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Ist das bald Vergangenheit – und der Kakao für die Schokolade kommt aus dem Fermenter? © JanPietruszka/Depositphotos

Schokolade – bald kommt sie in Massen aus dem Labor

Christof Leisinger /  Schoggi ist begehrt, aber der Kakao ist teuer. Visionäre wollen ihn im Bioreaktor herstellen. An die armen Bauern denken sie nicht.

Schokolade ist fein, aber leider wird die süsse Versuchung immer teurer. Dafür gibt es mehrere Gründe – und inzwischen auch die vage Aussicht auf eine Entspannung der Entwicklung.

Der erste Grund für die enormen Preissteigerungen bei Schokolade ist das inflationäre Umfeld. Seit dem Versagen der Zentralbanken bei der Bekämpfung des Preisauftriebs nach der Pandemie haben sich die Konsumenten an steigende Preise gewöhnt, und das nutzen viele Unternehmen schamlos aus, um ihre Gewinne mit der Preisschraube zu sichern oder zu steigern.

Schokoladehersteller nutzen das Umfeld zu kräftigen Preissteigerungen

Bei Schokolade haben die Hersteller immerhin einen handfesten Grund dafür: Sie enthält ziemlich viel Kakao und dieser war in den vergangenen Monaten so knapp geworden, dass die Preise dafür phasenweise durch die Decke gegangen sind. So ist die Menge der geernteten Kakaobohnen in den beiden Hauptanbaugebieten Elfenbeinküste und Ghana vom Jahr 2020 bis 2024 um bis zu 50 Prozent gefallen. Ursachen hierfür waren vor allem Pflanzenkrankheiten, alte und wenig ertragreiche Kakaobäume sowie klimatische Extreme wie Dürre und Hitze.

Das führte zu einer spürbaren Verknappung des Angebots auf dem Weltmarkt für Kakaobohnen. Und das in einer Zeit, in der die Nachfrage nach Kakaoprodukten schon seit Jahren im Trend zunimmt. Das gilt besonders in Ländern wie China, wo der Wohlstand seit dem Anfang des Exportbooms merklich zugenommen hat und wo sich immer mehr Menschen Schokolade und andere Luxuswaren leisten können.

kakaoernte im vergleich
Die Kakao-Ernte in Afrika ist eingebrochen. Hier gibt es eine grössere Auflösung der Grafik.

Schnell rief diese Konstellation auch die Zocker an den Terminmärkten auf den Plan, welche die physische Knappheit durch enorme Spekulationen verstärkten. Sie konkurrenzierten die Schokoladeverarbeiter, indem sie grosse Mengen an Kakaokontrakten bei steigenden Preisen erwarben. Das führte phasenweise sogar zu Panikkäufen, was wiederum weitere Preissprünge auslöste.

Ende des vergangenen Jahres mussten die Verarbeiter an der Terminbörse in New York mehr als 11’000 Dollar hinlegen, um das Recht auf die Lieferung von einer Tonne Kakao zu erhalten. Inzwischen ist der Preis dafür um knapp ein Drittel gefallen, aber er liegt mit rund 8000 Dollar immer noch etwa drei Mal über dem Niveau, das vor der Pandemie üblich war.

Vor der Pandemie konnten sich Kakaobauern Investitionen kaum leisten

Das mag auch mit sozioökonomischen Faktoren zusammenhängen: Vor der Pandemie konnten viele Kakaobauern kaum von den niedrigen Erzeugerpreisen leben, die die Industrie ihnen anbot. Folglich hatten viele nicht das nötige «Kleingeld», um in jüngere, produktivere oder gegen Schädlinge resistentere Baumbestände und in ihre Infrastruktur zu investieren.

Die grossen Schokoladefirmen legten zwar Nachhaltigkeitsprogramme zur angeblichen Abhilfe auf. Kritiker fürchten jedoch, es handle sich dabei um Public-Relations-Aktionen, um in den Augen der Konsumenten das «gute Image» zu wahren. Sie warnen weiterhin vor Armut, Kinderarbeit und illegaler Abholzung von Urwäldern, um die Flächen für den Kakaoanbau auszudehnen.

