Mieterkampf

Hohe Grundrenten, hohe Mieten: Im Sektor Wohnen versagt der Markt © flickr

Wie Bodenbesitzer sich an den Mietern bereichern

Werner Vontobel /  Raum brauchen alle. Dafür zahlen wir einer kleinen, gut organisierten Minderheit eine erdrückend hohe Bodenbenutzungsgebühr.

Genaues über den Wert des Bodens weiss man nicht. Doch zumindest die gigantischen Grössenordnungen können wir erahnen: Gemäss dem Immobilienberater WüestPartner liegt der Marktwert aller Wohn-, Büro- und Verkaufsflächen (aber ohne Fabrikanlagen) in der Schweiz aktuell bei 3756 Milliarden Franken. Gemäss dem Bundesamt für Statistik beträgt der Wert aller Hochbauten (mit Fabriken) aber nur 882 Milliarden. Differenz 2874 Milliarden.
Ergo hat der Schweizer Boden, auf dem die Wohn- Büro- und Verkaufsflächen stehen, einen Marktwert von rund 2900 Milliarden. Davon dürften etwa 40 Prozent im Eigenbesitz und damit dem Markt entzogen sein. Damit bleiben kommerzialisierte Grundstücke im Wert von 1580 Milliarden Franken.

Nettorendite 3,7 Prozent: 50 Milliarden für Grundeigentümer

Ebenfalls bei WüestPartner lesen wir, dass die Anleger bei den Wohnimmobilien eine Nettorendite von 3,7 Prozent erwirtschaftet haben. Bezogen auf die 1580 Milliarden Franken heisst das, dass die Grundbesitzer bei den Mietern, Ladenbetreibern etc. jährlich gut 50 Milliarden Franken als leistungslose Abgaben eintreiben wollen. Das entspricht in etwa der Summe, die der Staat in Form von direkten Steuern kassiert – dafür aber wertvolle Gegenleistungen bietet.

Die Zahl von gut 50 Milliarden ist insofern theoretisch, weil nicht alle Vermieter ihre Rendite maximieren wollen. Der Anteil der genossenschaftlichen Wohnungen liegt gesamtschweizerisch etwa bei 4 bis 5 Prozent. Die anderen 95 Prozent werden aber zunehmend von professionellen «Grossgrundbesitzern» verwaltet. Und die sind knallhart.

So hat etwa der Versicherungskonzern Swisslife dem Zürcher Warenhaus Manor die Miete Knall auf Fall von 6 auf 19 Millionen Franken (oder 17 Prozent des Detailhandels-Umsatzes) erhöht – worauf Manor auszog. Dazu meinte Swisslife-CEO Patrick Frost: «Wenn wir keinen gerechten Mietzins bekommen, müssen Hunderttausende Versicherte auf die Rendite verzichten.»

Grundrenten in Zürich: 18 bis 28 Prozent

Doch nicht nur Detailhändler, sondern auch Wohnungsmieter bringt die Gier der Bodenbesitzer in existenzielle Not. Das geht aus einer Studie der Immobilien-Beratungsfirma IAZI hervor. Sie zeigt, dass in vielen Städten und Gemeinden die Miete für eine Wohnung von 90 Quadratmetern die «Schmerzgrenze» von 33 Prozent des durchschnittlichen Einkommens überschreitet.

Für Zürich sieht das so aus: Durchschnittliches Einkommen 82’930 Franken, Miete 29’554 Franken oder 36 Prozent; damit ist die Schmerzgrenze bereits um 3 Prozent überschritten.

Sehen wir uns das genauer an: Gemäss der Kostenstatistik der Zürcher Wohnbaugenossenschaften belaufen sich die effektiven Kosten (Bau, Unterhalt, Verwaltung, Abschreibung etc. aber ohne Baurechtszins) einer Wohnung von 90 Quadratmetern auf weniger als 14’500 Franken. Das heisst: Von den erwähnten 29’455 Franken Miete entfallen 15’000 auf die Bodenbenutzungsgebühr. 18 Prozent des Einkommens zahlt also der Durchschnittsmieter als Grundrente an die Bodenbesitzer.

