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Der Fotograf Simon Edelman machte Bilder eines fragwürdigen Treffens öffentlich. © US Dep. of Engergy

Fotograf legt Lobbyismus in US-Ministerium offen

Daniela Gschweng /  Ein US-Minister umarmt bei einem Treffen einen Kohlebaron, Bilder davon werden veröffentlicht. Nun ist der Fotograf seinen Job los.

Gar sehr vertraut gingen der Minister und der Lobbyist miteinander um, fand der Fotograf Simon Edelman. Zudem tauchten die Inhalte ihres Treffens wenige Monate später in der der Agenda des US-Energieministers Rick Perry wieder auf. Der Fotograf, Angestellter des US-Energieministeriums, gab seine Bilder des Treffens mit einem Kohle-Lobbyisten an die Medien weiter.

Die Veröffentlichung stiess beim Ministerium auf wenig Gegenliebe – nun ist der Fotograf seinen Job los und hat Whistleblower-Schutz beantragt, berichtet die «New York Times» (NYT).


Gar sehr vertraut gingen Perry und Murray (re.) miteinander um, fand Simon Edelman. Vor und nach dem Treffen gab es dicke Umarmungen. (US. Dep of Engergy / Simon Edelman)

Auf den strittigen Bildern zu sehen sind der US-Energieminister Rick Perry und der Kohlebaron Robert E. Murray bei einem Treffen im Energieministerium am 29. März 2017. Der Anlass des Treffens: Ein «Action Plan» zur «Rettung» der US-Kohleindustrie, für den Murray auch bei anderen Gelegenheiten lobbyierte. Vor und nach dem Treffen gab es herzliche Umarmungen. Aussergewöhnlich herzliche, nach Ansicht des Fotografen.

Perry: «Ich glaube, wir können Ihnen in dieser Sache helfen»

Edelman hatte bereits zwei Jahre für das Ministerium fotografiert, als Rick Perry, unter anderem ehemaliger Gouverneur von Texas, sein Amt antrat. Zu den Aufgaben des Fotografen gehörte es, Treffen des Politikers im Bild festzuhalten. Die Bilder verwendete die Behörde für offizielle Zwecke wie Pressemeldungen oder auf Webseiten.

Das Treffen schien gut zu laufen für den Vertreter der Kohleindustrie. «Ich glaube, wir können Ihnen in dieser Sache helfen», hörte Edelmann, der sich nach Beginn des Treffens noch etwa 15 Minuten im Raum aufhielt, Perry sagen.

Zur Zeit des Treffens war der erfahrene Politiker noch keinen Monat im Amt. Die beiden Männer standen schon länger in einem freundschaftliches Verhältnis zueinander. Murray hatte Geld für Trumps Präsidentschaftswahlkampf gesammelt und unterstützte seine Amtseinführung mit 300’000 Dollar. Er hatte auch den Republikaner Perry, der sich 2016 für das Präsidentenamt hatte aufstellen lassen und seine Kandidatur später zurückzog, finanziell unterstützt.

Subventionen für die Kohleindustrie

Zum Treffen mit Perry brachte Murray vertrauliche Dokumente mit, die eine «Rücknahme aller Anti-Kohle-Regulierungen der Obama-Administration» sowie «wenigstens eine Halbierung» der Belegschaft des Umweltministeriums EPA forderten. Das ist laut NYT auf Teilen von Edelmans Bildern zu sehen. Durch ein Memo Murrays, das der NYT vorliegt, wird bestätigt, dass die Trump-Administration dabei sei, die meisten der in den Papieren enthaltenen 16 Forderungen zu erfüllen. Murray bestätigte gegenüber der NYT, dass beide Dokumente denselben Inhalt haben.