Aus Sicht der Kakao-Verarbeiter dagegen scheint sich die Lage langsam etwas zu entspannen. ICCO, die internationale Vereinigung von Kakao produzierenden und importierenden Staaten mit Sitz in Abidjan, berichtete in ihrem Marktbericht vom Juli von verbesserten Kakaoernte-Prognosen. Die relativ hohen Kakaopreise hätten das Interesse am Anbau wieder geweckt und zu einer Produktionssteigerung geführt. Vor allem die erwarteten Produktionssteigerungen in Lateinamerika könnten die Angebotsknappheit lindern.

kakao preisentwicklung
Der Kakao-Markt war in den vergangenen Monaten chaotisch. Hier gibt es eine grössere Auflösung der Grafik.

Zur Entspannung aus Konsumentensicht könnte auch das mögliche Angebot von Schokolade aus dem Labor beitragen. Grosse Kakao-Verarbeiter wie etwa der von den Preisturbulenzen betriebswirtschaftlich stark gebeutelte Schweizer Anbieter Barry Callebaut arbeiten an der Entwicklung alternativer Bezugsquellen. Er hat sich mit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften zusammengetan, um die Kakao-Zellkulturtechnologie zu erforschen.

Barry Callebaut ist damit in den sich rasant entwickelnden Wettlauf um die Herstellung von Schokolade im Labor in grossem Massstab eingetreten. Anstatt Kakaobäume anzubauen, sollen Zellkulturen und Fermentation in Bioreaktoren dazu dienen, die Hauptzutaten von Schokolade wie Kakaobutter und Kakaomasse nachzubilden. Obwohl sich die Technologie noch in der Entwicklung befindet, könnte sie die Schokoladenindustrie verändern und sie umweltfreundlicher und zuverlässiger machen, so die Promotoren.

Kommt der Kakao für die Schokolade bald aus dem Fermenter?

Sie schwärmen davon Umweltschäden, Abholzung und ethische Probleme wie Kinderarbeit im Kakaoanbau zu reduzieren – ohne zu erwähnen, dass auf diese Weise die Lebensgrundlage der Kakao-Anbauländer gefährdet oder ihre wirtschaftliche Perspektive getrübt würde.

Mit fortschreitender Entwicklung der Technologie und zunehmender Skalierung der Prozesse könnte alternative Schokolade erschwinglicher und leichter erhältlich werden und genauso schmecken wie herkömmliche Schokolade. Im Labor gezüchtete Schokolade biete eine Möglichkeit, Schokolade zu geniessen, ohne den Planeten zu schädigen oder von Booms und Krisen in der Landwirtschaft abhängig zu sein, heisst es weiter.

Längst hat diese Vision zur Gründung verschiedener Firmen geführt, die intensiv an der Entwicklung entsprechender Anlagen arbeiten. Dazu zählen zum Beispiel die Food Brewer aus Horgen, die die Kakao- und Kaffeeproduktion «revolutionieren» möchten. Sie stellen sich eine Zukunft vor, in der «die Lebensmittelproduktion nachhaltig und traditionell gedeiht». Kakao und Kakaobutter sollen auf Zellkulturbasis in einem Bioreaktor gezüchtet werden. Ähnliche Ansätze verfolgen California Cultured, Planet A Foods in Deutschland, Celleste Bio, WinWin, Foreverland, Nukoko oder auch Kokomodo.

Insgesamt glauben sie, die im Labor gezüchtete Schokolade werde angesichts der Fortschritte in der Zelllandwirtschaft und Fermentation für die Schokoladeindustrie bald zu einer gängigen Option werden. Zumindest dann, wenn komplexe und aufwendige Zulassungsverfahren für neue Lebensmittel überwunden wurden und wenn die Endprodukte von den Konsumenten akzeptiert werden. An das Schicksal der Kakaobauern oder daran, was Länder wie Ghana dann machen, denkt dabei keiner mehr.

schokoladenpreis ch
Schokolade ist in der Schweiz sehr teuer geworden. Hier gibt es eine grössere Auflösung der Grafik.

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