170926_NZZ_Front

NZZ-Afrika-Korrespondent über die Euro-Anbindung in Afrika © nzz

Darüber informiert die NZZ immer noch am besten

Urs P. Gasche /  Es geht um instabile Kriegs- und Konfliktzonen und die dortigen militärischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kräfte.

Wer sich in Schweizer Medien über folgenschwere Entwicklungen in afrikanischen Ländern, im Irak, in Syrien, Jemen, Saudi-Arabien, Katar, Ägypten, Libyen, Afghanistan oder Myanmar informieren möchte, muss die meist ausgezeichneten Berichte der NZZ-Korrespondentinnen und -korrespondenten lesen. Auch die NZZ musste zwar das Netz der Posten im Ausland reduzieren, beschäftigt jedoch noch immer hervorragende Leute.
Einzig wenn es um die Grossmachtspolitik der USA und um Russland geht, versteht sich die NZZ unter der Federführung von Eric Gujer und Andreas Rüesch und mit Hilfe einseitiger Gastbeiträge vorwiegend als Sprachrohr der Nato und greift zur Rhetorik des Kalten Krieges.
Schade.
Im Folgenden seien einige Ereignisse herausgepickt, über welche die NZZ im Gegensatz zu den meisten grossen Medien in der Schweiz in den letzten Monaten ausführlich informierte.

Der grausame Krieg in Jemen
Eindrücklich berichtete der unterdessen pensionierte Jürg Bischoff bereits im September 2016, dass «der Krieg den Jemen in die Katastrophe treibt». Der Krieg werde «von der Weltöffentlichkeit nahezu ignoriert». Während andere Medien häufig von einer «saudischen Koalition» reden, welche Jemen bombardiert, wies Bischoff auf die entscheidende Rolle der USA und auf den dort «völkerrechtswidrigen Einsatz amerikanischer Waffen» hin: «Washington hat signalisiert, dass es die saudische Angst, Iran wolle sich in Südarabien festsetzen, für übertrieben hält. Trotzdem unterstützen die Amerikaner den Luftkrieg, indem sie die saudischen Bomber betanken, nachrichtendienstliche Erkenntnisse liefern und bei der Zielerkennung mitarbeiten. Dabei geht es Washington weniger darum, Iran in Zaun zu halten, als sein ramponiertes Verhältnis zu Riad zu verbessern und die lukrativen Waffenverkäufe in Gang zu halten.»
Korrespondentin Monika Bolliger informierte einige Tage später aus Beirut, dass «Saudi-Arabien keine Zeugen im Jemen-Krieg» wolle und deshalb den Zugang für Journalisten blockiere. Die Saudis würden auch die Arbeit des UNO-Menschenrechtsrats behindern.
Diese wichtigen Informationen erklären, weshalb Medien über bestimmte Konflikte fast täglich informieren, bei anderen Kriegsherden wie demjenigen in Jemen so tun, als würden sie kaum existieren.
In einem Kommentar zur Fahrerlaubnis für Frauen, welche Saudi-Arabien ab Sommer 2018 einführen will, schrieb Monika Bolliger: «Es sollte dabei nicht vergessen werden, dass die politische Repression in Saudi-Arabien derzeit zunimmt, und auch nicht, dass Riad in Jemen für eine humanitäre Katastrophe und für Kriegsverbrechen Verantwortung übernehmen muss.»
«Präzendenzlose» Repression in Ägypten

Seit dem Militärputsch berichten Medien nur noch selten über die Entwicklung in Ägypten mit seinen fast hundert Millionen Einwohnern. Die Herrschaft Hosni Mubaraks hatten sie als diktatorisch und korrupt bezeichnet und seinen Sturz im Laufe des «arabischen Frühlings» als Erfolg der Demokratie dargestellt. Heute informieren grosse Medien kaum noch über das Regime des Ex-Generals Abd al-Fattah as-Sisi. Unter dem Titel «Jeder kann jederzeit verhaftet werden» berichtete Monika Bolliger im Oktober 2017, diesmal aus Kairo, dass die «Repression in Ägypten präzedenzlose Ausmasse angenommen» habe. Unter abstrusen Vorwürfen würde der Sicherheitsapparat Menschen verhaften, ohne Prozess verurteilen oder verschwinden lassen.

Das boykottierte Katar
Seit der Nachricht, dass Saudi-Arabien, die Emirate, Bahrain und Ägypten über Katar eine Quarantäne verhängten, den Kapitalverkehr einstellten und viele Verbindungen zu Land, zur See und in der Luft abbrachen, behandeln die meisten Medien dieses schwerwiegende, völkerrechtswidrige Vorgehen unter den «Faits divers». Anders die NZZ: Ulrich Schmid aus Jerusalem, Monika Bolliger aus Doha und Auslandredaktor Christian Weisflog hielten die Öffentlichkeit über die Hintergründe und die Entwicklungen informiert.

