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Apartheid: Ausweis ab 16 Jahren schreibt stark beschränkte Bewegungsfreiheit vor. © sa

Die Schweiz an Rassenpolitik beteiligt (Teil 2)

upg /  Weder Banken und Industrie haben ihre Sünden im Apartheid-Regime aufgearbeitet (Teil 1), noch Bundesrat, Parteien und Medien.

In Ansprachen und Reden an die Öffentlichkeit verurteilten Bundesrat und Parteien die Rassenpolitik in Südafrika. Mit ihren Taten machten Regierung, Verwaltung und Parlament das Gegenteil. Sie erteilten ausländischen Apartheid-Gegnern Redeverbote, verbreiteten Apartheid-Propaganda und gewährten Banken und Industrieunternehmen, die im Südafrika der Sechziger- und Siebzigerjahre lukrative Geschäfte machten, optimale Unterstützung.
Offizielle Schweiz behandelte Südafrika privilegiert
Mit folgenden Massnahmen unterstützten unsere Behörden die Schweizer Unternehmen in Südafrika:
• Die Schweiz schaffte den Visumszwang mit Südafrika ab, während die USA und die meisten Staaten Europas noch an der Visumspflicht festhielten.
• Ein früh abgeschlossenes Doppelbesteuerungsabkommen machte das Investieren noch interessanter. Für 70 Prozent der Exportkredite übernahm der Bund das Risiko.
• Die Nationalbank erlaubte dem südafrikanischen Regime schon seit 1948, in der Schweiz öffentliche Anleihen aufzunehmen. Mit Ausnahme der USA und den europäischen Ländern hatten bis 1972 nur die niederländischen Antillen so viel Geld in der Schweiz aufnehmen können wie Südafrika.
• Während die Schweiz den damaligen Uno-Boykott gegen Rhodesien mittrug und den Wirtschaftsverkehr freiwillig auf dem damaligen Niveau einfror, stellten sich die Behörden taub, als die Uno einen Boykott gegen Südafrika beschloss. Der Wirtschaftsverkehr konnte weiter wachsen.
• Als die Weltgesundheitsorganisation 1964 der südafrikanischen Delegation das Stimmrecht entzog, stimmte der Schweizer Delegierte gegen die klare Mehrheit – entgegen der Gepflogenheit, sich bei politischen Abstimmungen der Stimme zu enthalten. BBC-Verwaltungsrat Paul Eisenring widersetzte sich einem anschliessenden Postulat im Nationalrat, das Schweizer Delegierte bei politischen Abstimmungen zur Stimmenthaltung verpflichten wollte.
• Weiter durfte Südafrika in der Schweiz Militärattachés akkreditieren.
• Vieles deutet darauf hin, dass der Schweizer Geheimdienst mit Hilfe von Südafrika die Schweizer Anti-Apartheid-Organisationen überwachte. Erst ein Blick in die verschlossenen Archive brächte die Wahrheit an den Tag.
Schweizer Botschafter: «Schwarze sind primitiv»
• Zwischen 1956 und 1963 hatte die Schweiz mit Franz Kappeler einen Sondergesandten und Botschafter in Südafrika, der öffentlich erklärte, die Schwarzen Südafrikas seien «wegen ihrer Primitivheit und Armut» so wenig zivilisiert. Unter den Bantus gebe es «einige wenige besonders begabte Menschen, die aber sehr dünn gesäte Ausnahmen darstellen». Das «eigentliche Staatsvolk» seien die Weissen in diesem «ziviliserten» Staat, der «die individuellen Freiheiten garantiert und in dem eine unabhängige Justiz einen hohen Grad an Verantwortungssinn besitzt».
• Die südafrikanische Botschaft in der Schweiz durfte in grosser Auflage ihre Prachtsillustrierte «Panorama» an Ärzte, Zahnärzte und Coiffeure «zuhanden der Kunden» gratis verbreiten.
• Gleichzeitig erteilte der Bundesrat 1966 einem südafrikanischen Gegner der Apartheid-Politik ein Redeverbot.
Bundesamt klärte über «Eingeborene» und «Negerstämme» auf
Besondere Blüten trieb das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit Biga (Heute im Staatssekretariat für Wirtschaft Seco integriert). Ein Biga-Merkblatt von 1968 für Schweizer, die nach Südafrika auswandern wollten, enthält alles, was man wissen muss, um in Südafrika glückliche Tage zu verbringen. Einige Zitate (übersetzt): «Neben den Weissen…gibt es Eingeborene, die verschiedenen Negerstämmen angehören…Die Europäer unterhalten keine sozialen Beziehungen mit Personen anderer Rassen.» Und weiter: «Wer eine europäische Hausangestellte mitnimmt, stellt auch fast immer mehrere einheimische Bedienstete an, so dass das (europäische) Mädchen keine Haushaltarbeiten machen muss…Da die Apartheid-Politik eine wichtige Rolle spielt…muss man ihre Rechtfertigung kennenlernen. Wir übernehmen im Folgenden kommentarlos einige Referats-Auszüge eines Verfechters dieser Politik…»