Dazu kommt: In Zürich sind die Einkommen sehr ungleich verteilt. Deshalb liegt das steuerbare Medianeinkommen, das die Hälfte aller Haushalte unterschreitet, bei 53’200 Franken. Davon muss der Mieter sogar 28 Prozent an den Bodenbesitzer abtreten. Und wenn dieser Mieter (bei Manor) obendrein für 100 Franken einkauft, sind darin weitere gut 6 Franken Bodenbenutzungsgebühr enthalten.

Bei Mietwohnungen versagt der Markt

In der Schweiz herrscht angeblich Marktwirtschaft und Wettbewerb. Damit stellt sich die Frage, wie denn die Bodenbesitzer Mieten durchsetzen können, die weit über den effektiven Kosten liegen und für die Normalverdiener unerschwinglich sind. Neue Zahlen aus der Eidgenössischen Steuerverwaltung geben darauf eine erste Antwort. Danach haben sich Jahreseinkommen von 1996 bis 2016 teuerungsbereinigt wie folgt entwickelt:

– Minus 5 Prozent auf 22’000 Franken im untersten Viertel.

– Plus 7 Prozent auf 46’600 Franken im Median.

– Plus 15 Prozent auf 112’000 Franken im obersten Zehntel.

– Plus 40 Prozent auf 1,057 Millionen im obersten Tausendstel.

Bei dieser Ausgangslage versteht sich, dass der gewiefte Profitmaximierer sein Angebot auf das obere Segment und auf die mobile globale Oberschicht ausrichtet. Dort fallen zusätzlich auch die – in den erwähnten Einkommensstatistiken nicht berücksichtigten – hohen Kapitalgewinne und Erbschaften an. Für dieses obere Segment sind die hohen Immobilienpreise – und das ist der zweite Teil der Antwort – auch deshalb kein gröberes Problem, weil sie diese mit billigen Krediten finanzieren können. Wer hat, dem wird (Kredit) gegeben.

Eigentumswohnungen sind billiger – für die Oberschicht

Nehmen wir dazu wieder unser Beispiel aus Zürich. Dort kostet eine Eigentumswohnung von 90 Quadratmetern im Schnitt 1,2 Millionen Franken. Finanziert mit einer Hypothek zu 0,7 Prozent und bei monatlich 500 Franken Nebenkosten liegt die jährliche finanzielle Belastung für den Käufer bei 14’400 Franken bzw. bei nur 1200 Franken monatlich. Da kann man sich gleich eine viel grössere Wohnung leisten.

Dass dennoch die meisten Leute kleine Wohnungen mieten müssen statt grosse kaufen zu können, liegt wiederum daran, dass sie zu wenig verdienen (oder besitzen), um kreditwürdig zu sein. Laut einer Studie der ZKB können deshalb nur 10 Prozent der Schweizer Haushalte neu ein Eigenheim finanzieren

Damit haben wir ein sozial hoch explosives Gemisch: Erstes gehen die Einkommen immer weiter auseinander. Zweitens muss der ärmere Teil der Bevölkerung immer mehr für die Miete ausgeben.

Mieten fressen immer mehr vom Einkommen

In der Schweiz ist dieses Phänomen bisher noch nicht untersucht worden. Doch ein Blick auf die Statistik der Haushaltsausgaben 2016 zeigt in etwa dies: Das ärmste Viertel der Haushalte der unter 65-jährigen musste 2,9 Prozentpunkte des Bruttoeinkommens mehr für die Miete und weitere 3,6 Prozentpunkte mehr für Steuern und Krankenkassenprämien ausgeben als noch 2006. Dadurch ist das reale verfügbare Einkommen praktisch gleichgeblieben – ein Jahrzehnt Stillstand.

