So tickt der neue US-Botschafter bei der EU
Andrew Puzder, ein ehemaliger Manager von zwei US-Fast-Food-Ketten, hat sein Amt als US-Botschafter bei der EU am 11. September angetreten. Er verlangt, Brüssel müsse «regulatorische Barrieren» beseitigen, die dem Geschäft insbesondere von US-Unternehmen im Wege stünden. So müssten etwa Normen für Social Media abgeschafft und «die freie Meinungsäusserung» wiederhergestellt werden. Mit Letzterem ist das Aufheben von Regeln gemeint, die extrem rechte Hetze einschränken sollen. Das käme nicht zuletzt extrem rechten Organisationen zugute, mit denen etwa die US-amerikanische Heritage Foundation kooperiert, für die Puzder noch bis vor kurzem aktiv war.
EU-Normen abschaffen
Andrew Puzder hat anlässlich seines Amtsantritts in einem Interview mitgeteilt, was seine ersten Arbeitsschwerpunkte als US-Botschafter bei der EU sein werden. Demnach wird Puzder sich dafür einsetzen, EU-Gesetze und -Normen zu verändern oder sie sogar ganz abzuschaffen, wenn sie nicht im Interesse von US-Unternehmen liegen.
Dies gilt zum einen für die Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD), die allen in der EU tätigen Unternehmen Sorgfaltspflichten bei der Auswahl ihrer Lieferanten im Hinblick auf Menschenrechte und Umweltnormen auferlegt. Puzder lässt keinen Zweifel daran, dass er die Richtlinie abgeschafft sehen will. Dies gilt auch für die Beachtung von ESG-Faktoren (Environmental, Social & Governance – Umwelt, Soziales & Grundsätze der Unternehmensführung), etwa bei Investitionen. Bereits im Februar hatte US-Handelsminister Howard Lutnick erklärt, er sei jederzeit bereit, «Handelswerkzeuge» einzusetzen, sollten derartige EU-Normen US-Unternehmen im Wege stehen.
Freie Meinungsäusserung
Puzder fordert zudem, die USA und die EU müssten sich «gemeinsam» Russland und China widersetzen. Was China betrifft, bezieht sich dies auf den harten Konfrontationskurs nicht nur in ökonomischer, sondern auch in politischer und militärischer Hinsicht, den die Trump-Administration eingeschlagen hat. Was Russland angeht, verlangt Puzder, die EU solle sich in Zukunft nicht mehr mit russischem, sondern mit US-amerikanischem Flüssiggas versorgen.
Nicht zuletzt spricht sich der neue US-Botschafter gegen die Regulierung von Onlinemärkten und -diensten aus, wie sie insbesondere der Digital Markets Act (DMA) und der Digital Services Act (DSA) vorsehen. Erst vor kurzem hatte die EU dem US-Konzern Google wegen eines Verstosses gegen einschlägige EU-Regularien eine Strafzahlung von 2,95 Milliarden Euro auferlegt. Puzder lehnt dies in aller Schärfe ab und behauptet, derlei Strafen richteten sich offen «gegen grosse US-Unternehmen»; das sei «nicht akzeptabel». Darüber hinaus behauptet er, die EU schränke mit ihrer Onlineregulierung «die freie Meinungsäusserung» ein. Zwar erklärt er gönnerhaft, «freie Meinungsäusserung» müsse in der EU nicht exakt dasselbe sein wie in den USA. Dennoch beschränkten Normen, die etwa offene rassistische oder sexistische Diskriminierung untersagen, die Redefreiheit auf unzulässige Art.
Freie Bahn für Hetze
Mit der Forderung, die Regulierung etwa von Social Media-Plattformen aus den USA zu schwächen oder ganz abzuschaffen, setzt Puzder sich nicht nur für US-Konzerne ein, sondern zugleich für die Interessen einer Organisation, für die er zuletzt als Distinguished Visiting Fellow for Business and Economic Freedom gearbeitet hat – die Heritage Foundation. Die Stiftung, die mit ihrem Project 2025 eine Art Regierungsprogramm für die Trump-Regierung verfasst hat, kooperiert eng mit dem ultrarechten Parteienbündnis Patriots for Europe (PfE), dem zum Beispiel der französische Rassemblement National (RN), der belgische Vlaams Belang und die italienische Lega angehören. Besonders enge Beziehungen unterhält sie zu Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán, dessen Partei Fidesz den PfE angehört. Von der Abschaffung von Regeln gegen rechte Hetze würden die PfE-Mitgliedsparteien profitieren – und mit ihnen auch ihr Kooperationspartner Heritage Foundation (siehe dazu «Vom Trump-Tornado lernen»).
