Einnahme_Medikamente

Viel Bewegung und Diät kann Medikament zur Senkung des Blutzuckers vollständig ersetzen © DID

Diabetes-Medikament: Häufig kein Nutzen, nur Nebenwirkungen

Urs P. Gasche /  Das vielfach angeblich zur Senkung des Blutzuckers verschriebene Metformin senkt den Blutzucker in der wichtigsten Anwendung nicht.

Das weit verbreitete Medikament Metformin ist zugelassen «insbesondere bei übergewichtigen Patienten, deren erhöhter Blutzucker sich durch eine Diät und körperliche Aktivität alleine nicht kontrollieren lässt». So steht es in der Fachinformation der Medikamenten-Zulassungsstelle Swissmedic. Ausdrücklich hält Swissmedic fest: «Durch Verwendung dieses Arzneimittels kann nicht auf kalorien- und zuckerarme Diät und körperliche Aktivität verzichtet werden.»

Doch ausgerechnet bei Übergewichtigen, welche sich extra viel bewegen und eine intensive Diät einhalten, nützt die zusätzliche Einnahme von Metformin rein gar nichts. Viele der Betroffenen leiden nur an Nebenwirkungen von Metformin (siehe Kasten weiter unten). Das ergab eine Metastudie von Cochrane, einem internationalen Netzwerk von Wissenschaftlern, das von der Pharmaindustrie unabhängig ist. Cochrane konzentriert sich auf Resultate von Studien, deren Methodik einwandfrei und deren Aussagekraft gross ist. Forscher der University of Copenhagen werteten zwanzig Doppelblind-Studien mit insgesamt 6774 Patientinnen und Patienten aus.

Die wichtigsten Resultate

  • Übergewichtige, die sich mehr als üblich bewegen und eine intensive Diät einhalten, können das Risiko von Diabetes Typ 2 nicht weiter reduzieren, wenn sie Metformin einnehmen.
  • Nur wer sich lediglich standardmässig bewegt und normal isst, kann die Erkrankung an Diabetes Typ 2 mit Metformin verzögern oder vermeiden.

Eine gute Nachricht also für alle, welche eine Diät einhalten und sich jeden Tag eine halbe oder ganze Stunde richtig bewegen: Es lohnt sich. Sie können auf blutzuckersenkende Medikamente verzichten und bleiben von deren Nebenwirkungen verschont.

Weiterhin zweckmässig kann Metformin laut Swissmedic sein als Ergänzung zur Insulintherapie bei Diabetes Typ 1, wenn eine Behandlung mit Insulin den Blutzuckerwert ungenügend kontrolliert.

Kaum erforschte Nebenwirkungen

Wie üblich wird das Ausmass von Nebenwirkungen erst bekannt, nachdem ein Medikament zugelassen ist und breite Anwendung findet. Doch die Behörden verlangen bei der Zulassung von den Pharmafirmen nicht, dass sie nach der Vermarktung Studien zur raschen Entdeckung grösserer Nebenwirkungen finanzieren. Sie müssen lediglich von Ärzten und Spitälern gemeldete, vermutliche Nebenwirkungen den Behörden weiterleiten. In der Cochrane-Metastudie über Metformin heisst es dazu: «Data on patient‐important outcomes such as mortality, macrovascular and microvascular diabetic complications and health‐related quality of life were sparse or missing.»

In ihrer Fachinformation weist Swissmedic auf folgende Nebenwirkungen hin:

Nebenwirkungen von Metformin

Die Swissmedic gibt für diesen Blutzuckersenker folgende Nebenwirkungen an:
«Sehr häufig (>10%): Magen-Darm-Störungen wie z.B. Erbrechen, Übelkeit, Durchfall, Bauchschmerzen, Appetitmangel. In den meisten Fällen treten diese Erscheinungen zu Beginn auf und verschwinden dann von alleine, ohne dass die Behandlung abgebrochen werden muss. Um solche unerwünschten Wirkungen auf ein Minimum zu beschränken, wird empfohlen, Metformin Axapharm in mehreren Teildosen während den Mahlzeiten einzunehmen. Gehen diese Nebenwirkungen nicht zurück, sollten Sie Ihren Arzt bzw. Ihre Ärztin benachrichtigen. Er bzw. sie wird darüber entscheiden, ob und wie die Behandlung fortgesetzt werden soll.
Häufig (1-10%): Veränderungen des Geschmacksinns (Metallgeschmack).
Sehr selten (unter 0.01%): Überempfindlichkeitsreaktionen der Haut (z.B. Hautrötungen, Juckreiz, Nesselfieber), Laktatazidose. Das Risiko einer Laktatazidose soll durch strikte Beachtung der Vorsichtsmassnahmen reduziert werden (vgl. «Wann ist bei der Einnahme von Metformin Axapharm Vorsicht geboten?»).
Veränderte Leberfunktion, Leberentzündung.»

Viele Patientinnen und Patienten mit einem erhöhten Risiko für Diabetes Typ 2 nehmen wegen anderer Risiken weitere Medikamente ein. Dabei ist es wichtig, Wechselwirkungen zwischen diesen Medikamenten zu kennen. Swissmedic hat sie zusammengestellt:

Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten

«Zahlreiche andere Arzneimittel sowie Alkohol können bei gleichzeitiger Einnahme mit Metformin Axapharm die blutzuckersenkende Wirkung von Metformin Axapharm verstärken oder abschwächen bzw. unerwünschte Wirkungen auslösen oder verstärken.
Zu diesen Arzneimitteln gehören gewisse Antibiotika, Schmerz- und Rheumamittel, Hormone, wasserausschwemmende Mittel, Arzneimittel zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Arzneimittel zur Regulierung der Blutfettwerte, Mittel gegen psychische Erkrankungen und Depressionen, Arzneimittel gegen Epilepsie, Asthmamittel, Mittel gegen übermässige Säureproduktion im Magen, Krebsmittel, Arzneimittel zur Behandlung von Viruserkrankungen (z.B. HIV, Hepatitis C), iodhaltige Kontrastmittel (siehe «Wann darf Metformin Axapharm nicht eingenommen werden?»), Arzneimittel zur Behandlung von Blutgerinnungsstörungen.
Gewisse blutdrucksenkende Arzneimittel (z.B. Betablocker, Clonidin, Reserpin) können die Wahrnehmung der Warnzeichen einer Unterzuckerung beeinträchtigen.
Metformin Axapharm allein führt nicht zur Unterzuckerung; wenn Sie das Arzneimittel jedoch in Kombination mit Insulin oder anderen blutzuckersenkenden Mitteln (z.B. Sulfonylharnstoffen) nehmen, sollten Sie beachten, dass die Wirkung dieser anderen Präparate verstärkt werden kann.
Falls Sie eines oder mehrere solcher Arzneimittel einnehmen müssen, wird Ihr Arzt bzw. Ihre Ärztin möglicherweise die Dosis von Metformin Axapharm anpassen. Auf jeden Fall muss der Blutzucker häufiger kontrolliert werden.
Vermeiden Sie den Konsum alkoholischer Getränke; Alkohol kann die blutzuckersenkende Wirkung von Metformin Axapharm verstärken, übermässiger Alkoholkonsum kann die Gefahr einer Laktatazidose erhöhen.»

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Lesen Sie dazu:
Die NZZ preist Metformin aufgrund von Reagenzglas- und Tierversuchen als «Wundermittel» an. 30.12.2019
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Lesen Sie dazu eine weitere Beurteilung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) vom 4.10.2019:
«Kein Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen der Kombination Metformin/Dapagliflozin bei Diabetes Typ 2»

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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