Vulcan Energy

Bohrplatz von Vulcan Energy in Laudau, Rheinland-Pfalz. © Vulcan Energy

Premiere in Deutschland: Lithium aus Thermalwasser gewinnen

Daniela Gschweng /  Die Pilotprojekte in Landau und Frankfurt waren erfolgreich. Ein australisches Unternehmen wird nun mit Milliarden unterstützt.

Am deutschen Oberrheingraben soll zukünftig im grossen Stil Lithium für die Energiewende gefördert werden. Ab 2028 soll jährlich Lithium für eine halbe Million E-Auto-Batterien aus salzigem Thermalwasser gefiltert werden. Nebenbei wird damit klimaneutral geheizt. Die Finanzierung sei gesichert, verkündete das australisch-deutsche Unternehmen Vulcan Energy Anfang Dezember.

Das «weisse Gold» ist derzeit einer der wichtigsten Rohstoffe. Auf Lithium angewiesen sind vor allem die grossen Automobil-Märkte China, Europa und die USA. Benötigt wird Lithium auch für Stromspeicherbatterien, einen der Pfeiler der Energiewende. Bis 2030 wird sich der Bedarf gemäss mehreren Prognosen vervielfachen. Produziert wird bisher grösstenteils in Chile, Bolivien und Australien. Während China im Bergbau selbst Lithium gewinnt und auch selbst Batterien herstellt, ist Europa auf Importe angewiesen. Das soll sich dringend ändern.

Milliarden für die Lithiumförderung

Unter dem Oberrhein zwischen Basel und Frankfurt liegt eines der grössten Lithiumvorkommen Europas in Form von Thermalwasser. Mit Hilfe von Geothermie will Vulcan ab 2028 bis zu 24’000 Tonnen Lithiumhydroxidmonohydrat jährlich fördern. Insgesamt hat sich das Unternehmen dafür rund 2,2 Milliarden Euro Kapital gesichert.

Beim Lithium-Abbau dabei sein wollen viele: Dem 2024 gegründeten deutsche Rohstofffonds ist die Lithiumförderung am Rhein sein erstes Fördergeld von 150 Millionen Euro wert. Dazu kommen Gelder vom deutschen Bund und aus Australien; die Länder Rheinland-Pfalz und Hessen beteiligen sich ebenfalls. Den grössten Teil der Investitionssumme stellen Bankkredite von 1,2 Milliarden Euro und 250 Millionen von der Europäischen Investitionsbank. Das 2018 gegründete Unternehmen strebt ausserdem eine Kapitalerhöhung von 500 Millionen Euro an, zählt die «FAZ» detailliert auf. Der deutsche Baukonzern Hochtief beteiligt sich am Unternehmen und wird auch einen Teil des Baus übernehmen.

Nach Volkswagen, Stellantis, Renault, Umicore und dem Batterieproduzenten LG Energy Solution sicherte sich zuletzt Glencore einen Teil der zukünftigen Förderung. Die Vereinbarung mit Vulcan umfasst die Lieferung von insgesamt 36’000 bis 44’000 Tonnen Lithiumhydroxidmonohydrat innerhalb von acht Jahren.

Wenig erprobte Technologie

Lionheart (Löwenherz) ist ein passender Name für ein Projekt, dessen Technologie noch wenig erprobt ist. Lithiumextraktion aus Tiefenwasser gibt es bisher im grossen Stil noch nicht. Risiko scheint für einmal aber keine Rolle zu spielen. International mitzuspielen ist dringender.

Der Spatenstich für die Filteranlage von «Projekt Lionheart» in der pfälzischen Stadt Landau war bereits am 5. Dezember. Die Bauzeit soll laut der «Tagesschau» zwei bis drei Jahre betragen.