Kein Wort davon, dass die Schweizer Behörden das Regime wegen Menschenrechtsverletzungen moralisch verurteilten. Zur weiteren Information empfahl das Biga den auswanderungswilligen Schweizern ausschliesslich apartheid-freundliche Bücher. Kritische Veröffentlichungen, zum Beispiel Berichte der Uno-Menschenrechtskommission, fehlten auf der Bücherliste des Biga. Dafür betonte das Bundesamt im Merkblatt: «Sie dürfen nie vergessen, dass Sie der weissen Rasse angehören und deshalb gewisse konventionelle Limiten nicht überschreiten dürfen.»
Erst 1971 ersetzte das Biga «Negerstämme» durch «schwarze Stämme». Heute meint man dazu, die Bezeichnungen «Negerstämme» und «Eingeborene» seien «daneben» gewesen. «Aus der Sicht der heutigen Generation» lasse sich dies «allerdings leicht feststellen», rechtfertigt sich das Bundesamt.
Handelszeitung: «Investitionen sicher und einträglich
Tatsache ist: Es gab schon damals genügend Informationen über die Realitäten in Südafrika. Wie sonst hätte es zu den Protesten und kritischen Tönen kommen können, die in der Schweiz unüberhörbar waren und den Profiteuren der Südafrika-Geschäfte gar nicht schmeckten: Die Schweizerische Handelszeitung ärgerte sich schon Ende der Sechzigerjahre über «politische und religiöse Gruppen», die «in- und ausserhalb der Generalversammlungen gegen Investitionen in Südafrika» auftraten. Dabei sei Südafrika doch «eines der wenigen übrig gebliebenen Gebiete, in denen Investitionen keiner Verstaatlichung ausgesetzt» seien. Anlagen in Südafrika seien «nicht nur sicher, sondern auch am einträglichsten». Die Handelszeitung glaubte zu wissen, weshalb sie das Apartheid-System verteidigte: «Jedem Kopf in Südafrika seine Stimme – und die 28 Milliarden (Investitionen) sind verloren.» Dies zeige «das Interesse der gesamten investierenden Welt an der Verteidigung des Weissen gegen die Eroberungswünsche des schwarzen Afrika».
Rügen für «Hans O. Staub» und «Dr. Studer»
Neben Redaktoren der Handelszeitung liessen sich viele andere Schweizer Journalisten und Parlamentarier nach Südafrika einladen – auf Kosten der Regierung in Pretoria. Die dortigen Vertreter der Schweizer Wirtschaft im «Swiss-South-Africa-Committee» (SKA, SBV, Nestlé, BBC, Sulzer, Schindler usw.) sorgten dann während sorgfältig ausgewählten «Standard-Rundfahrten» für die «richtigen» Informationen. Im Anschluss an die Einladung prüfte das Committee sorgfältig, ob alle Journalisten nur Positives berichtet haben. In einem Sitzungsprotokoll von 1970 bedauerten die Wirtschaftsvertreter im Committee, dass «Hans O. Staub, Chefredaktor der Weltwoche, negative Artikel über Südafrika veröffentlicht» habe. Auch «Dr. Studer» (späterer Chefredaktor des Tages-Anzeigers und des Schweizer Fernsehens) habe einen «unkorrekten Artikel im Tages-Anzeiger» geschrieben.
14 Programme im Schweizer Radio gelobt
Meistens waren die Committee-Mitglieder allerdings zufrieden. «Dr. Steiner» schreibe für die NZZ und die Schweizerische Politische Korrespondenz jeweils ausgezeichnet. Das gleiche gelte für «Dr. Gut» von der Zürichsee Zeitung. Ein Herr Hotz vom Radio DRS nahm gleich selber an Committee-Sitzungen teil. Während eines Besuchs in der Schweiz habe er 14 Radioprogramme über Südafrika aufnehmen können, berichtete er den Wirtschaftsvertretern stolz. Und jetzt habe ihm Fernsehdirektor Guido Frei sogar einen sechswöchigen TV-Ausbildungskurs offeriert.
Fernseh-Direktor ärgert sich über «negative» Filmangebote über Südafrika
Frei habe gesagt, er erhalte von andern europäischen Fernsehanstalten immer wieder Südafrika-Filme angeboten, die «negativ» seien. Das Committee sicherte einem Schweizer Fernsehteam seine Hilfe zu. Regelmässig lud das Committee auch Schweizer Parlamentarier ein, um ihnen ein korrektes Bild Südafrikas zu vermitteln. Schweizer Unternehmen halfen dabei tatkräftig.
Unternehmen und Banken halten Archive immer noch unter Verschluss
Doch vom Aufarbeiten der Schweizer Haltung zum Rassenregime will bis heute niemand etwas wissen, obwohl Südafrika die Hand zur Versöhnung reichte. Schweizer Unternehmen und Banken öffnen ihre Archive nicht.