Deutschlands Unterschicht hat es aber noch viel härter getroffen. Dort musste das unterste Zehntel 1993 noch 27 Prozent des Einkommens für die Miete ausgeben, 20 Jahre später waren es schon brutale 39 Prozent – und das erst noch von einem um 10 Prozent tieferen Einkommen. Das Einkommen nach Miete ist damit um schmerzhafte 24 Prozent gesunken, während das BIP pro Kopf des ganzen Landes um 30 Prozent gestiegen ist. Da erstaunt es nicht, dass sich die Armutsquote der Mieterhaushalte (gemäss dem Deutschen Institut für Wirtschaft DIW) von 1991 bis 2015 von 15 auf 29 Prozent fast verdoppelt hat.

Doch auch diese brutalen Zahlen zeigen noch ein beschönigendes Bild. Berücksichtigt man auch die Altersklassen, stellt man fest, dass die jungen Mieter unter 35 Jahren noch sehr viel stärker betroffen sind. Das Problem wird sich also noch weiter verschärfen. In Frankeich und Italien sind ähnliche Tendenzen erkennbar.

Grundbesitz sozialisieren, um Marktwirtschaft zu retten

In Anbetracht dieser Entwicklung stellt sich Frage, ob wir die freie Marktwirtschaft retten können, ohne den privaten Grundbesitz zu sozialisieren. Der Gedanke ist nicht nur nicht abwegig, sondern sogar marktkonform. Schliesslich beruht die Marktwirtschaft auf hartem Wettbewerb, der dazu führt, dass sich die Preise an den günstigsten Kosten orientieren. Im Immobilienmarkt hingegen werden die Preise nur durch die Zumutbarkeit begrenzt.

Die professionellen Immobilienberater – respektive die Gewerkschaft der Bodenbesitzer – haben offenbar eine Norm von 33 Prozent Miete gemessen am Durchschnittseinkommen als «zumutbar» etabliert. Wie unsere Beispiele andeuten, hat dies zur Folge, dass die modernen Latifundisten eine Art Bodenbenutzungs-Steuer von 28 Prozent des Einkommens und 6 Prozent Umsatzsteuer erheben können. Im Gegensatz zu den viel tieferen staatlichen Steuern, erhalten wir dafür aber keinerlei Gegenleistungen. Mit Bauland erwirbt man eine Lizenz zum Eintreiben von Steuern. Deshalb wird Boden im Zentrum von Zürich oder Genf zu Preisen weit über 10’000 Franken pro Quadratmeter gehandelt.

Nun gibt es zwar viele andere Märkte, die auch nicht nach dem Drehbuch der reinen Lehre funktionieren. Doch dabei geht es meist um entbehrliche Luxusgüter. Wohnen hingegen ist ein elementares Bedürfnis. Deshalb ist der Wohnungsmarkt, so wie er heute funktioniert oder eben nicht funktioniert, für die Marktwirtschaft und für den sozialen Frieden in hohem Masse disruptiv.

Frühe Warnungen verhallten ungehört

Dabei kann niemand sagen, man hätte uns nicht gewarnt. Der damalige Münchner Oberbürgermeister Jochen Vogel (SPD) etwa sagte schon 1970: «Eine verschwindend kleine Minderheit wird durch die Entwicklung der Bodenpreise masslos reich.» Dass Vogel mit seinen Sorgen nicht allein war, zeigt dieses Zitat des bayrischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauss aus demselben Jahr: «Die Grundstückpreise in der Bundesrepublik Deutschland steigen in einem Masse, dass es nicht zu verantworten ist, diese Gewinne unversteuert in die Taschen einiger fliessen zu lassen.»