Pilotanlagen Vulcans in Landau und Frankfurt laufen bereits seit 2020 (Infosperber berichtete). 2022 lagen die Prognosen noch bei jährlich 40‘000 Tonnen Lithiumhydroxid bis 2025. Die erste durchgehende Fertigung gab es 2024. Dazu kaufte Vulcan inzwischen zwei Geothermiekraftwerke. Eines produziere Wärme für Landau, das andere Strom für die Gemeinde Insheim, hat die FAZ recherchiert.

In Landau wird aus Tiefenwasser Lithiumchloridlösung extrahiert, die dann per Tanklastwagen nach Frankfurt gefahren wird. Dort wird sie mit grünem Strom zu batteriefähigem Lithiumhydroxidmonohydrat verarbeitet. Auch in Frankfurt-Höchst wird neu gebaut, die bisherige Pilotanlage soll durch eine grössere Produktionsanlage abgelöst werden. Dazu kommen weitere Bohrungen in Rheinland-Pfalz und die Verlegung von Pipelines für die Sole. Parallel soll ein Fernwärmenetz entstehen, mit dem die 50’000-Einwohnerstadt Landau mit der Abwärme versorgt wird. Das erkaltete Wasser wird dann wieder in den Boden gepumpt.

Nachhaltig und umweltfreundlich

Bei der Umsetzung von Lithiumchlorid zu Lithiumhydroxid entstehen laut Vulcan Chlorgas und Wasserstoff, weshalb die Anlage dazu in einem Industriepark steht. Insgesamt nutzt Vulcan aber eine sehr viel umweltfreundlichere Methode, Lithium zu gewinnen, als bisher üblich. Die Lithiumproduktion durch Auswaschung und Verdunstung in Südamerika verbraucht sehr viel Süsswasser und die Gewinnung im Bergbau wie in Australien produziert grosse Mengen Abraum.

Lithiumhydroxid, Monohydrat, Lithiumchlorid, Lithium – Wie bitte?

Das Alkalimetall Lithium reagiert sehr schnell und kommt als reines Lithium quasi nicht vor, stattdessen in Form zahlreicher Verbindungen in Gestein oder zum Beispiel als Lithiumchlorid in Wasser. Die für die Industrie wichtigsten Formen sind Lithiumkarbonat (Li2CO3) und Lithiumhydroxid (LiOH). Lithiumhydroxid-Monohydrat (chemisch LiOH*H2O) enthält noch ein Wassermolekül in kristalliner Form.

Weil diese Moleküle unterschiedlich viel wiegen und diese Bezeichnungen nicht immer sauber verwendet werden, wird häufig umgerechnet in Lithiumcarbonat-Äquivalente (LCE). Das ist ähnlich wie bei der Berechnung von CO2-Äquivalenten, wenn es um den Klimawandel geht. Eine Tonne Lithium entspricht dabei 5,32 Tonnen LCE. Eine Tonne Lithiumhydroxid-Monohydrat entspricht 0,88 Tonnen LCE, 0,57 Tonnen Lithiumhydroxid und 0,16 Tonnen Lithium.

Bleibt die Frage, wer das zukünftig in Europa sprudelnde Lithium zu Batterien verarbeiten soll – die Kapazitäten dafür sitzen bisher hauptsächlich in Asien. Aber es wird, könnte man sagen. Mindestens 50 bis 60 Prozent des eigenen Bedarfs könnten europäische Unternehmen bis 2030 abdecken, zeigt eine Analyse des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI). Ein Selbstversorgungsgrad von 90 Prozent sei möglich, Engpässe aber wahrscheinlich.

Nötig sei es auch, die Batterietechnologie weiterzuentwickeln, sagt ein internationales Forschendenteam, das mehrere mögliche Szenarien für den weltweiten Lithiumbedarf berechnet hat. Beispielsweise durch Alternativen wie Natrium-Ionen-Batterien oder indem man die derzeitige Technologie verbessere.

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SolaranlageBauernhof-1

Energiepolitik ohne neue Atomkraftwerke

Erstes, zweites und drittes Gebot: Der Stromverbrauch darf nicht weiter zunehmen.

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