Monatelang blieben die Bilder unbeachtet. Im September 2017 schlug Perry der Energie-Regulierungsbehörde FERC (Federal Energy Regulatory Commission) eine Gesetzesänderung vor: für Kraftwerke, die Brennmaterial für mindestens 90 Tage auf Vorrat lagern können, sollte die Rendite erhöht werden – ein Vorschlag, der einer Subvention für Atom- und Kohlekraftwerke gleichkommt. Ohne diese Änderung, warnte Perry, würden Kraftwerke schliessen müssen, was «die Zuverlässigkeit und Widerstandsfähigkeit des nationalen Netzes» gefährde.


Murrays Action Plan (li.) und ein vertrauliches Dokument in der Änderungen bei der Umweltbehörde EPA gefordert werden. (US. Dep. of Energy / Simon Edelman)

Fast dieselbe Aussage war auf den Papieren des «Action Plans» enthalten gewesen, den Murray Perry vorgelegt hatte, erinnerte sich Edelman. Auch da war von «Überleben der Kohleindustrie» und der «Zuverlässigkeit des Stromnetzes» die Rede gewesen. Er habe sich danach entschlossen, die Bilder an die Medien weiterzugeben, um das enge Verhältnis der beiden Männer zueinander offenzulegen, sagte er in einem Interview. Ein Recht, das ihm seiner Ansicht nach durch das «First Amendment» der US-Verfassung zusteht.

Auf Veröffentlichung folgt Entlassung

Am 6. Dezember erschienen die Bilder in «In These Times», einem liberalen Magazin, einen Tag später auch in der «Washington Post». Sie sorgten erwartungsgemäss für Irritation. Am 7. Dezember wurde Edelman per sofort freigestellt. Seine Kameraausrüstung und seinen Laptop musste er im Energieministerium lassen. Sein Arbeitsvertrag, wurde ihm später mitgeteilt, werde nicht verlängert, obwohl ihm das bereits zugesichert worden war.

Ein Angestellter des Ministeriums forderte den Fotografen danach mehrmals auf, die Bilder, die sich in einem Online-Folder befinden, zu löschen. Edelmans Laptop befand sich noch immer im Ministerium.

Edelman zeichnete einen dieser Anrufe auf, nahm sich einen Anwalt, reichte beim Energieministerium eine Beschwerde ein und beantragte Whistleblower-Schutz. Die Bilder, argumentierte der Anwalt John Tye, der bei der Non-Profit-Organisation «Whistleblower Aid» arbeitet, seien bereits öffentlich verfügbar und nicht als geheim oder vertraulich eingestuft, das Löschen somit unnötig.

Vorlage zurückgewiesen, Fotograf arbeitslos

Eine Sprecherin des Energieministeriums bezeichnete die Vorwürfe Edelmans gegenüber der NYT als «lächerlich». Das Ministerium werde täglich von Vertretern der Industrie besucht. «Der Minister begrüsst ihre Beiträge … zur Stärkung des amerikanischen Energiesektors. Dieses Treffen war nicht aussergewöhnlich». Ein Sprecher Murrays sagte der NYT im Januar, der Kohlemanager könne sich nicht erinnern, welche Aussagen er «vor fast ein Jahr vermeintlich gemacht habe».

Das vorläufige Ende vom Lied: Die Federal Energy Regulatory Commission hat Perrys Vorlage mittlerweile als unbegründet zurückgewiesen. Einige Politiker der Demokratischen Partei, darunter Bernie Sanders, haben eine Untersuchung von Edelmans Entlassung gefordert. Simon Edelman fordert seinen Arbeitsplatz zurück oder wenigstens sein persönliches Eigentum wie den Laptop.

In der Schweiz gibt es bisher keinen besonderen gesetztlichen Schutz für Whistleblower. Dabei deckt jeder zweite einen Misstand auf, berichtet die NZZ.
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Diesen Beitrag hat Daniela Gschweng aufgrund eines Berichts der «New York Times» und anderer Quellen erstellt. Grosse Medien in der Schweiz haben bisher nicht darüber berichtet.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

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