In der Schweiz befürchtete man gar, dass die zunehmende Konzentration des Bodenbesitzes zu revolutionären Zuständen führen könnte. Im Bericht der Expertenkommission zur Revision der Bundesverfassung von 1977 liest man: «Der Staat soll mit seiner Eigentumspolitik eine übermässige Konzentration von Vermögen und Grundeigentum verhüten. (…) Liesse der Gesetzgeber dieser Entwicklung völlig freien Lauf, würde sich wie vor der französischen Revolution eine «tote Hand» privater Vermögens- und Grundeigentums-Konzentrationen bilden. Die private Eigentumsordnung müsste zwangsläufig mehr und mehr in Misskredit geraten, und die Kräfte, die auf tiefgreifende Strukturänderungen hinarbeiten, würden Auftrieb erhalten.» Die Warnung verhallte ungehört. Mit der Folge, dass wir heute – nach weiteren 40 Jahren Vermögensballung – erst recht nicht mehr an tiefgreifenden Strukturveränderungen vorbeikommen.

Was immer die Rendite der Grundbesitzer schmälert, führt zu einer massiven Abwertung der Immobilien – und rüttelt damit am System: 85 Prozent der inländischen Ausleihungen der Schweizer Banken und rund 30 Prozent der gut 1000 Milliarden Franken Guthaben der Pensionskassen sind durch Immobilien gedeckt. Als in Berlin ein «Mietendeckel» nur schon diskutiert wurde, brach der Aktienkurs eines grossen Immobilientitels um 30 Prozent ein.

Abhilfe zu schaffen ist heute also noch viel schwieriger als damals. Doch gerade deshalb brauchen wir jetzt eine offene Diskussion ohne Tabus. Wenn wir die Marktwirtschaft nicht vollends «disruptieren» wollen, dürfen wir nicht zulassen, dass sich einige wenige (Vogel tippt auf eine Minderheit von 1,2 Prozent der Bevölkerung) noch massloser bereichern als bisher. Wir können nicht noch einmal ein halbes Jahrhundert zuwarten.


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Reich, arm, ungleich

Grösser werdende soziale Kluften gefährden demokratische Rechtsstaaten.

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12 Meinungen

  • am 18.12.2019 um 12:14 Uhr
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    Eine Lösung ist einfach:

    Die Einführung einer jährlichen Grund- oder Bodensteuer ab einer Quadratmeterzahl X pro Person und zwar abhängig von der Lage und unabhängig ob in Eigentum oder in Miete.

    Wir bewohnen mit 6 Personen ca. 120 qm in Zürich, 20 qm pro Person.

    Im Durchschnitt verfügt jeder Schweizer über mehr als 40 qm.

    Es gibt also irgendwo weitere 6 Personen, die auf 60 qm wohnen.

    Würde man in der Stadt Zürich eine Steuer von 100 Franken pro Monat auf jeden Quadratmeter erheben, der 40 qm übersteigt, so ergäbe dies einen Betrag von 20*100*12=24’000 CHF.

    Je nach Ausgestaltung liesse sich auch das Wohnraumproblem in den Städten sehr einfach lösen.

    Auch der unsägliche Streit um den Eigenmietwert hätte ein Ende.

    Diese Lösung wäre auch ohne die Einführung des Sozialismus möglich.

  • am 18.12.2019 um 12:37 Uhr
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    Ich habe letzthin infosperber vorgeworfen, dass er nicht misstände aller art thematisiere, sondern nur solche, die ins linke weltbild passen. Dieser artikel ist ein gutes beispiel dafür. Ich kritisiere den artikel nicht. Man hätte aber auch andere themen aus dem wohnungsmarkt auswählen können. Zum beispiel, dass das wohnbaugenossenschaftswesen einzelne privilegiert auf kosten der allgemeinheit. Und diese einzelnen nicht immer die bedürftigsten sind. Avenir suisse zeigte, dass subjekthilfe (unterstützung bedürftiger personen) zielführender ist, als subventionierte landabgabe an wohnbaugenossenschaften. Das wird man in infosperber wohl kaum lesen. Die parteilichkeit von infosperber zeigt sich weniger in der art, wie die themen behandelt werden. Sondern in der auswahl der themen. Wie schon früher von mir geschrieben, ist eine solche parteilichkeit zwar legitim. Es ist jedoch störend dass infosperber sich nicht als parteischreiber, sondern als objektives gewissen zu positionieren sucht.