Das vergessene Afrika

Viele Medien melden hauptsächlich, aus welchen afrikanischen Ländern wie viele Menschen auswandern oder flüchten und sich auf den riskanten Weg ins reiche Europa machen.
Über die wirtschaftlichen, sozialen, politischen und militärischen Verhältnisse auf diesem Kontinent mit über 1,2 Milliarden Einwohnerinnen und Einwohnern erfahren Schweizerinnen und Schweizer in ihren Medien nur wenig. Diese beschäftigen höchstens je einen einzigen Korrespondenten für das ganze schwarze Afrika, teilen ihn zuweilen noch mit ausländischen Medien oder sind auf Agenturen angewiesen.
Mit Patrik Wülser hat Radio SRF einen eigenen ausgewiesenen Afrika-Korrespondenten mit Sitz in Nairobi. Eine Perle im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. [Nachtrag: Patrik Wülser verlässt seine Korrespondentenstelle im Spätherbst 2017 und wird neuer Leiter der Auslandredaktion von Radio SRF]
Einen aussergewöhnlich versierten Afrika-Kenner hat auch die NZZ mit David Signer angestellt. Er hat seinen Hauptsitz in der senegalesischen Hauptstadt Dakar. Für seine Hintergrund-Berichte ist er auf dem Kontinent viel unterwegs.
Im September 2017 wies er auf die Folgen der bei uns weitgehend unbekannten Tatsache hin, dass die sogenannten «Einheitswährungen» der ehemaligen französischen Kolonien beim Wechselkurs strikte an den Euro gebunden sind. De facto gehören diese Länder der Euro-Zone an. Frankreich garantiert die Konvertibilität. Acht Länder* haben die «Westafrikanische Währung» BCEAO, sechs Länder** die «Zentralafrikanische Währung» BEAC.
Als Folge davon können diese Länder ihre Währungen nicht abwerten, ähnlich wie Griechenland das nicht konnte. Signer zitierte Kritiker, nach deren Ansicht die Euro-Anbindung lediglich die grossen französischen und internationalen Konzerne bevorteile und die Kapitalflucht leicht mache. In vielen dieser Länder herrsche weiterhin die Dominanz Frankreichs: «Diese reicht von Militärbündnissen und bewaffneten Interventionen über politische Seilschaften mit dubiosen Staatschefs bis hin zu undurchsichtigen wirtschaftlichen Verflechtungen.»
Andrerseits habe die Anbindung an den Euro den Vorteil, dass es in diesen Ländern fast keine Inflation gebe und die Politiker zu einer geldpolitischen Disziplin zwinge, die sie von sich aus vielleicht nicht aufbringen würden.

David Signer berichtete in den letzten Monaten auch ausführlich über die «Gier nach Diamanten», welche Zentralafrika zerreisse und deshalb religiöse Kriegsmotive in den Hintergrund rückten. Eine ganze Seite widmete er dem «Tropen-Totalitarismus im Innern Afrikas», wo in Burundi «die Bewohner überwacht, kontrolliert und mundtot gemacht» würden.
Auf einer weiteren Seite beleuchtete er die Situation in Guinea-Bissau, das «trotz einer gewissen politischen Stabilisierung nach wie vor hochgradig korrupt» sei. Vor Ort recherchierte der NZZ-Korrespondent über den Kokainschmuggel, die Macht des Militärs, die noch nicht ausgebeuteten Bodenschätze, die Armut sowie die Aktivität der Entwicklungshilfe-Organisation Swissaid.
Am 23. Oktober dieses Jahres berichtete Signer über die «bisher in der Öffentlichkeit kaum bekannte Rolle der USA im Anti-Terrorkampf in Afrika». Anlass war der Tod von vier US-Soldaten in Niger. Und gerade gestern, am 3. November 2017, war auf NZZ online ein äusserst informativer Bericht von ihm über die Folgen der Frühverheiratung der Frauen in Afrika.
Hervorragend war auch die Reportage des deutschen Journalisten Klaus Sieg über den fragwürdigen Export von Fleischabfällen aus Europa und den USA nach Afrika, den die NZZ am Sonntag am 17. September veröffentlichte. Schiffsladungen mit Poulets aus Europa und den USA würden die traditionelle Geflügelzucht in Westafrika vernichten und unmöglich machen. Nach Angaben des nigerianischen Geflügelverbandes werde subventioniertes Fleisch im Wert von drei Milliarden Dollar pro Jahr ins Land geschmuggelt. Ohne diesen Schmuggel könnten in Nigeria rund eine Million Arbeitsplätze auf Farmen, in der Futterindustrie und in andern Berufen entstehen.
Dieser Artikel in der NZZ am Sonntag ist kostenpflichtig. Ein Beitrag mit den gleichen Fakten ist auf der Webseite des Autors frei lesbar (Menu «Arbeiten», auf Beitrag «Restrampe für Geflügel» klicken).

Bericht in der NZZ am Sonntag vom 17.9.2017 über die folgenschweren Importe von subventionierten Hühnern nach Westafrika.

———————-
*Senegal, Mali, Niger, Guinea-Bissau, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Togo, Benin
**Tschad, Kamerun, Zentralafrikanische Republik, Äquatorialguinea, Gabon, Republik Kongo


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

AfrikaHilfe

Afrika: Ausbeutung und Hilfe

Die Industriestaaten profitieren von Hungerlöhnen und Kinderarbeit. An Korruption sind sie oft beteiligt.

Zeitungen_1

Kritik von Zeitungsartikeln

Printmedien üben sich kaum mehr in gegenseitiger Blattkritik. Infosperber holt dies ab und zu nach.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

Eine Meinung zu

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...