Democharkow

Ukrainische Nationalisten an einer Demo am 14. Oktober 2014 © gk

Demokratie im Licht faschistischer Fackeln

Christian Müller /  Die Ukraine ist aus den westlichen Medien fast verschwunden. Was jetzt dort abläuft, passt nicht mehr ins Anti-Putin-Konzept.

Der 14. Oktober ist in der Ukraine ein spezieller Tag. Am 14. Oktober 1943 nämlich wurde die UPA, die Ukrainische Aufstands-Armee, gegründet: der militärische Arm der OUN, der Organisation der Ukrainischen Nationalisten*. Und der «Held» dieser UPA war Stepan Bandera, der bis zum Ende seines Lebens, oft in Zusammenarbeit mit der deutschen SS, wohl gut und gerne etwa 120’000 Menschenleben auf dem Gewissen hatte – sofern er denn ein Gewissen hatte.

Das erklärte Ziel der UPA, die ihre Heimat in Galizien hatte, war, die Ukraine ethnisch zu säubern. Es ging vor allem gegen die Polen, gegen die Juden und gegen die Russen.

So ist es kein Zufall, dass auch am 14. Oktober 2014 ukrainische Nationalisten zu Demonstrationen und Fackelumzügen aufgerufen haben. Das folgende – ebenso informative wie erschreckende! – Video , aufgenommen in Charkow, zeigt die Stimmung dieser Umzüge. Und auch dieses Video!

Doch die Demonstranten hatten auch klare Forderungen. Sie verlangten vom Parlament in Kiev, die UPA, die bisher als paramilitärische Organisation behandelt wurde, sei mit der offiziellen ukrainischen Armee jener Zeit gleichzustellen: eine historische Rehabilitation der UPA sozusagen. Wie dieser Forderung in Kiev von den nationalistischen Massen Nachdruck verschafft wurde, zeigt ein anderes, ebenfalls sehr anschauliches Video.

Gleichzeitig gab es von rechtsnationalistischen Gruppierungen (Rechter Sektor, Mitglieder verschiedener Freiwilligen Bataillone) auch weitere Forderungen: die Legalisierung der Freiwilligen (bzw. von Oligarchen bezahlten) Bataillone, die Lieferung von schweren Waffen an diese sowie anderen «technischen Support» und die Bezahlung der Hinterbliebenen von Gefallenen dieser Freiwilligen-Bataillone nach dem Tarif der offiziellen Armee. Auch diesen Forderungen wurde mit Einsatz von Gewalt Nachdruck verschafft. Siehe das folgende, in Kiev aufgenommene Video. Ein Video notabene nicht etwa aus russischen Propaganda-Quellen, sondern ein Beitrag im Ukrainischen Fernsehen!

Was sagt das offizielle «Kiev» dazu?

Und wie reagiert die Regierung auf all das? Der UPA Heldentum zu attestieren, wäre in Anbetracht der notwendigen wirtschaftlichen Unterstützung der Ukraine durch die EU wohl etwas riskant gewesen, würden dadurch doch sogar Urteile der Nürnberger Prozesse von 1945 bis 1949 desavouiert. So fand man eine «symbolische» Lösung: Der bisherige Feiertag für die Verteidigung der Heimat Ukraine, seit dem Jahr 1999 der 23. Februar, wurde kurzerhand abgeschafft beziehungsweise neu auf den 14. Oktober verlegt. Poroschenko hat dieses neue Gesetz zwischenzeitlich bereits unterzeichnet. Im Hinblick auf die Wahlen am 26. Oktober braucht er die Unterstützung der Faschisten.

Die Ukraine, ein von der EU und der Nato heiss umworbenes und gehätscheltes Land, wird also künftig am Jahrestag der Gründung der UPA, einer SS-Partner-Organisation, ihre «Verteidigung der Heimat» feiern.

Nationalismus pur. Und braun dazu. Sehr braun.
. . . . . . . . . . . . . .

* Warum es gerade der 14. Oktober ist, ist schwer nachvollziehbar. Historische Quellen zeigen auf, dass die UPA schon vor dem 14. Oktober 1943 aktiv war. Aber offensichtlich war dieser Festtag (Pokrova), der bei den dortigen Gläubigen gleichzeitig der Tag der Heiligen Maria ist, auch der grosse Tag der UPA.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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2 Meinungen

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 22.10.2014 um 00:57 Uhr
    Permalink

    Begriffe wie «faschistisch» und «braun» haben Kampfcharakter und beruhen wohl nicht auf Recherchen und Gesprächen vor Ort. Jahrestage sind, wie von CM angedeutet, eine volkskundliche Angelegenheit, oft noch religiös konnotiert. Ich fürchte, der Fanatismus in jener Weltgegend nimmt zu, insofern ist der Artikel gewiss berechtigt. Wer Freude am je nachdem ziemlich dreckigen Faschismusvorwurf hat, hätte diesen auch gegen den Jurassier Roland Béguelin in seinem Fanatismus für die ethnie française anwenden können, man schreckte auch nicht vor Gewalt zurück, aber solche Vorwürfe, an die ich mich erinnere, waren natürlich völlig überzogen. Sicher ist, dass wir in einer Epoche des zunehmenden Nationalismus leben. Dieser wird derzeit auch in der Ukraine angeheizt. Der Begriff des Faschismus ist heute für sachliche politische Diskussionen weitgehend ungeeignet, es fehlen meistens auch die analytischen Voraussetzungen.

  • am 23.10.2014 um 15:13 Uhr
    Permalink

    "Der Begriff des Faschismus ist heute für sachliche politische Diskussionen weitgehend ungeeignet, es fehlen meistens auch die analytischen Voraussetzungen."

    Sehr schön gesagt, ich stimme 100% zu. Es fängt ja damit an, dass sich die Nationalsozialisten explizit nicht als Faschisten sahen und sich von diesen (d.h. Mussolinis Bewegung) stets abgegrenzt haben. Und gerade die ukrainischen Nationalisten wurden von den deutschen Nationalsozialisten ja eben nicht unterstützt (in ihrem Streben nach einem unabhängingen Staat), Stepan Bandera wurde gar verhaftet. Aber in der Kriegs- und Nachkriegspropaganda spielt all das natürlich keine Rolle mehr. Da wird nur noch mit Farbkübeln um sich geworfen.

    Faszinierend ist, wie sich der Begriff (bzw. eher «Vergriff") ‹Faschismus› so gut halten konnte während 70 Jahren. Das haben wir wohl insbesondere den propagandistisch unterwanderten und instrumentalisierten Medien zu verdanken.

    Ich bin generell der Ansicht, dass sich Publizistik viel mehr aus der Historiographie heraushalten sollte. Man stelle sich vor, Publizisten wollten etwa in der theoretischen Physik so mitschwatzen, wie sie es in der Geschichtswissenschaft zu dürfen meinen. Hier wie da endet es in einem Fiasko.

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