  • am 18.12.2019 um 13:18 Uhr
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    Und in 40 Jahren wird man dann schreiben können, dass Jacqueline Badran eigentlich schon in den 2010er Jahren von Güterklassen gesprochen hat.
    Leider dominieren die Ideologen, so dass es momentan nur entweder oder gibt. Und nicht das jeweils zielführende System für die entsprechende Güterklasse. Wobei Ziel und System immer verhandelbar bleiben müssten. Wäre eigentlich alles ganz einfach, wenn es nicht so schwierig wäre, dem Kapital die eine oder andere Güterklasse teilweise oder ganz zu entziehen.
    Womit auch klar ist, wer oder was der wirkliche Souverän in diesem Land ist; und dass unser System momentan nicht demokratisch ist.

  • am 18.12.2019 um 16:23 Uhr
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    Der Artikel beschreibt zutreffend die zunehmende Belastung von Mietern durch die stark gestiegenen Wohnkosten. Eine Rechnung ist aber eine Milchbüchleinrechnung.

    Die 1.2 Mio Fr. Investitionskosten teilen sich auf in CHF 400’000 Eigenkapital (EK) und CHF 800’000 Fremdkapital (FK). Bei diesem Zinsumfeld kann der potentielle Ertrag des EK vernachlässigt werden, die FK schlagen pro Jahr dann mit CHF 5600 nieder. Die Nebenkosten fallen immer an, ob Mieter oder Eigentümer. Vergessen gegangen ist die jährliche Entwertung (oder umgekehrt, die Renovationskosten, Erhaltungskosten) von 2% des investierten Kapitals. Nehmen wir 1.5%, da die Erstehungskosten überhöht sind (Wert der Bausubstanz ohne Orts- und Lagezuschlag). Das ergibt weitere CHF 18000 pro Jahr. Somit ist belaufen sich die Nettokosten auf: CHF 23600 oder pro Monat auf knapp CHF 2000 + NK CHF 500 = CHF 2500 brutto.

    Steigt aber nun, und das ist so sicher wie das Amen in der Kirche, der Hypothekarsatz schon nur auf 3%, sieht es düster aus: CHF 24000 + 18000 = 42000 = CHF 3500/Mt + CHF 500 NK = CHF 4000 pro Monat. Und da gehörte dann auch der entgehende Zins für das investierte Eigenkapital noch dazu. Bei 1% wären das weitere CHF 400.

    Sinkt nun der Wert der Liegenschaft irgendwann, Gründe gibt es einige: sinkende Bevölkerungszahl (nicht alle wohnen in der Stadt oder am See), dann wird die Bank mehr EK fordern. Wer 90m² für 1.2 Mio geht ein grosses Risiko ein.

    Am grundlegenden Tenor des Artikels ändert sich aber nichts.

  • am 18.12.2019 um 18:57 Uhr
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    Der erste, der ein Stück Land mit einem Zaun umgab und auf den Gedanken kam zu sagen »Dies gehört mir« und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der eigentliche Begründer der bürgerlichen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, wieviel Elend und Schrecken wäre dem Menschengeschlecht erspart geblieben, wenn jemand die Pfähle ausgerissen und seinen Mitmenschen zugerufen hätte: »Hütet euch, dem Betrüger Glauben zu schenken; ihr seid verloren, wenn ihr vergesst, dass zwar die Früchte allen, aber die Erde niemandem gehört«.
    ……. Que de crimes, de guerres, de meurtres, que de misères et d’horreurs n’eût point épargnés au genre humain celui qui, arrachant les pieux en comblant le fossé, eût crié à ses semblables; Gardez-vous d’écouter cet imposteur; vous êtes perdus, si vous oubliez que les fruits sont à tous et que la terre n’est à personne.

    (Jean-Jacques Rousseau – Discours sur l’origine et les fondements de l’inégalité parmi les hommes)

  • am 19.12.2019 um 10:29 Uhr
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    @Christian von Burg:

    Völlig richtig, dass Genossenschaften profitieren und es wohnen dort gerade nicht die Bedürftigsten.