Inakzeptable Einmischung
Die offene Einmischung von US-Botschaftern in innere Angelegenheiten ihres Gastlandes sorgt bereits andernorts für ernste Konflikte. Das gilt etwa für Frankreich, wo die Vereinigten Staaten von einem Angehörigen des Trump-Clans vertreten werden – von Charles Kushner, einem wegen Steuerhinterziehung verurteilten Immobilienunternehmer, dessen Sohn Jared Schwiegersohn des US-Präsidenten ist. Kushner hatte im August, nachdem Präsident Emmanuel Macron für den 19. September die Anerkennung des Staates Palästina in Aussicht gestellt hatte, einen an Macron gerichteten Brief an die Medien weitergereicht. Darin stellte er die bevorstehende Anerkennung Palästinas als eine «Initiative» dar, die das «antisemitische Feuer» schüre, und forderte Macron im Kommandoton auf: «Geben Sie Initiativen auf, die der Legitimierung der Hamas und ihrer Verbündeten dienen.»
Kushners Vorstoss – seine erste öffentliche Initiative als US-Botschafter in Frankreich kurz nach seiner Amtsübernahme – löste in Paris heftig Ärger aus. Aussenminister Jean-Noël Barrot nannte ihn «inakzeptabel»; er wies darauf hin, dass das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen aus dem Jahr 1961 zur Nichteinmischung in innere Angelegenheiten des Gastlandes verpflichtet. Kushner weigerte sich anschliessend sogar noch, seiner Einbestellung in das französische Aussenministerium Folge zu leisten.
Extreme Ansichten
Die offene Einmischung eines US-Botschafters in innere Angelegenheiten des Gastlandes ist in Deutschland bereits aus der Amtszeit von Richard Grenell (8. Mai 2018 bis 1. Juni 2020) bekannt. Grenell hatte schon Anfang Juni 2018 in einem Interview mit der extrem rechten US-Onlineplattform Breitbart erklärt, er wolle «unbedingt andere Konservative in ganz Europa stärken» (siehe dazu «Ein Oligarch für die AfD»). Mit «Konservativen» waren allerlei ultrarechte Kräfte auch jenseits des etablierten Parteienspektrums gemeint. Grenell fiel später dadurch auf, dass er Drohbriefe an deutsche Unternehmen versandte, um sie zur Befolgung seiner politischen Forderungen zu nötigen (German Foreign Policy berichtete).
Der Mann, der gegenwärtig den bemerkenswerten Titel «Sondergesandter für Sondermissionen» trägt, forderte, dem ZDF-Korrespondenten Elmar Thevessen solle das Visum entzogen werden. Thevessen hatte von seiner Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht und über den erst vor kurzem ermordeten ultrarechten Aktivisten Charlie Kirk zutreffend gesagt, er habe «rassistische» und «minderheitsfeindliche Äusserungen» getätigt und «zu den Rechtsradikalen in den USA» gehört. Über Trumps stellvertretenden Stabschef Stephen Miller urteilte Thevessen, er habe «sehr extreme Ansichten». Grenell behauptete daraufhin, Thevessen rufe zu Gewalt gegen politische Gegner auf; er müsse abgeschoben werden.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Dieser Beitrag erschien zuerst auf der Online-Plattform german-foreign-policy.com. Diese «Informationen zur deutschen Aussenpolitik» werden von einer Gruppe unabhängiger Publizisten und Wissenschaftler zusammengestellt, die das Wiedererstarken deutscher Grossmachtbestrebungen auf wirtschaftlichem, politischem und militärischem Gebiet kontinuierlich beobachten.
_____________________
➔ Solche Artikel sind nur dank Ihren SPENDEN möglich. Spenden an unsere Stiftung können Sie bei den Steuern abziehen.
Mit Twint oder Bank-App auch gleich hier:
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Ihre Meinung
Lade Eingabefeld...