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Werbung für die Nationale Impfwoche 2025. © «SRF»-Tagesschau

Nutzen der Covid-Impfung: nur die halbe Wahrheit

Martina Frei /  Die Impfung wird Senioren empfohlen. Doch Ärzte können sie nicht seriös beraten, weil ihnen wichtige Angaben fehlen.

Wie gut wirkt die Covid-Impfung jetzt noch, wo praktisch alle Corona hatten und/oder mehrmals dagegen geimpft wurden? Das weiss selbst die US-Arzneimittelbehörde FDA nicht – obwohl die Impfung den Senioren empfohlen wird (Infosperber berichtete).

In diesem Punkt herrsche «allgemeine öffentliche Ungewissheit», schrieben drei Wissenschaftler kürzlich im «New England Journal of Medicine». Sie wollten Abhilfe schaffen.

Vinay Prasad, aktuell wieder Leiter der Abteilung für Impfstoffe bei FDA, hatte letztes Jahr im «European Journal of Clinical Investigation» aussagekräftige Studien gefordert, insbesondere solche, bei denen die Teilnehmenden per Losentscheid entweder geimpft werden oder bloss eine Placebo-Spritze bekommen.

Studienteilnehmer im Seniorenalter

Doch die drei Wissenschaftler wählten einen anderen Weg. Sie werteten rückblickend für den letzten Winter die Datenbank des «Department of Veterans Affairs» aus. Dort werden die Gesundheitsdaten der ehemaligen US-Soldatinnen und -Soldaten erfasst. Die Wissenschaftler verglichen rund 160’000 Veteranen, die sich im Herbst 2024 am gleichen Tag sowohl gegen Grippe als auch gegen Covid impfen liessen, mit rund 130’000 Veteranen, die sich damals einzig gegen Grippe impfen liessen.

Sie wollten wissen: Wie viele Personen suchten in den sechs Monaten nach der Impfung im Zusammenhang mit Covid eine Notfallambulanz auf, wie viele wurden im Zusammenhang mit Covid hospitalisiert, und wie viele starben im Zusammenhang mit Covid? Das Durchschnittsalter der Veteranen lag bei rund 70 Jahren. 

Die drei Wissenschaftler kamen zu einem positiven Ergebnis: Bei den Covid-Geimpften kam es zu weniger Notfallkonsultationen und Hospitalisationen im Zusammenhang mit Covid und auch zu weniger Covid-Todesfällen (siehe Tabelle unten). Allerdings waren die absoluten Unterschiede klein, wie die Wissenschaftler selbst anmerken.

Nutzen und Schaden aufwiegen

Doch die andere Seite der Medaille berücksichtigen sie nicht. Sie liessen die Daten zur Gesamtsterblichkeit und zu sämtlichen Hospitalisationen der beiden Gruppen einfach weg. Ebenfalls weg liessen sie Daten zu den Nebenwirkungen der Impfung. Für eine Bilanz muss jedoch der Nutzen mit dem Schaden aufgewogen werden.

Die Angaben zu Hospitalisationen aus allen möglichen Gründen sind deshalb wichtig, weil es denkbar ist, dass die Impfung zwar bei einem Patienten eine schwere Covid-Erkrankung verhinderte, bei einem anderen aber wegen einer Nebenwirkung zu einer Hospitalisation führte, zum Beispiel wegen einer Herzmuskelentzündung, einer schweren allergischen Reaktion oder einer Gesichtslähmung. In der Gesamtschau wäre dann nichts gewonnen.

Von den mRNA-Impfstoffen ist bekannt, dass sie – laut Beipackzettel sehr selten – eine Herzmuskelentzündung verursachen. Diese kann unter Umständen zu Herzrhythmusstörungen oder sogar zum Herzstillstand führen. Handkehrum kann im Gefolge von Infektionen wie Covid das Herzinfarkt- oder Schlaganfallrisiko vorübergehend steigen. Würde die Impfung auch solche Folgen verhindern, müsste sich dies in der Gesamtbilanz niederschlagen.

Aus diesen Gründen wäre die Angabe zur Gesamtsterblichkeit in beiden Impfgruppen wichtig. Würde sich beispielsweise zeigen, dass die Covid-Impfung sowohl die Covid-Todesfälle als auch die Gesamtsterblichkeit verringert, wäre das ein zusätzlicher Pluspunkt.

Doch auch hier: Fehlanzeige. Zur Gesamtsterblichkeit schreiben die drei Studienautoren nichts, obwohl sie diese Daten hatten.

Ein schon bekanntes Muster

Neu sind solche Auslassungen nicht. Schon in zwei wichtigen, weit herum zitierten Studien aus Israel am Anfang der Impfkampagne und als es ums Boostern ging, gaben die Autoren die Gesamtsterblichkeit nicht an. Beide Studien wurden ebenfalls im «New England Journal of Medicine» veröffentlicht. Infosperber fragte damals mehrmals bei den Autoren einer dieser Studien an – es kam nie eine Antwort. Bei der anderen Studie reichten die Autoren die Informationen zur Gesamtsterblichkeit später nach. Da stellte sich heraus: Die Wirksamkeit der Covid-Booster-Impfung lag bestenfalls bei 60 Prozent, nicht aber bei 90 Prozent, wie die Autoren dies zuvor behauptet hatten.

Vergleiche bezüglich der Gesamt-Hospitalisationen und der Gesamtsterblichkeit «sind entscheidend, wenn man Patienten beraten will», er wolle diese Zahlen unbedingt», forderte der Medizinprofessor Adam Cifu nun im Blog «Sensible Medicine». Dass die drei Wissenschaftler die Gesamtsterblichkeit nicht einmal erwähnt hätten, sei «zutiefst unbefriedigend».

Auch die Gutachter und die Redaktion des «New England Journal of Medicine», wo die Studie veröffentlicht wurde, hätten auf diesen Angaben bestehen können. Cifu kommt zum gleichen Schluss wie sein Freund Vinay Prasad: Eine Studie, bei der die Teilnehmenden per Los entweder gegen Covid geimpft oder nicht geimpft werden, wäre besser.

Infosperber bat den Autor der aktuellen Studie Ziyad Al-Aly um die fehlenden Angaben oder um eine Begründung, warum diese Berechnungen nicht gemacht wurden. Er antwortete bisher nicht. 

Die Resultate seiner Studie:

Pro 100’000 …… gegen Grippe Geimpfte… gegen Covid und Grippe GeimpfteDas entspricht einer absoluten Reduktion von …Das entspricht einer relativen Schutzwirkung von …
suchten im Zusammenhang mit Covid eine Notfallambulanz auf624 (0,62 %)442 (0,44 %)0,18 %29 Prozent
suchten aus anderen Gründen eine Notfallambulanz aufkeine Angabekeine Angabe
wurden im Zusammenhang mit Covid hospitalisiert191 (0,19 %)116 (0,12 %)0,075 %39 Prozent
wurden aus anderen Gründen hospitalisiertkeine Angabekeine Angabe
starben im Zusammenhang mit Covid35 (0,035%)13 (0,013 %)0,022 %64 Prozent
starben an anderen Todesursachenkeine Angabekeine Angabe
Die Angaben beziehen sich auf einen Zeitraum von 180 Tagen ab dem Impftag im Herbst/Winter 2024/2025.

Folglich profitierte einer von etwa 550 geimpften Veteranen in Bezug auf Covid. Wie die Gesamtbilanz aussieht, ist offen.


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Man impft gesunde Menschen zum Vorbeugen. Deshalb muss der Nutzen deutlich grösser sein als mögliche Schäden.

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