    Versuchen Sie mal als alleinstehende Ausländerin dort unterzukommen.

    Auch die staatlichen Wohnungen werden nicht gerecht verteilt.

    In Zürich gibt es einen Riesenandrang.

    Wer Glück hat oder evtl. in einer Partei eine Funktion innehat, erhält sozusagen Geld, die anderen zahlen dies via Steuern und müssen zusätzlich noch mehr für die Miete ausgeben.

    Dies gilt bei exakt gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen.

    Nur wenn jeder Bürger dieselben Chancen auf eine staatliche Wohnung oder eine Genossenschaftswohnung hätte, wäre dies gerecht.

  • am 19.12.2019 um 11:47 Uhr
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    Dieses Thema ist ein weiteres Beispiel für «Wer hat, dem wird gegeben.» Das kommt ganz zwangsläufig durch die Differenz zwischen Haben- und Schuldzinsen und als Lösung bieten sich Steuersysteme an, mit genügend Progression um die inhärente Verteilung von unten nach oben auszugleichen, was beim Boden meistens nicht klappt.

    Ich kenne so viele Leute, die ursprünglich etwas Boden besassen, der nun Banken oder Pensionskassen gehört, welche eben wissen, wie man damit spekuliert. Persönlich wohnt meine Familie ganz ideal im Baurecht: Das Land gehört der Gemeinde, aber wir dürfen es gegen einen Zins so nutzen, wie wir wollen, nur nicht verkaufen. Damit ist es der Sekulation entzogen.

  • am 19.12.2019 um 14:22 Uhr
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    Endlich wird in diesem Artikel die Spekulation mit dem Boden thematisiert. Die Nutzung des Bodens ist ein Grundbedürfnis. Einfamilien- und Mehrfamilienhäuser, Firmen, öffentliche Bauten, die Landwirtschaft, der Verkehr… sie alle brauchen bezahlbaren Boden. Die Explosion der Bodenpreise ist deshalb für Eigentümer, Mieter und Firmen ein grosses Problem. Bodenpreise haben nichts mit einer Wertsteigerung durch Leistung zu tun, dies im Gegensatz zu den Bauten, welche auf Boden erstellt werden. Die Bodenpreis-Spekulation müsste deshalb zwingend unterbunden werden. Um dieses Ziel zu erreichen gibt es sicher verschiedene Wege, die endlich evaluiert werden müssten. Dabei steht nicht Privatbesitz versus Verstaatlichung im Vordergrund. Vielleicht müsste der Bodenbesitz für privatrechtlichte Eigentümer beschränkt und maximale Bodenpreise, z.B. abgestuft nach Nutzung und Region, festgelegt werden. Das Vermögen des privaten oder öffentlich-rechtlichen Grundeigentümers würde dadurch nicht eingeschränkt, nur dessen teilweise astronomischer Vermögenszuwachs ohne Leistung. Die Vergabe von Land im Baurecht ist schon heute eine Option für alle Grundeigentümer. Es kann doch nicht sein, dass der Bodenpreis heute die Kosten der darauf erstellten Bauten übersteigt!

  • am 20.12.2019 um 00:24 Uhr
    Permalink

    @von Burg (& Marte)

    Sie sind besorgt, dass
    – im Wohngenossenschaftswesen die «Allgemeinheit» (Arbeiter) von einzelnen Privilegierten «gerupft» wird

    und

    – infosperber durch Parteilichkeit bzw. unvollständige Darstellung die Leserschaft «im Dunkeln lässt».

    Ich denke, Sie üben sich hier in vielfacher Weise in der Kunst der (Selbst-)Täuschung.

    1. Jedem ist Ihre Geschichte von «Reichen in Genossenschaftswohnungen» hinlänglich bekannt. Hier herrscht keinerlei Informationsdefizit! Massenmedien (TA, NZZ, SRF, Blick usw.) verbreiteten es 100fach. Niemand, auch kein infosperber-Leser, konnte sich dieser «wichtigen» Info entziehen. Wir haben’s internalisiert.