Bis heute keine Aufarbeitung und keine Entschuldigungen

Schweizer Banken und Unternehmen profitierten vom rassistischen Gewaltregime in Südafrika nicht nur enorm, sie verteidigten die Apartheid-Politik vehement. Und alles mit Unterstützung unserer Behörden. Heute tun alle so, als ob sie sich in Südafrika als Musterschüler verhalten hätten. Sie weigern sich, zum Versöhnungsprozess beizutragen und wollen sich für begangene Fehler nicht entschuldigen.
Die kleine Schweiz war eine der grössten Investorinnen im Apartheid-Staat. Schweizer Unternehmen investierten in Südafrika dreimal so viel Geld wie im ganzen Rest des afrikanischen Kontinents. Der südafrikanische Gold- und Diamantenhandel lief vorwiegend über die Schweiz. Und die Schweizerisch-Südafrikanische-Gesellschaft sorgte dafür, dass die Apartheid-Politik bei uns einen guten Ruf genoss. Wer es in den Sechziger- und Siebzigerjahren wagte, die Rassenpolitik zu kritisieren, wurde als Linker abgestempelt und mit der Frage abgefertigt: «Waren Sie selber denn auch schon einmal in Südafrika?».

Vor der Wahrheitskommission in Südafrika hätten auch Vertreter der Wirtschaft zu vergangenen Fehlern stehen und sich dafür entschuldigen können. Erzbischof Desmond Tutu bedauerte allerdings «auffallende Absenzen». So meldete sich auch von Schweizer Firmen in Südafrika niemand freiwillig. Einzig Pio Eggstein, langjähriger Leiter des Schweizer Komitees der South Africa Foundation und Direktor der Kreditanstalt, sagte aus: Die in Südafrika tätigen Schweizer Firmen hätten die Apartheid «zwar nicht befürwortet, aber doch mitgetragen».

