US-Aussenpolitik“, im Gegenteil, er hat Trump bekräftigt betreffend Änderung des Atom-Deals.
    (Und am Rande gefragt: Wann war die US-Aussenpolitik zum letzten Mal vernünftig im Nahen Osten?)
    M. beharrt übrigens auch auf Rojava – sprich: er ist dagegen, dass Syrien seine Ressourcen reichste Region zurück erhält. M’s Rede vor dem Kongress war reine Show, man muss ihn an seinen Taten messen.

    Merkel hat schon mal abgenickt: „Iran-Abkommen reicht nicht aus“, das klang vor ein paar Wochen noch ganz anders. Fehlt nur noch, dass May ihre Meinung zum Iran Deal ändert. Das kommt noch, wetten?

    In der Zwischenzeit wird das Narrativ wird gestrickt.
    Die Zeitungen zitieren Netanyahus „Iran hat gelogen“ Show. Die Anzahl der Artikel betreffend der „beängstigende[n] Menschenrechtssituation im Iran» wird erhöht.
    Israel provoziert mit präemptiven Luftanschlägen gegen iranische Assets in Syrien, und „niemand“ (im Westen) wird sich daran stören.

    Fürwahr – gefährliche Zeiten stehen an.

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