    2. Sie pochen nun d’rauf, dass damit auch noch die infosperber-Seiten zugemüllt werden. Ihr Wunsch/Verlangen scheint die Totalität/Totalitarität zu sein. Abweichler sind zu-recht-zuweisen …

    3. Nein? Sie sind nur besorgt, dass die Menschen nicht das vollständige Spektrum an Informationen erhalten und sich folglich keine fundierte Meinung bilden können?

    4. Fragen Sie doch beim «Mann auf der Strasse oder im Club» nach, ob oder wie oft ihnen in den Massenmedien Gedanken wie jene von Vontobel begegnet sind. Sie werden gleich wissen, wie ein verstörter, leerer Blick aussieht.

    5. Ginge es Ihnen also effektiv um ein Schliessen von Informationslücken, würden Sie bei NZZ usw. anklopfen und dort darauf pochen, dass den «Massen» doch nicht länger solche neue, andere Sichtweisen vorenthalten werden. Das nenn› ich: Entwicklungshilfe!

  • am 20.12.2019 um 00:27 Uhr
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    Empfehlung: Andere (und sich) nicht durch Ignoranz gegenüber Grössenordnungen zu täuschen versuchen.

    0.5% ist massiv weniger als 60% – oder wie durch die Lenkung von Aufmerksamkeit getäuscht und betrogen wird

    Ca. 5% der Wohnungen gehören Genossenschaften/Staat. Davon werden – grosszügig gerechnet – ein Zehntel an «Privilegierte» vermietet.
    [NB: Mindestens Kostenmiete. Einzig der Rendite-/Gewinnanteil fehlt (also jenes Geld, das leistungslos (!) an andere Reiche/Privilegierte geht. Eine Durchmischung wird angestrebt, weil es vorteilhaft ist, keine Sozialhilfe-"Gettos» entstehen zu lassen. Gesamtbetrachtungen (resp.: Psychologie/Soziologie) sind für viele ein «rotes Tuch» – also etwas, das sie glauben, bei ihrer Meinungsbildung ignorieren zu können.]

    Die «Allgemeinheit» verliert bei 0.5% der Wohnungen etwas Geld. Herr von Burg möchte nun, dass unsere Augen ganz feste auf diese paar «erschlichenen» Millionen starren. Keine Horizonterweiterung, ja nicht die Aufmerksamkeit auf die «schiefe» Bahn lenken, wie z.B.:

    Neben diesen 0.5% gibt es noch 60% (!) Wohnungen, bei denen den Arbeitern mindestens das 100fache (50 Milliarden) aus den Taschen gezogen wird.

    Herr von Burg, bei mir sieht die Sorge um den Arbeiter (bzw. Mitmenschen) anders aus!
    Auch das Bemühen um Objektivität/Informiertheit – in den Medien & bei sich selbst – kann ich bei Ihnen nicht im Ansatz ausmachen. Im Gegenteil.

    Auf eine besinnliche resp. reflektionsreiche Weihnachtszeit!

  • am 2.01.2020 um 10:56 Uhr
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    Danke für diesen Artikel, der einen viel zu wenig beachteten Aspekt unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung thematisiert. Wieso dieser Asepkt vor allem ein sog. «linkes Weltbild» bedienen soll, erschliesst sich mir nicht. Eine Marktwirschaft lebt davon, dass derjenige verdient, der Produktives leistet (in einem sehr weiten Sinne verstanden). Das Abpressen von ökonomischen Renten gehört nach meinem Verständnis nicht dazu.

  • am 3.01.2020 um 01:09 Uhr
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    Die Mietzinsen sind viel zu hoch, trotz sinkender Hypozinsen sind sie nie im entsprechenden Masse zurück gegangen. Da wäre doch der Job des Preisüberwachers gefragt!

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