Einige ausländische Unternehmen haben sich entschuldigt
Anders einzelne Vertreter internationaler Unternehmen, die sich entschuldigten. Ein Direktionsmitglied der Minengesellschaft Anglo-American Corp. bedauerte, dass die Gesellschaft lediglich für ein einziges Prozent der schwarzen Arbeiter Unterkünfte gebaut hatte.
Vereinzelte Unternehmer setzten sich auch politisch gegen die Rassentrennung ein: Johan Rupert, Gründer und Generaldirektor des Tabak-Konzerns Rembrandt, warnte den damaligen Präsidenten Pieter Botha schon 1986 in einem Brief, dass dessen Rassenpolitik eines Tages zu einem Nürnberger Prozess führen könnte.
Einige andere ausländische Unternehmen liessen sich gar nicht erst mit dem Rassenregime ein. Wares Ltd., eines der grössten britischen Bauunternehmen, lehnte ein profitables Investitionsangebot in den Sechzigerjahren aus ethischen Gründen ab. Direkter Neil Wates begründete den Entscheid so: «Wir müssten in einem sozialen Klima handeln, in dem die Hautfarbe die wichtigste Eigenschaft des Individuums ist.» So wäre es seiner Firma in Südafrika gesetzlich verboten gewesen, fähigen Nichtweissen Karrieremöglichkeiten anzubieten. Auf einer Geschäftsreise in Südafrika habe er gesehen, dass «Schwarze wie Vieh vor die Gerichte geschleppt wurden». Daraufhin weigerte er sich, «irgendetwas zu tun, was die Apartheid mitträgt».
Schweizer machten glänzende Geschäfte
Ganz anders Schweizer Konzerne. Für sie war Südafrika ein bevorzugtes Terrain, auf dem sich glänzende Geschäfte machen liessen. Südafrika erlaubte Tochtergesellschaften ausländischer Firmen, Gewinne und Zinsen unbeschränkt an die Muttergesellschaften zu überweisen. Nicht einmal ihren Umsatz mussten sie den Behörden bekannt geben. Das Gewaltregime hatte den Investoren lange Zeit ein «sicheres politisches Klima» garantiert: Keine Streiks, fast keine Gewerkschaften, keine sozialen und politischen Unruhen.
Noch heute sehen die UBS und die betroffenen Industriebetriebe keinen Anlass, ihre Südafrika-Vergangenheit aufarbeiten zu lassen, geschweige denn ein Bedauern oder eine Entschuldigung auszudrücken.
Offizielle Schweiz schweigt
Und sogar die offizielle Schweiz tut sich schwer, sehr schwer. Die St. Galler Nationalrätin Pia Hollenstein (Grüne) schlug vor fünfzehn Jahren mit einer einfachen Anfrage vor, die Beziehungen der Schweiz zum Apartheid-Regime von einer neutralen Stelle aufarbeiten zu lassen. Doch der Bundesrat winkte ab. Seine Begründung liest sich wie eine Verteidigungsrede. Von moralisch und politisch fragwürdigen Taten weiss man dort angeblich nichts. Auch die Rechtskommission des Nationalrats wollte nichts davon wissen, dieses trübe Kapitel der Schweizer Vergangenheit zu bewältigen.
Vergeblich forderten die Arbeitsgemeinschaft Swissaid/Fastenopfer/Brot für alle/Helvetas/Caritas zum Handeln: «Das geschichtliche Aufarbeiten bezüglich Südafrika ist so schnell wie möglich einzuleiten und nicht erst, wenn die Weltöffentlichkeit die Schweiz dazu auffordert.»
Beim Verhalten der Schweiz im Zweiten Weltkrieg sei zu berücksichtigen, dass unser Land von den Nazis bedroht war, gab Pia Hollenstein zu bedenken. Dagegen habe es für unsere Haltung zum Rassenstaat Südafrika keinen äusseren Zwang gegeben.
Fazit: Wenn das Ausland die Schweiz nicht massiv unter Druck setzt wie bei den nachrichtenlosen Vermögen oder beim Missbrauchs des Bankgeheimnisses, gibt es in diesem Land offensichtlich keine politischen Mehrheiten, um düstere Kapitel der Geschichte aufzuarbeiten – selbst wenn diese schon einige Jahrzehnte zurück liegen.

Siehe auch den neueren Artikel Die Kungelei mit dem Apartheid-Regime.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Der Autor hatte die Beziehungen zwischen der Schweiz und Südafrika als Journalist verfolgt.

Zum Infosperber-Dossier:

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Eine Meinung zu

  • am 9.07.2012 um 17:15 Uhr
    Permalink

    Die Mehrheit der Schweizer sind und waren schon immer Faschisten… getreu der Katholischen Kirche glaubten sie, dass die Tiere und die Farbigen (früher auch die Frauen insgesamt) keine Seele hätten – was immer eine sog. Seele auch bedeutet, es war und ist eine ungeheure Abwertung und Anmassung. Alle Monotheistischen Religionen sind noch heute der Kern aller Kriege und der Knechtschaft… Denke!

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