Sperberauge

Auch die Corona-Task Force hinkt der Realität 10 Tage hinterher

Urs P. Gasche © Peter Mosimann

Urs P. Gasche /  «Der R-Wert bildet das Infektionsgeschehen vor rund 10 Tagen ab», räumt die «Swiss National Covid-19 Task Science Task Force» ein.

Entscheidend für die Entwicklung der Corona-Pandemie und für zu treffende Massnahmen sei, wie stark Covid-19-Erkrankte die Spitäler und Intensivstationen belegen und wieviele an oder mit Covid-19 sterben. Diese Meinung vertrat ich auf Infosperber schon während der ersten Corona-Welle. Das «irreführende Präsentieren von Corona-Fallzahlen» trage zur Beurteilung der Lage weniger bei.

Doch die neusten täglichen oder neuen Siebentage-Werte beherrschen immer noch viele Schlagzeilen. Manchmal wird dies damit gerechtfertigt, dass es durchschnittlich zehn Tage daure, bis Virusträger mit einem schlechten Verlauf in ein Spital eingeliefert werden. Deshalb kämen Zahlen der Hospitalisierungen als Kriterium für rechtzeitige Massnahmen zu spät.

Neustens muss die sogenannte R-Zahl als Kriterium dafür herhalten, ob Restaurants in einzelnen Kantonen länger als bis 19.00 geöffnet haben dürfen. Die effektive Reproduktionszahl R (genau Re) gibt an, wie viele andere Personen eine infizierte Person im Durchschnitt ansteckt. Es handelt sich um eine theoretische Berechnung mit einigen Annahmen. Doch dieses Kriterium hinkt der Realität ebenfalls zehn Tage hinterher. Die Task erklärt: «Der Re-Wert welcher heute berechnet wird, bildet das Infektionsgeschehen von vor ca. 10 Tagen ab. Grund ist die Verzögerung zwischen Ansteckung* und positivem Testergebnis.» Die Begründung erstaunt ein wenig, weil international davon ausgegangen wird, dass ein PCR-Test durchschnittlich schon zwei Tage nach der Übertragung des Virus ein positives Resultat anzeigt.
Viele Medien informieren über den «aktuellen» R-Wert, ohne zu sagen, dass dieser die Realität von vor zehn Tagen spiegelt.
Die verzögerte Wiedergabe der Realität illustriert die Task Force mit folgender Grafik:

Das Covid-Symbol in der Mitte zeigt den aktuell veröffentlichten R-Wert. Der tatsächliche Wert ist jedoch an diesem Tag schon deutlich tiefer (weisse Fläche).

Die Auslastung der Intensivstationen am 11.12.2020

Um die Entwicklung der Corona-Epidemie einzuschätzen, sollte im Vordergrund eine drohende Überlastung der Spitäler sein, welche die schweren Folgen des Virus ebenfalls mit rund zehn Tagen Verzögerung anzeigt. In Intensivstationen waren am 11. November schweizweit noch 20 Prozent der Betten frei, gegenüber 22 Prozent am 19. November, als Infosperber zum letzten Mal darüber informierte. Allerdings haben die Spitäler seither 4 Prozent der damals bereitgestellten Bettenkapazität wieder abgebaut. Am 11. Dezember lagen auf Intensivstationen 476 Patienten und Patienten, die positiv auf Sars-Cov-2 getestet wurden, am 19. Dezember waren es 525.

____________________

*Statt von der Übertragung des Virus schreibt die Task Force von «Ansteckung». Das assoziieren die meisten Leute mit einer Erkrankung. Doch die meisten Corona-Virusträger werden nicht krank.
Auslastung der Intensivbetten in der Schweiz am 19.11.2020. Etwas grössere Auflösung hier.
Quelle: icumonitoring.ch. Grafik: SRF.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

Coronavirus_1

Coronavirus: Information statt Panik

Covid-19 fordert Behörden und Medien heraus. Infosperber filtert Wichtiges heraus.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

2 Meinungen

  • am 12.12.2020 um 12:37 Uhr
    Permalink

    Danke für die Uebersicht. Könnte es sein, dass die Strategie der Angst als notwendig betrachtet wird, um auch bildungsferne Menschen und gleichgültige Fatalisten zu erreichen? Oder spielen wirtschaftliche Interessen auch eine Rolle? Wie ein Bericht des Beobachter zeigt, profitieren die Reichen sehr von den zahlreichen Konkursen der klein und mittelständigen Unternehmen. Zumindest jetzt noch. Der Bumerang wird ja noch kommen.

  • am 22.12.2020 um 15:02 Uhr
    Permalink

    Mich wundert es seit Monaten, dass es überhaupt noch jemand gibt, der den R-Wert für eine ähnlich ernst zu nehmende Messgrösse hält, wie den «Tacho» eines Fahrzeugs!
    CORONA jedenfalls verhält sich NICHT nach diesem WERT !

    Corona hat -unter Anderem- die Eigenschaften
    mehr oder weniger infektiös
    mehr oder weniger aggressiv zu sein —->

    Multipliziert man die Infektiosität (= Positive auf 100 000)
    mit der Agrressivität (= pro ZeitEinheit neu belegte Intensiv-Betten),
    so erhält man einen TATSÄCHLICH zutreffenden Indikator, wie gross die momentan
    von Corona ausgehende Gesamt-Gefärdung ist.

    Wer fundiertes Wissen mag, mag es gerne nachprüfen !

    Alles Gute !
    Wolfgang Gerlach, Ingenieur

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...