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Sieht brisant aus: fragwürdige VZ-Studie mit Sperrfrist. © Esther Diener-Morscher

Schweizer vererben 1,4 Millionen Franken – wer’s glaubt!

Marco Diener /  Das Vermögenszentrum macht eine fragwürdige Studie zu vererbten Beträgen. Radio SRF zitiert – und erst noch falsch.

«1,4 Millionen Franken werden im Schnitt in einem Haushalt vererbt. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie. Damit wird in der Schweiz fünfmal mehr vererbt als noch vor 30 Jahren.»

So lautete gestern eine Schlagzeile in den Morgen-Nachrichten von Radio SRF. Das Vermögenszentrum (VZ) habe «die Erbfälle von über 3000 Personen in mehr als 1600 mittelständischen Haushalten analysiert – zwischen Januar 2023 und Januar 2025 – und festgestellt, wie hoch das Erbe im Schnitt ist».

Nur VZ-Kunden

Die VZ-Studie «So vererben Schweizerinnen und Schweizer ihr Vermögen» ist fragwürdig. Denn das VZ hat nicht untersucht, wie viel Vermögen Schweizerinnen und Schweizer vererben, sondern wie viel es bei den VZ-Kunden möglicherweise sein wird. VZ-Kunden sind überdurchschnittlich wohlhabend. Wer nichts oder nur wenig hat und daher nichts oder nur wenig vererben kann, lässt sich kaum vom VZ beraten. Die Firma bietet nur ein erstes Gespräch gratis an. Die weitere Beratung kostet.

Hinzu kommt, dass das VZ nicht irgendwelche Kunden in seine Untersuchung einbezogen hat, sondern nur solche, die vom VZ eine Nachlassplanung haben durchführen lassen. Und das sind wahrscheinlich die wohlhabenderen unter den VZ-Kunden. Entgegen der Behauptung von Radio SRF zeigt die Studie überhaupt nicht, wie viel ein durchschnittlicher Schweizer Haushalt vererbt.

Studie vom Interessenverband

Aber Radio SRF hat es sich in letzter Zeit zur Gewohnheit gemacht, über Studien zu berichten, die nicht über alle Zweifel erhaben sind. So etwa über eine Studie des Beratungsunternehmens Henley & Partners, die zeigen soll, dass Lugano die Stadt der Superreichen sei. Oder die Studie «Gaming in Deutschland», die vom Interessenverband Bitkom verfasst wurde. Aber auch die Studie des Forschunginstituts Sotomo, die zum wenig überraschenden Schluss kommt, dass die genossenschaftliche Idee in der Schweizer Landwirtschaft stark verankert sei.

Laufend stellt SRF Studien vor, die vor allem den Firmen, die sie durchführen, zur Eigenwerbung dienen. Beispiele sind die CSS-Studie über das Gesundheitsempfinden, die Axa-Studie über die Solidarität bei der Altersvorsorge oder die Deloitte-Studie über das Wunschalter der Schweizer.

Dass Radio SRF offen für allerlei Studien ist, haben inzwischen auch Unternehmen und Universitäten entdeckt. Um ihren Arbeiten besondere Brisanz zu verleihen, versehen sie diese häufig mit einer Sperrfrist. In Rot steht denn auch über der VZ-Studie: «Sperrfrist: Freitag, 26. September, 5.00 Uhr.»

Die rote Sperrfrist wirkte auf die Radio-SRF-Leute genau so, wie es sich die VZ-Verantwortlichen vorgestellt haben dürften. Ab den 6-Uhr-Nachrichten verbreitete Radio SRF die Kunde von den angeblichen Millionen-Erbschaften.

Weder sorgfältig noch kritisch

Eigentlich hat ein solcher Beitrag in den Radio-Nachrichten nichts zu suchen. Denn die Studie ist primär Werbung fürs VZ. Und – wenn schon – müsste der Beitrag sorgfältig und kritisch abgefasst sein. Aber das war weder in den Radio-Nachrichten noch auf der Website der Fall:

  • So steht da etwa: «Schweizerinnen und Schweizer erben oft Millionen.» Dabei räumt selbst das VZ schon in der einleitenden Studien-Zusammenfassung ein, dass die Zahlen nur bei VZ-Kunden erhoben wurden.
  • Bei Radio SRF war mehrmals davon die Rede, dass «im Schnitt» 1,4 Millionen Franken vererbt würden. Doch laut VZ-Studie beträgt der Median 1,4 Millionen Franken. Das ist ein Unterschied.
  • Laut Radio SRF wird heute «fünfmal mehr vererbt als noch vor 30 Jahren». Laut VZ hat sich das vererbte Vermögen aber bloss «verfünffacht». «Fünfmal mehr» und «verfünffacht» ist nicht das Gleiche.
  • Das VZ hat – im Gegensatz zur Behauptung von Radio SRF – keine Erbfälle analysiert, sondern die Vermögenssituation von Kunden, die das VZ mit einer Nachlassplanung beauftragt haben. Vererbt wird das Geld erst in Jahren oder Jahrzehnten.
  • Radio SRF schreibt auf seiner Website: «Noch nie wurde so viel Geld vererbt wie 2025.» Das lässt sich Ende September bestimmt noch nicht sagen. Und es geht aus der VZ-Studie auch nicht hervor. Es ist eine leere Behauptung.

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Eine Meinung zu

  • am 27.09.2025 um 11:38 Uhr
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