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Bei Facebook sorgen immer noch Menschen für die Auswahl von Nachrichten. © CC

Facebook: Menschlicher Fehler statt Software-Panne

Daniela Gschweng /  Ende August entliess Facebook die News-Kuratoren. Angeblich, um sie durch Software zu ersetzen. Das ist jedoch nur halb richtig.

Am 26. August verkündete Facebook überraschend die Entlassung des Teams, das bis dahin die Facebook-Rubrik «Trending Topics» (Topaktuell) kuratiert hatte. Es entstand der Eindruck, das News-Team werde durch einen Algorithmus ersetzt.

In den darauf folgenden Tagen schlug die Nachrichtenauswahl katastrophal fehl. Beispielsweise verkündete Facebook die Entlassung der prominenten Fox-News-Moderatorin Megyn Kelly. Angeblich, weil sie Hillary Clinton als Präsidentschaftskandidatin unterstützt hatte. Nur wurde Megyn Kelly weder entlassen noch hat sie jemals ihre Unterstützung für Hillary Clinton ausgedrückt.
Ein anderer beliebter Post war ein Video, in dem ein Mann mit einem McChicken-Sandwich masturbierte.

Menschliches Versagen statt Software-Panne

Klarer Fall, der Algorithmus sei der Aufgabe nicht gewachsen, folgerten etliche Medien. Doch Facebook hatte das News-Team, das grösstenteils aus Journalisten bestand, durch ein neues Team von «Überwachern» ersetzt, berichtet das Online-Magazin «Slate».

Die Identität der Team-Mitglieder gibt das Unternehmen nicht bekannt. «Wir verlagern die Aufgabe auf ein Team mit dem Schwerpunkt Betrieb und technisches Wissen», teilte Facebook lediglich mit. Die mit grossem Brimborium verkündete Entlassung war also «nur» ein Austausch des Teams.

Eine Sprecherin des Unternehmens kommentierte die oben erwähnten Pannen im Feed folgendermassen: «Das Überwachungsteam hat das Thema [Megyn Kelly] akzeptiert…es stimmte mit ihren Richtlinien überein, weil es eine relevante Anzahl an Artikeln und Posts gab».

Allerdings stammte die Meldung über Megyn Kellys Entlassung von einer Seite namens «Conservative 101», verlinkt wurde sie von «endingthefed.com». Beides sind nach Facebook-Richtlinien keine zuverlässigen Nachrichtenquellen. Das neue Team bemerkte das zunächst nicht.

«Die Software ist halbfertig»

Für die früheren Mitarbeitenden kam die Kündigung grundsätzlich nicht überraschend. Sie hätten von Anfang an damit gerechnet, nur vorübergehend an Bord zu sein, bis der Algorithmus allein arbeiten könne, sagten drei Mitglieder des Teams, mit denen «Slate» gesprochen hat.

Schockiert zeigten sie sich unabhängig voneinander vom Zeitpunkt der Kündigung, mit der die Angestellten frühestens in einigen Jahren gerechnet hatten. Der Auswahlalgorithmus sei noch nicht ansatzweise soweit, die Auswahl selbständig zu übernehmen, sagten sie «Slate».

«Die Software ist halbfertig», urteilte ein Teammitglied. Und sie scheint im Laufe der Zeit auch nicht besser geworden zu sein: Verbesserungen hätten sich vor allem auf das Content Management System und Auswahlrichtlinien bezogen, erklärten die Befragten. An der Auswahl der Neuigkeiten hätte sich wenig geändert.

Eines der ehemaligen Teammitglieder schätzt, dass für jedes Thema, das akzeptiert wurde, «vier oder fünf» vom Team verworfen wurden. «Wir bekamen [von der Software] Aberhunderte von Topics», sagt er. Ein anderer gab an, von 50 Themen seien nur etwa 20 auf nachprüfbare Neuigkeiten zurückzuführen.

«Du klickst dich durch und watest in einem Müllhaufen»

Gut möglich, dass Facebook die unbequemen Journalisten loswerden wollte, schreibt «Slate». Nachdem der Auswahlvorgang für die «Trending Topics» bereits mehrmals von Mitarbeitern öffentlich kritisiert worden war, habe man sich im Silicon Valley womöglich Gegenmassnahmen überlegt.

Facebook, das nach eigenen Angaben nicht versucht, ein Medienunternehmen zu werden, aber nach den meisten Kriterien bereits eines der grössten und einflussreichsten Media-Outlets ist, versucht derzeit, seinen Einfluss zur vergrössern. «Unser Ziel ist es», liess das Unternehmen wissen, «‹Trending News› so vielen Nutzern wie möglich zur Verfügung zu stellen».

Für dieses Ziel wurde wohl ein wenig zu sehr vereinfacht. Wichtige Nachrichten würden in der neuesten Version der Software allem Anschein nach nur noch nach purer Häufigkeit ausgewählt, sagten jedenfalls die ehemaligen Mitglieder des News-Teams. «Du klickst dich durch und watest in einem Müllhaufen», meinte einer.

Ironischerweise geht das einher mit einer Qualitätsoffensive, die verspricht, nichtssagende Artikel mit aufmerksamkeitsheischenden Überschriften («Click-Bait») auf Facebook zu reduzieren und qualitativ hochstehende Nachrichten anzubieten.
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Diesen Beitrag hat Daniela Gschweng aufgrund eines Berichts des Onlinemediums «Slate» und anderer Quellen erstellt.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

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